Dios!“ entfuhr es ihm, dann schlug er hastig das Kreuzzeichen.
Ähnlich erging es vielen anderen Bewohnern Tortugas, die teils fluchend, teils mit kalten Schauern auf dem Rücken zu den vier Schiffen starrten, die in die Hafenbucht einliefen.
Drei davon waren ihnen zwar unbekannt, aber das andere genügte, um reichlich gemischte Gefühle hervorzurufen – jener düster wirkende Zweidecker nämlich, der den anderen vorausgesegelt war und gerade vor Anker ging.
„Die Black Queen ist wieder da!“ Diese Nachricht verbreitete sich in Windeseile über die Insel. Und jeder, der sie hörte, wußte, was sie zu bedeuten hatte.
In der Karibik war seit Wochen der Teufel los, und zwar in Gestalt einer Frau, deren Haut so schwarz war wie ihre Augen und ihr dichtes Kraushaar. Seit sie mit ihrem rahgetakelten Zweidecker See und Küsten verunsicherte, gab es ständig neuen Ärger. Davon hatte man auf Tortuga ohnehin schon genug.
Die Insel, die Hispaniola im Norden vorgelagert ist, galt bereits seit Jahrzehnten als berüchtigtes Piratennest, in dem sich lichtscheues Gesindel aller Rassen und Sprachen herumtrieb. Obwohl von zahlreichen Machtkämpfen heimgesucht, hatte es doch keiner geschafft, das „Schildkröteneiland“ auf Dauer zu beherrschen. Nach blutigen Gefechten waren immer wieder Zeiten der Ruhe eingekehrt.
Doch seit die Black Queen mit ihrem Zweidecker namens „Caribian Queen“ vor Tortuga aufzukreuzen pflegte, konnte selbst der friedlichste Schnapphahn nicht mehr in Frieden leben.
Wo immer die herrschsüchtige Negerin vor Anker ging, da krachten bald die Kanonen – nicht zuletzt deshalb, weil das Teufelsweib, das sich mit Vorliebe Black Queen nennen ließ, dem „Bund der Korsaren“ den Krieg erklärt hatte.
Die unermeßlichen Schätze, die auf der geheimnisvollen Schlangen-Insel lagern sollten, gingen der Piratin seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf. Und so blieb es nicht aus, daß sie immer wieder heftig mit Jean Ribault, der Roten Korsarin, dem behelmten Wikinger und zuletzt auch mit den Seewölfen aneinandergeriet. Die Kämpfe zwischen den Schiffen von der Schlangen-Insel und der Black Queen hatten Tortuga schon bis in die Grundfesten erschüttert.
Diego kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf.
„O heiliger Santiago!“ seufzte er und wölbte den Bauch vor, daß die Schürze zu zerreißen drohte. „Was hat das nun wieder zu bedeuten?“
Der plötzliche Aufmarsch eines ganzen Verbandes gab ihm zu denken, denn ohne Zweifel gehörten die drei sehr spanisch aussehenden Galeonen zum Gefolge der Black Queen, auch wenn er sie noch nie im Hafen von Tortuga gesehen hatte.
Ihre Namen konnte er bald entziffern. Es handelte sich um die „Aguila“, die „Vascongadas“ und die „Buena Estrella“. Die Galeonen sahen demnach nicht nur spanisch aus, sondern hatten auch spanische Namen. Außerdem befanden sich, wie er deutlich sehen konnte, jede Menge Leute an Bord. Was hatte die Black Queen diesmal vor? Er wurde das verdammte Gefühl nicht los, daß es mit dieser Flotte eine besondere Bewandtnis haben mußte.
Diego verharrte noch einen Moment auf seinem Platz, denn in der Kneipe würden sich schon die Schankknechte darum kümmern, daß die Humpen rechtzeitig nachgefüllt wurden und das Geld dafür den Besitzer wechselte.
Doch plötzlich fiel dem dicken Diego ein, daß er ja der einzige Wirt auf Tortuga war. Sein ausgeprägter Geschäftssinn erwachte blitzartig und ließ ihn rasch das böse Omen, das die Anwesenheit der Black Queen für die Insel darstellte, vergessen. Vier Schiffe – dem Herrn sei Dank! –, das bedeutete, daß seine Felsenkneipe in kurzer Zeit von durstigen Männern überschwemmt sein würde.
Das feiste Gesicht des Wirts verzog sich zu einem zufriedenen Grinsen. Viele Zecher – das brachte Zuwachs für seine Lederbeutel, die er an einem sicheren Ort tief in der Grotte auf bewahrte, die würden von Stunde zu Stunde praller werden.
