Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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Loch in die Stirn geschossen worden war, und das nur, weil er im Suff unüberlegt dahergeredet hatte.

      Pedro war El Toros Bruder gewesen und in gewissem Sinne auch sein Partner. El Toro betrieb seine dunklen Geschäfte seit einigen Jahren von Tortuga aus. Offiziell war er Händler, doch in Wirklichkeit lebte er von der Hehlerei. Er kaufte zahlreichen Schnapphähnen in der gesamten Karibik Teile ihrer Beute zu Spottpreisen ab und verhökerte das Zeug dann weiter. Bisweilen griff er mit seiner Karavelle auch mal selber zu, weil das den Gewinn beträchtlich erhöhte. Kein Wunder, daß er durch die Machtgier der Black Queen seine Felle davonschwimmen sah.

      „Mit uns kannst du rechnen, El Toro“, sagte Miguel, ein kleiner, kräftiger Bursche mit einem runden Vollmondgesicht. Die anderen murmelten zustimmend.

      „Ich danke euch“, sagte El Toro. „Ich habe also richtig gehandelt, daß ich mich auf euch verlassen habe. Wir werden der Queen samt ihrer Brut den Garaus bereiten, das verspreche ich euch.“

      „Es wird verdammt hart werden“, bemerkte Fernando, dem die Hütte gehörte, „aber wir werden es schaffen.“

      El Toros Züge glätteten sich. „Natürlich hätten wir im offenen Kampf keine Chance gegen dieses Miststück. Doch diesmal handelt es sich nicht um ein Seegefecht gegen ihren ganzen Verband. Unser Angriff wird sie an Land überraschen und richtet sich ausschließlich gegen sie und die Handvoll Männer, die sie begleiten. Das müßte doch, verdammt noch mal, zu schaffen sein!“

      „Wo willst du zuschlagen?“ Miguel sah den bulligen Händler erwartungsvoll an. „Am besten ist es wohl, wenn wir die Bande in einen Hinterhalt locken.“

      El Toro grinste und zeigte dabei eine Reihe kräftiger Zähne, die vom Aussehen her an ein Pferdegebiß erinnerten.

      „Wir brauchen sie gar nicht erst wohin zu locken“, versprach er. „Sie werden uns ganz von selber ins Netz gehen. Die Queen ist vor einer Stunde in östlicher Richtung aufgebrochen. Demnach wird sie, nachdem sie die Insel gerundet hat, von Westen her zum Hafen zurückkehren. Dabei muß sie jedoch das Felsengelände in der Nähe des Westufers durchqueren. Genau dort werden wir ihr auflauern. Während uns die Felsen die beste Deckung geben, die wir uns wünschen können, werden uns die Teufel auf ihren Maultieren direkt vor die Musketenläufe reiten. Das Überraschungsmoment wird auf jeden Fall auf unserer Seite sein.“

      „Der Plan ist ausgezeichnet“, sagte Juan. Offensichtlich traute er sich nicht mehr, weitere Bedenken vorzubringen. „Wir brauchen uns nicht einmal zu beeilen, denn wenn man davon ausgeht, daß die Queen ihren Erkundungsritt während der Nacht unterbricht, kann sie frühestens morgen zum Hafen zurückkehren.“

      „So ist es“, bestätigte El Toro. „Es bleibt uns also Zeit genug, unseren Angriff gründlich vorzubereiten. Die Black Queen wird ahnungslos in unsere Falle gehen. Auch wenn sie auf See einen legendären Ruf genießt – hier, in der unwirtlichen Wildnis von Tortuga, sind wir es, die sich besser auskennen. Wir sind genau zehn Mann, damit sind wir den Piraten zahlenmäßig gewachsen. Die Queen ist zusammen mit Caligula, dem Spanier und dem dicken Bierbrauer losgeritten und hat sechs Kerle von ihrem Schiff als Begleitschutz mitgenommen. Daß sie bis an die Zähne bewaffnet sind, wird ihnen nichts nutzen. Wir werden sie einfach abschießen, wenn ich das Zeichen dazu gebe. Hinterher lassen wir die Leichen verschwinden. Sie werden niemals gefunden werden, selbst wenn die Schnapphähne die ganze Insel Schritt für Schritt absuchen …“

      „Du – du willst sie verschwinden lassen?“ Fernando zog ein verblüfftes Gesicht.

      El Toro nickte. „Wir werden sie zu einer versteckten Höhle bringen, die in der Nähe des Felsengeländes liegt. Darin gibt es eine sehr tiefe Spalte, die man auch mit lodernden Fackeln nicht ausleuchten kann. Niemand wird sie dort jemals finden.“

      „Aber die Schüsse wird man hören“, gab Miguel zu bedenken.

