Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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Tucker hatte seine Zimmermannsarbeit längst unterbrochen und eilte mit einigen Höllenflaschen an die von ihm konstruierte Abschußvorrichtung. Big Old Shane und Batuti, die ihre Langbogen samt den dazugehörigen Brand- und Pulverpfeilen bereits an Deck geholt hatten, halfen zunächst noch beim Ausrennen der Quarterdecksgeschütze mit.

      Jeder dieser hartgesottenen Männer wußte, was er zu tun hatte. Schließlich hatten sie dem Teufel auf allen Meeren der Welt bereits beide Ohren abgesegelt und verfügten somit über einen reichen Erfahrungsschatz. Da bedurfte es von seiten des Kapitäns keiner besonderen Anweisungen.

      Sie alle waren grimmig entschlossen, der Black Queen mächtig an die Gurgel zu fahren, wenn sie tatsächlich noch einmal hier aufkreuzen sollte.

      Auf der „Le Vengeur“ und dem Schwarzen Segler war man ebenfalls reichlich beschäftigt. Die dröhnende Stimme Thorfin Njals war auch auf der „Isabella“ deutlich zu hören, und Edwin Carberry mußte sich gehörig anstrengen, wenn er den Wikinger übertönen wollte.

      Doch der Profos der „Isabella“ schaffte es, daß seine kernigen Sprüche, mit denen er die Mannschaft anzufeuern pflegte, nicht im allgemeinen Trubel untergingen.

      „Hurtig, hurtig, ihr lahmen Böckchen!“ brüllte er. „Gebt der Queen was auf das Röckchen!“

      Carberrys poetische Aufforderung löste lautes Gelächter aus. Die Aussicht, den Schnapphähnen von der „Caribian Queen“ kräftig einzuheizen, hob die Laune der Männer beträchtlich.

      Die drei Segler von der Schlangen-Insel waren voll gefechtsklar, als sich das fremde Schiff endlich hinter der Kimm hervorschob. Doch die Erwartungen wurden bald enttäuscht, denn bei der Galeone, die da auf die Todesbucht von Gran Cayman zuhielt, handelte es sich nicht um die „Caribian Queen“, jenen düsteren Zweidecker der schwarzen Piratin, soviel war bereits zu erkennen.

      Der Seewolf wartete noch damit, die Anker hieven zu lassen, denn das fremde Schiff war noch weit entfernt. Man brauchte wirklich nichts zu überstürzen.

      Bald wurden erste Vermutungen laut, dennoch ahnten die Arwenacks nicht, daß eine faustdicke Überraschung auf sie wartete – eine Überraschung, die sie alle zunächst an ihrem Verstand zweifeln ließ, und ihnen in bezug auf die so eilig herbeigeführte Gefechtsbereitschaft ein Grinsen entlockte.

      Wieder war es Dan O’Flynn, dessen scharfe Augen das Unglaubliche enthüllten. Er hatte längst seinen Ausguckposten an Land verlassen und war in den Großmars der „Isabella“ aufgeentert.

      „Weiber!“ brüllte Dan plötzlich mit sich überschlagender Stimme. „Zum Teufel, das sind ja Weiber!“

      Die Arwenacks starrten sich betroffen an.

      „Ich muß dir wohl die Klüsen etwas nachpolieren, Mister O’Flynn, was, wie?“ rief der Profos zu Dan hinauf. „Seit du die Black Queen mit ihren riesigen – äh – den riesigen Dingsda betrachtest hast, siehst du wohl überall nur nackte Weiber, wie!“

      „So ist es!“ ereiferte sich der knollennasige Paddy Rogers. „Wir erwarten nur ein einziges Frauenzimmer, und zwar ein kohlrabenschwarzes. Und dem möchte ich gerne mal einen kräftigen Klaps auf den Hintern geben.“

      Dan wurde fuchtig.

      „Himmel, Arsch und Suppenkraut!“ rief er aus dem Ausguck. „Wer hat denn was von nackten Weibern gesagt? Außerdem sind meine Klüsen noch völlig in Ordnung! Wenn ich sage, daß es Weiber sind, dann sind es auch welche!“

      „Hähä!“ stieß Old Donegal belustigt hervor. „Vielleicht hat die Queen noch ein Dutzend hübscher Schwestern. Bestimmt sollen uns die Schnapphühner die Köpfe verdrehen.“

      „Bleib auf den Planken, Donegal“, sagte der Seewolf. „Es handelt sich offenbar nicht um ein Schiff der Black Queen, sondern um eine fremde Galeone, die zudem recht merkwürdig aussieht. Es sind tatsächlich Frauen an Bord, soviel kann ich ebenfalls schon erkennen, und es scheinen weiße Frauen zu sein.“

      „Das ist nur ein billiger Trick“, meinte Old Donegal. „Die Queen bildet sich ein, daß wir die ausgerannten Kanonen nicht sehen, sondern nur auf die Weiber starren.“

      Hasard schüttelte verwundert den Kopf.

