Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


Скачать книгу

würde das eine oder andere zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückfinden.

      Es herrschte Totenstille. Nur das Geschrei der Vögel drang gedämpft aus dem Dickicht herüber. Die Fäuste der Männer umklammerten hart das Holz der Musketen. Als das Hufgetrappel bereits zu hören war, hielten einige den Atem an.

      Bald waren Stimmen zu hören. Ein Mann lachte rauh.

      Endlich tauchte der Trupp hinter den Felsen auf. Die Black Queen saß kerzengerade im Sattel. Den Kopf mit dem dichten Kraushaar hatte sie hoch erhoben. Ihre nackten Brüste wippten im Rhythmus der Körperbewegungen ihres Reittieres.

      Noch verhielt sich El Toro still. Er wollte auf keinen Fall voreilig handeln. Ungeduld konnte jetzt alles verderben, ja, sogar über Leben und Tod entscheiden. Je näher der Feind heranrückte, desto besser würden die Musketenkugeln treffen.

      Doch dann geschah es, urplötzlich und völlig unvermittelt.

      Juan, der hinter einem Felsblock kauerte, versuchte, sein Körpergewicht mehr nach rechts zu verlagern. Dabei stieß er mit dem nackten linken Fuß einen kopfgroßen Stein zur Seite. Im selben Augenblick schrie er gellend auf. Aber das nutzte nichts mehr. Die kleine, grünliche Schlange, die unter dem Stein wohl Schutz vor der sengenden Sonne gesucht hatte, löste ihre Zähne bereits wieder von seinem Fuß. Juan begriff instinktiv, daß der Biß dieser Viper tödlich war.

      El Toro und die übrigen Männer wurden einen Lidschlag lang von lähmendem Entsetzen gepackt. Der laute Schrei Juans war – daran gab es keinen Zweifel – von der Queen und ihren Leuten gehört worden. Und das viel zu früh.

      El Toro erlangte als erster die Fassung zurück.

      „Feuer!“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. Im selben Augenblick begannen die Musketen zu krachen.

      Aber auch die Black Queen und ihre Begleiter hatten schnell reagiert. Schon bei dem Aufschrei Juans waren sie vom Rücken ihrer Maultiere gerutscht und hatten sich flach auf das Geröll geworfen – gerade noch rechtzeitig genug, um dem ersten Kugelhagel zu entgehen.

      Die Geschosse peitschten dicht über den Rücken der Maultiere hinweg und verloren sich irgendwo in der Landschaft. Niemand war getroffen worden, wie El Toro mit einem wilden Fluch feststellte.

      Juan hatte seine Waffe nicht mehr abgefeuert. Er hockte wimmernd hinter dem Felsblock und starrte auf seinen rasch anschwellenden Fuß. Dann versuchte er, die Wunde mit einer jähen Verrenkung an den Mund zu kriegen, um sie auszusaugen.

      Aber da fehlte es bereits an der nötigen Elastizität. Panische Angst packte ihn, und er schrie jetzt laut um Hilfe. Doch niemand achtete darauf. Seine Kumpane hatten im Moment ganz andere Sorgen.

      „Nehmt die Pistolen!“ schrie El Toro. „Nieder mit der Black Queen!“

      Doch die Piratin und ihre Kerle hatten die Schrecksekunden genutzt. Teils robbten sie flink hinter umherliegende Felsen, teils rannten sie in geduckter Haltung darauf zu.

      Dabei ließ sich nicht vermeiden, daß einige von ihnen ausgerechnet Deckung hinter Felsbrocken suchten, die El Toros Leute bereits in Beschlag genommen hatten.

      Im Handumdrehen entbrannte ein wilder Kampf.

      Schreie und Flüche wurden ausgestoßen, Musketen und Pistolen krachten, und das Metall von Blankwaffen klirrte gegeneinander.

      Auf beiden Seiten wurde zäh und verbissen gekämpft. Schon nach wenigen Augenblicken lagen die ersten Toten auf dem Geröll. Zu ihnen gehörte Juan, der kleine Tagedieb, der die meisten Bedenken gegen den Überfall geäußert hatte. Eine Kugel aus der Pistole Jaime Cerranas hatte ihn von der Angst erlöst, am Biß der Giftschlange sterben zu müssen.

      Aber auch auf seiten der Piraten gab es bereits Opfer. Zwei Decksleute von der „Caribian Queen“ lagen verkrümmt am Boden, ihre Augen starrten ins Leere.

      Am stärksten wütete der Sensenmann allerdings in den Reihen von El Toros Leuten. Schon nach kurzem Kampf sank der fünfte Mann tot in sich zusammen. Die letzte Kugel aus der doppelläufigen Pistole der Black Queen hatte ihn in die Brust getroffen.