Diego rieb sich die Hände. Geld stank ja bekanntlich nicht, auch nicht, wenn es von der Black Queen und ihren Schnapphähnen stammte. Außerdem – was konnte ihm schon passieren? Er war ein neutraler und friedfertiger Mensch, der es bisher immer verstanden hatte, sich aus brenzligen Situationen herauszuhalten. Er schlängelte sich gewissermaßen in der Mitte hindurch und verstand es, auf allen Schultern zu tragen. Nur so konnte man auf Tortuga überleben, das hatte er schnell herausgekriegt.
Diego hatte es jetzt sehr eilig. So schnell ihn die Beine trugen, eilte er in die „Schildkröte“ zurück. Dort trat er noch einem Betrunkenen, der auf allen vieren am Boden herumkroch, in den Hintern und verscheuchte eine allzu aufdringliche Hafenhure. Dann verzog er sich hinter seinen Schanktisch.
Nachdem er seine Gehilfen mit zahlreichen Kruken in den Weinkeller geschickt hatte, ließ er jene Tische räumen, an denen Betrunkene ihren Rausch ausschliefen. Gleich wurde jede Menge Platz gebraucht, und den verschaffte sich Diego, ohne dabei zimperlich zu sein. Schließlich mußte die „Schildkröte“ auf den großen Ansturm vorbereitet sein.
Der Hafen von Tortuga, in dem meist ein buntes Leben und Treiben herrschte, wirkte innerhalb kurzer Zeit wie ausgestorben.
Die Piers und Stege, auf denen sonst Faulenzer, Neugierige und Abstauber herumlungerten, waren plötzlich wie leergefegt. Die Schnapphähne und Händler, die in der Nähe Beutegut verhökerten, packten ihren Kram zusammen und verschwanden. Einige Fischer versuchten hastig, ihre Boote zu einem abgelegeneren Teil der Hafenbucht zu bringen – für den Fall, daß es hier wieder einmal Kleinholz geben sollte.
Die Black Queen ging zusammen mit Caligula, Jaime Cerrana, Willem Tomdijk und Emile Boussac an Land. Sie bemerkte sehr wohl die überstürzten Sicherheitsvorkehrungen, aber sie bedachte das Ganze nur mit einem zynischen Lächeln. Schließlich zeigte diese Verhaltensweise, daß man einen höllischen Respekt vor ihr hatte. Das konnte ihr bei all ihren Zukunftsplänen nur recht sein.
Vorsichtshalber hatte die schwarze Piratin nur einem Drittel aller Männer Landgang gewährt, damit die Gefechtsbereitschaft aller vier Schiffe gewährleistet blieb. Sie hatte auf Tortuga bereits ihre Erfahrungen gesammelt, und die Niederlagen, die ihr der Franzose Jean Ribault und der Wikinger mit seinem schwarzen Schiff bereitet hatten, wollte sie auf keinen Fall noch einmal erleben.
Ja, sie bot ein beeindruckendes Bild, die Black Queen, wie sie da im Gefolge übler Halunken und Halsabschneider auf die „Schildkröte“ zuhielt.
Normalerweise hätte das Gesindel, das sonst den Hafen bevölkerte, Stielaugen gekriegt und gierig mit der Zunge geschnalzt, wenn sich eine Frau wie die Black Queen gezeigt hätte – halbnackt, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, der von einem handbreiten Ledergürtel festgehalten wurde.
So aber hielt man sich zurück und ging dieser selbsternannten Königin mit dem geradezu athletischen Körperbau tunlichst aus dem Weg, denn sie war nicht nur mit weiblichen Reizen, goldenen Ohrringen und einer kostbaren, ineinander verschlungenen Halskette ausgestattet, sondern auch mit Waffen, die an ihren eigentlichen Charakter erinnerten. In ihrem Gürtel trug sie eine wertvolle doppelläufige Pistole und ein ungewöhnlich geformtes Entermesser.
Ihr Begleiter, Partner und Liebhaber namens Caligula, Sohn des berüchtigten Oberschnapphahns Caligu, der in der Windward-Passage sein Leben ausgehaucht hatte, war nicht weniger beeindruckend. Auch er war pechschwarz und von muskulöser Gestalt. Im Gürtel, der seine weiße Pumphose festhielt, trug er die gleichen Waffen wie die Black Queen, und was Skrupellosigkeit, Verschlagenheit, Brutalität und Intelligenz betraf, stand er ihr ebenfalls in nichts nach.
Caligula war es, der sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen verzog.
„Das Gelichter hier scheint uns aus dem Weg zu gehen“, bemerkte er. „Das sind gute Vorzeichen für die Zukunft, denn wir werden den Bewohnern von Tortuga künftig einigen Respekt abverlangen, nicht wahr?“
Die Queen lächelte.
„Laß die Köter nur kuschen, Caligula. Was sie bereits können, brauchen wir ihnen nicht beizubringen.“
Jaime Cerrana, der neue Anführer und Kapitän der Meuterer auf der „Aguila“, lachte dröhnend.
„Das ist ein wahres