      „Das wird sich nicht vermeiden lassen“, sagte El Toro, „aber man wird keine Erklärung dafür haben. Wenn man nicht feststellen kann, wo die Queen mit ihren Begleitern abgeblieben ist, kann man nichts gegen die Bewohner der Insel unternehmen. Vielleicht läßt sich sogar das Gerücht in die Welt setzen, die Schnapphähne seien mit einer Pinasse entführt worden. Wohin – darüber sollen sich die Piraten ruhig die Köpfe zerbrechen. Ohne die Queen und diesen Caligula sind die Kerle ziemlich hilflos, und niemand auf Tortuga wird viel zu befürchten haben.“

      Alles, was El Toro vorbrachte, klang einfach und logisch. Ja, er hatte seine Männer tatsächlich davon überzeugt, daß man auch so gefährliche Gegner wie die Black Queen und Caligula loswerden konnte, wenn man es nur geschickt anstellte.

      Fernando ging zu einem Wandregal und holte die beiden einzigen Humpen, die er besaß. Er füllte sie mit schwerem Rotwein.

      „Wenn wir uns schon nicht zu beeilen brauchen“, sagte er, „dann können wir wenigstens einen Schluck auf das Gelingen unseren Planes trinken.“ Einen Humpen reichte er El Toro, den anderen behielt er, um ihn nach dem ersten Zug kreisen zu lassen.

      „Auf die Vernichtung der Black Queen!“ sagte El Toro mit harter Stimme. „Und auf die Rache für Pedro!“

      Mit verschwörerischen Mienen hoben die Männer die Humpen an die Lippen.

      Erst einige Stunden später, im Schutz der Dunkelheit, brachen El Toro und seine Mannen einzeln auf. Sie achteten peinlichst darauf, daß sie nicht auffielen und trafen erst zusammen, als die blakenden Lichter des Hafens weit hinter ihnen lagen.

      Fernando hatte drei Maultiere mitgebracht, mit denen die Leichen der Piraten vom Schauplatz abtransportiert werden sollten. Zunächst aber trugen die Tiere – wohlverpackt – die Waffen der zehn Männer auf dem Rücken.

      Auch El Toro und seine Kumpane sparten nicht an der Bewaffnung, denn sie waren nach wie vor davon überzeugt, daß das Wild, das sie jagen wollten, mit der Hölle im Bunde stand.

      Die Schatten der Nacht waren längst verflogen, und die morgendlichen Dunstschwaden wurden von der Sonne aufgelöst.

      Die Black Queen, Caligula, Jaime Cerrana sowie Willem Tomdijk und die sechs Galgenvögel von der „Caribian Queen“ saßen längst wieder auf ihren Maultieren und ritten auf das Westufer von Tortuga zu.

      Die Nacht hatten sie in einer Fischerhütte verbracht, nachdem sie den Besitzer samt seiner vielköpfigen Familie einfach ausquartiert hatten. Schließlich wäre es – wie Jaime Cerrana mit einem höhnischen Lachen festgestellt hatte – eine Ehre, die Herrscherin von Tortuga zu beherbergen.

      Jetzt, am frühen Morgen, trieb die Queen ihr Reittier an. Sie hatte es eilig, wieder zum Hafen zurückzukehren. Wirklich sicher fühlte sie sich nur auf ihrem Schiff, jenem düsteren Zweidecker, der gestern in der Hafenbucht vor Anker gegangen war.

      Außerdem wußte man nie, was die Kerle von der Schlangen-Insel ausheckten. Der Verband der Queen war zwar gefechtsklar, aber sie wollte dennoch dabei sein, falls einer dieser Kerle, vielleicht sogar der Seewolf selber, die Nase zu weit vorstreckte.

      Zunächst aber zerbrachen sich die Black Queen und ihre Begleiter die Köpfe über die Unterbringung der zahlreichen Siedler aus El Triunfo. Niemand hatte einen Blick für das üppig wuchernde Grün, das die Insellandschaft überzog – für die wilden Orchideen und die zahlreichen anderen exotischen Blütenpflanzen, Kakteen und Farnbäume.

      Die Hitze war um diese Zeit noch erträglich, aber schon bald würde die Sonne die Luft in eine flirrende Masse verwandeln.

      „Wir werden die Engländer und Franzosen möglichst in Hafennähe ansiedeln“, sagte die Queen. „Unterkünfte werden wir nur errichten, soweit das erforderlich und unumgänglich ist. Sonst weichen wir am besten auf die Fischerdörfer in Küstennähe aus, weil wir so die Leute bei Bedarf am schnellsten zur Verfügung haben.“

      „Dreihundert Männer sind eine ganze Menge“, bemerkte Willem Tomdijk und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. „So problemlos werden sie sich nicht in den winzigen Fischersiedlungen unterbringen lassen.“

      Die schwarze Piratin winkte ab.

      „Nur