      „Zum einen sind auf der fremden Galeone überhaupt keine ausgerannten Kanonen zu sehen“, entgegnete er, „und zum anderen könntest du – sobald das Schiff näher heran ist –, statt nach Weiberröcken zu sehen, darauf achten, ob die Stückpforten geöffnet werden.“

      Old O’Flynn brummelte etwas vor sich hin und fuhr sich dann durch die Bartstoppeln; als müsse er noch vor der Ankunft der Frauen sein Aussehen überprüfen.

      In der Tat blieben den Arwenacks die Einzelheiten des fremden Schiffes nicht mehr lange verborgen. Auch ohne Kieker konnten sie bald erkennen, daß Dan sich mit seiner Ankündigung nicht geirrt hatte. Einige von ihnen vergaßen vor lauter Verblüffung den Mund zu schließen.

      Die Dreimastgaleone, die unter vollem Preß heransegelte, bot einen reichlich merkwürdigen Anblick. Das begann schon mit den unzähligen bunten Stoffbändern, die außenbords wie überdimensionale Fransen an den Verschanzungen flatterten.

      Ergänzt wurde diese „Beflaggung“ von einer beigefarbenen Flagge mit einem großen roten Herzen darauf, die munter am Fockmasttopp wehte. Bei der Galionsfigur handelte es sich um einen goldenen Hahn, und der Name des Schiffes lautete „Le Coq d’Or“. Das ließ darauf schließen, daß der Dreimaster aus Frankreich stammte.

      Aber das war noch nicht alles, was die Arwenacks in grenzenloses Erstaunen versetzte. Daß das Glas der Achterdeckslaterne rot angestrichen war, mochte ja noch angehen, aber daß man die Geschütze, die alles andere als gefechtsklar waren, mit bunten Tüchern umhüllt hatte – das ließ die Seewölfe an ihrem Verstand zweifeln.

      Als Blickfang besonderer Art erwiesen sich die Wäschestücke, die an den Innenseiten der Wanten im Wind flatterten. Ganz offensichtlich hatte man sie dort zum Trocknen aufgehängt. Schließlich waren da noch die Frauen und Mädchen, die sich auf der Back und der Kuhl aufhielten und mit lachenden Gesichtern zu winken begannen.

      Al Conroy, der sich als Stückmeister gerade noch um die Feuerbereitschaft der schweren Culverinen gekümmert hatte, faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.

      „Es muß ein Sonnenstich sein“, sagte er ächzend. „Oder seht ihr etwa dasselbe? Wir erwarten ein Schiff mit üblen Schnapphähnen – und was segelt da mit einem goldenen Hahn unter dem Bugspriet auf uns zu? Eine Weiber-Galeone!“

      „So ist es – und sogar mit eingewickelten Kanonen“, murmelte Old O’Flynn entgeistert. „Vielleicht sind es – ich meine, es könnten sogar bunte Nachthemden sein, mit denen man die Geschützrohre abgedeckt hat.“

      „Ha!“ entfuhr es Edwin Carberry. „Was da an den Wanten flattert, ist viel interessanter. Das sind Unterröcke, Hemdchen und noch eine ganze Menge andere De-delikatessen.“

      „Du meinst delikate Kleidungsstücke“, berichtigte ihn der Kutscher. „Delikatessen sind feine Sachen, die man essen kann.“

      „Egal!“ entschied der Profos, ohne den Blick von der Galeone abzuwenden. „Daß ihr Kombüsenhengste auch immer nur ans Essen denken müßt!“

      Er hatte sein klotziges Rammkinn vorgeschoben, so daß Jung Philip seinem Bruder gegen die Rippen boxte und ihm etwas von einem Eselskinnbacken zuflüsterte.

      Noch wußte niemand an Bord der „Isabella“ so recht, was er von diesem verrückten Schiff halten sollte.

      „Eine Flagge mit rotem Herz“, murmelte Bill mit romantisch verklärtem Blick, und Luke Morgan stöhnte: „Weiber, Weiber – wohin man auch blickt.“

      Auch auf dem Achterdeck wurden Rätsel gelöst.

      „Weiß der Teufel, was das zu bedeuten hat“, sagte Ben Brighton, nachdem der Seewolf den Niedergang, der zum Quarterdeck führte, auf geentert war.

      Philip Hasard Killigrew, ein mehr als sechs Fuß