      Caligula lieferte Fernando, in dessen Hütte der Überfall geplant worden war, ein hitziges Messerduell. Der Fischer und Gelegenheitsschnapphahn aus Tortuga war zwar ein sehr geschickter Messerkämpfer, aber auf Dauer hatte er gegen den hünenhaften Schwarzen keine Chance. Der Kampf währte höchstens zwei Minuten, dann fuhr ihm Caligulas Entermesser in den Leib.

      Auch Cerrana und Tomdijk kämpften wild und entschlossen. Jeder hatte begriffen, daß es hier unabdingbar um Leben und Tod ging.

      Die Black Queen hatte ihre leergefeuerte Pistole in den Gürtel geschoben und ließ jetzt ihr Entermesser kreisen. Als ein weiterer Mann aus ihrer Begleitmannschaft von El Toros’ Dolch erwischt wurde und mit einem Röcheln auf die Steine sank, verwandelte sie sich in eine reißende Bestie.

      El Toro und seine wenigen Kumpane, die noch am Leben waren, standen auf verlorenem Posten. Der schicksalhafte Schlangenbiß, der Juan unabsichtlich aufschreien ließ, sollte ihnen zum Verhängnis werden. Da half auch kein Fluchen und Hadern mehr, der Kampf war nach wenigen Minuten entschieden.

      El Toro brüllte vor ohnmächtiger Wut wie ein Stier, als Miguel, der letzte seiner Männer, tot zusammenbrach – niedergemäht von dem seltsam geformten Entermesser der Black Queen. El Toro achtete nicht auf die tiefe Fleischwunde, die ihm einer der Piraten an der linken Schulter beigebracht hatte. Er war nur noch von dem Wunsch besessen, die Queen mit seinem Dolch zu töten, bevor es auch ihn erwischte.

      Doch dazu sollte El Toro keine Gelegenheit mehr haben.

      Die Piraten kreisten ihn ein wie ein gejagtes Wild. Schließlich gelang es Caligula, ihn von hinten zu packen und in einen harten Würgegriff zu nehmen. Er setzte ihm dabei das Messer an den Hals.

      „Laß deine Waffe fallen!“ fauchte der Schwarze böse. In seinen Augen funkelte blanke Mordgier.

      El Toro mußte keuchend gehorchen. Seine Brust hob und senkte sich in einem wilden Rhythmus, dann klirrte sein Dolch auf das Gestein.

      Die Black Queen baute sich mit einem triumphierenden Lächeln vor ihm auf.

      „So hast du dir das wohl nicht vorgestellt, wie? In wessen Auftrag habt ihr uns überfallen?“ Ihre Stimme klang hart und unerbittlich.

      El Toro spuckte vor ihr aus.

      Doch das brachte ihm nur eine fürchterliche Ohrfeige der Queen ein. Hätte ihn Caligula nicht fest im Griff gehabt, wäre er von dem Schlag unweigerlich zu Boden gegangen.

      „Willst du jetzt antworten, du Bastard? Wer steckt dahinter? Heraus damit!“

      „Ich“, sagte er mit haßerfüllter Stimme. „Ich, El Toro!“

      „Du?“ Die Queen lachte spöttisch. „Ich kenne dich nicht einmal.“

      „Dafür kenne ich dich um so besser!“ stieß El Toro hervor. Auf seinem kahlen Schädel perlte der Schweiß. „Erst gestern hast du in Diegos Kneipe meinen Bruder Pedro kaltblütig ermordet. Dafür wirst du sterben, Black Queen! Eines Tages wirst du bezahlen, du – du Hure!“

      Für einen Augenblick verwandelten sich die Lippen der Frau in schmale Striche.

      „Dein Bruder Pedro hat mich auch so genannt“, sagte sie mit scheinbar ruhiger Stimme. „Doch er hat es nicht überlebt, wie du weißt. Auch du wirst es mit dem Leben büßen, El Toro!“

      Blitzschnell ruckte ihr Entermesser hoch. Eine Sekunde später hing El Toro tot im Arm Caligulas. Auf seinen Zügen spiegelte sich blankes Entsetzen.

      Der Schwarze löste seinen eisernen Griff, und die Leiche El Toros prallte dumpf auf den Boden. Weder er noch seine Kumpane hatten das Massaker überlebt. Sie hatten hoch gespielt – und verloren.

      Für die Black Queen und ihre Leute war mit dem Tod El Toros die Angelegenheit erledigt. Keiner von ihnen dachte auch nur im geringsten daran, die Leichen der Angreifer und der drei Männer aus den eigenen Reihen zu beseitigen.

      Die