etwas umsieht und die Süßen nicht gleich wieder mit nach Frankreich nimmt. Das wäre jammerschade.“
Caligula grinste. „Wie ich dich kenne, wirst du auch woanders ein paar Weiber für deine Geschäfte auftreiben.“
Dem dicken Diego summte der Kopf. Bierbrauerei, Etablissements, Weiber und vielleicht sogar neue Kneipen – was hatten diese Kerle denn noch mit Tortuga vor?
Viel Zeit zum Überlegen hatte er nicht. Die Kruken und Humpen mußten nachgefüllt werden, außerdem wurden einige Kerle losgeschickt, um die Nachricht von der Machtübernahme der Black Queen unter die Leute zu bringen. Dann galt es, einige Maultiere aufzutreiben, weil die neue „Herrscherin“ mit einem Trupp ihrer Leute eine erste Erkundung der Insel vornehmen wollte.
Als die Schnapphähne die Felsenkneipe endlich verlassen hatten, schlug Diego abermals das Kreuzzeichen. Dann schlurfte er mit schweren Schritten zu seinem Schanktisch und kippte erst einmal einen Becher Rum herunter.
2.
Brütende Hitze überlagerte auch die drei zwischen Kuba und Jamaica liegenden Cayman-Inseln. Die Sonne verwandelte die Atemluft in eine flirrende und wabernde Masse, die alles Leben auf den Eilanden nach Wasser und Abkühlung lechzen ließ.
Auf Gran Cayman, der größten der drei Inseln, wurde die unwirtliche Atmosphäre noch durch das zeitweilige Brodeln und Rumoren, das aus dem „Auge der Götter“ drang, verstärkt. Der Vulkan, der den Dschungel, die sanften Hügel und grasbewachsenen Ebenen weit überragte, gab der Insel ein besonderes Gepräge.
In der halbkreisförmigen Todesbucht von Gran Cayman schwojten drei Schiffe an ihren Ankertrossen. Den Männern, die sich mit nackten und braungebrannten Oberkörpern über die Decks bewegten, drang der Schweiß durch alle Poren.
Bei den Schiffen handelte es sich um „Eiliger Drache über den Wassern“ – den Schwarzen Segler des Wikingers –, um die „Le Vengeur“ Jean Ribaults und um die „Isabella IX.“, die unter dem Kommando Philip Hasard Killigrews, des Seewolfs, fuhr.
Die Besatzungen aller drei Segler hatten in den vergangenen Tagen hart geschuftet, um sämtliche Gefechtsschäden zu beheben. Und die waren zum Teil recht umfangreich gewesen.
Es hatte gewaltig gekracht in den korallen- und riffreichen Gewässern um Gran Cayman. Die Black Queen war mit ihrem gesamten Verband und den Siedlern aus Honduras, die den Überfall der Spanier überlebt hatten, vor der Todesbucht aufgetaucht, um vor der Fahrt nach Tortuga Frischwasser und Proviant an Bord zu nehmen.
Den Schiffen von der Schlangen-Insel war es zwar gelungen, diesen Plan zu vereiteln und die Black Queen zum Abzug zu veranlassen, aber eine vernichtende Niederlage hatte ihr niemand beibringen können. Im Gegenteil – der Seewolf, Jean Ribault und der Wikinger hatten einige harte Brocken einstecken müssen.
Noch jetzt klang allen das fürchterliche Fluchen Thorfin Njals in den Ohren, dessen Schwarzer Segler einen schweren Treffer am Ruder erhalten hatte und dadurch nahezu manövrierunfähig geworden war.
Der „Le Vengeur“ war es nicht viel besser ergangen. Ihr hatte man den Bugspriet und den Fockmast weggeschossen.
Im Vergleich dazu war die „Isabella“ noch relativ glimpflich davongekommen. Sie war trotz einer Reihe kleinerer Schäden immer noch voll einsatzbereit. Dennoch wäre eine Verfolgung der Piratenflotte für sie allein aussichtslos gewesen.
Der Seewolf hatte bereits erkannt, daß die Black Queen und Caligula sehr gefährliche Gegner waren. Wenn es dieser Piratin und ihrem Geliebten gelang, die Vorherrschaft über Tortuga und Hispaniola zu erlangen, würden sie bald die ganze Karibik kontrollieren. Das aber würde ungeahnte Folgen für die Schlangen-Insel und ihre Bewohner haben. Also blieb dem Bund der Korsaren, dem auch die Seewölfe angehörten, gar nichts anderes übrig, als dem ungeheuren Expansionsdrang der Black Queen Grenzen zu setzen. Bisher jedoch war es noch niemandem gelungen, diesem Teufelsweib das Handwerk zu legen.
Die Reparaturarbeiten waren zum größten Teil abgeschlossen. Jeder hatte in den vergangenen Tagen kräftig mit zugepackt. Ein Teil der Seewölfe hatte auf dem Schwarzen Segler und der „Le Vengeur“ mitgeholfen, so zum Beispiel Smoky, Luke Morgan, Sam Roskill, Bob Grey, Nils Larsen, Batuti und Gary Andrews.
Als man der „Le Vengeur“ einen neuen Bugspriet und einen neuen Fockmast verpaßte, war auch die Hilfe Will Thornes und Roger Brightons willkommen gewesen. Der eine war ein ausgezeichneter Segelmacher und der andere ein erstklassiger Takelmeister.
Am meisten hatte es ohne Zweifel für die Schiffszimmerleute zu tun gegeben. Noch jetzt dröhnten wuchtige Axthiebe und Hammerschläge durch die Todesbucht.
Ferris Tucker, der rothaarige Zimmermann der „Isabella“, war noch immer mit kleineren Arbeiten beschäftigt. Auf seinen Armen traten dicke Muskelpakete hervor, wenn er die Axt hob und mit dem stumpfen Teil zuschlug. Auf seinem nackten Oberkörper glänzte der Schweiß.
An Bewunderern fehlte es ihm dabei nicht.
Old Donegal Daniel O’Flynn, der alte Haudegen mit dem Holzbein und dem wettergegerbten Gesicht, hatte sich eine Muck Wasser geholt und schlürfte das kühle Naß genießerisch, als sei es bester Wein.
Schon eine Weile sah er dem Schiffszimmermann bei seiner Arbeit zu, und Philip und Hasard junior, die dreizehnjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, leisteten ihm dabei Gesellschaft. Nicht etwa, daß die beiden „Rübenschweinchen“, wie der Profos sie nannte, eine ruhige Kugel an Bord schieben würden, o nein, auch sie hatten bei den Reparaturarbeiten mit zugepackt, genauso wie der alte O’Flynn. Jetzt aber war die Hauptarbeit getan, und Ferris Tucker gab dem Ganzen gewissermaßen den letzten Schliff.
Als die schwere Axt des rothaarigen Riesen abermals auf einen Holzkeil krachte, nickte Old Donegal anerkennend.
„Das Ding möchte ich nicht auf den Daumen kriegen“, sagte er.
Jung Philip pfiff leise durch die Zähne.
„Mister Tucker kann ganz schön ranklotzen“, meinte er. „Wo der hinhaut, da wächst kein Gras mehr.“
Old Donegal trank einen Schluck Wasser, dann schweifte sein Blick in die Ferne.
„Ja, damals auf der ‚Empress of Sea‘, da waren wir alle solche Kerle. Da hättet ihr mich mal erleben sollen. Selbst Ferris würde vor Neid erblassen. So ein richtiger Simson war ich da. Ja, ja, das waren noch Zeiten.“
„Was ist ein Simson, Mister O’Flynn, Sir?“ fragte Hasard junior.
Doch Old Donegal überhörte die Frage. Er hatte jetzt so einen richtig träumerischen Blick drauf.
„Damals“, so schwärmte er, „da brauchte ich in einer Kalme nur mal tief Luft zu holen, und die ‚Empress‘ jagte mit vollem Zeug durch die spiegelglatte See. Und wollte irgend so ein Kerl stänkern, da hat es genügt, wenn ich ihm die Faust zeigte. Die roch nämlich schon zehn Meilen gegen den Wind nach Friedhof.“ Der Alte grinste entrückt, dann schien er jedoch in die Wirklichkeit zurückzukehren. „Das alles heißt aber nicht, daß ich heute keinen Mumm mehr in den Knochen hätte“, fuhr er eilig fort. „Verfallt mir bloß nicht auf diesen Gedanken, ihr Hüpfer!“
Die Bengels stießen sich an und feixten. Natürlich übertrieb Old O’Flynn, der mütterlicherseits ihr Großvater war, wieder einmal gewaltig. Aber sie wußten nur zu gut, daß er noch immer ein rechter Haudegen war. Obwohl er nicht mehr zu den Jüngsten gehörte, war er noch voller Tatendrang und trug sich sogar mit dem Gedanken, auf der Schlangen-Insel eine eigene Kneipe zu eröffnen.
Hesekiel Ramsgate hatte außerdem bereits eine kleinere Ausgabe seiner heißgeliebten „Empress of Sea“ auf Kiel gelegt, damit er stets Nachschub für seine Kneipe heranschaffen konnte. Im übrigen war der Alte trotz seines Holzbeins erstaunlich beweglich, das zeigte sich bei jedem Gefecht und jedem Enterkampf.
Nein, ein beschaulicher Großvatertyp war er nicht. Er konnte vielmehr dreinschlagen, daß die Fetzen flogen. Zuweilen kriegten die Zwillinge das selber