Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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sichern und auszudehnen.“

      „Aber dann wissen wir ja, wo wir Monsieur Boussac zu suchen haben“, sagte Julie. Ihre Stimme klang begeistert. „Dann laßt uns nach Tortuga segeln, es wird uns dort bestimmt gefallen.“

      Lucien Amadou vollführte eine beschwichtigende Geste.

      „Nur langsam, Julie“, sagte er. „Da gibt es zunächst noch einiges zu klären.“ Er wandte sich an Hasard. „Sie erwähnten eine Black Queen, Monsieur Killigrew. Darf man erfahren, um wen es sich da handelt?“

      „Natürlich.“ Der Seewolf nickte. „Die Black Queen, die sich übrigens selber so nennt, ist eine Schwarze, die einen Zweidecker namens ‚Caribian Queen‘ befehligt. Sie ist ohne Zweifel die raffinierteste, brutalste und schlagkräftigste Piratin, die es je in der Karibik gegeben hat. Sie scheint von dem Gedanken besessen zu sein, ihren Machtbereich über die ganze Karibik auszudehnen. Wir haben schon seit längerer Zeit Ärger mit ihr. Erst während der Überfahrt nach Tortuga hat sie sich mit unseren Schiffen hier angelegt. Während sie schließlich weitergesegelt ist, haben wir in den letzten Tagen unsere Gefechtsschäden repariert.“

      Amadou und die Mädchen staunten.

      „Eine Frau?“ fragte Manon. „Wie schafft sie das?“

      „Diese Frage ist schnell beantwortet“, erwiderte der Seewolf. „Die Devise der Black Queen heißt nackte Gewalt. Dazu befehligt sie inzwischen mehrere Schiffe, denen sich kaum jemand entgegenzustellen wagt. Unterstützt wird sie von einem Schwarzen, der Caligula heißt und ihr in nichts nachsteht.“

      „Das ist ungeheuerlich!“ entfuhr es Lucien Amadou. „Wenn ich Sie recht verstanden habe, will sich diese Piratin auch Tortuga unter ihre Herrschaft bringen. Das wiederum würde für die Mädchen bedeuten, daß sie sich auf Tortuga dieser Piratenherrschaft unterstellen müßten.“

      Die Gesichter der vier Ladys wurden plötzlich ernst.

      „Das allerdings klingt nicht sehr verlockend“, meinte Manon, „denn sicherlich muß auch Monsieur Boussac vor dieser Black Queen kuschen.“

      „Das sehen Sie ganz richtig“, sagte Hasard, „vorausgesetzt, es gelingt der Black Queen tatsächlich, sich auf Tortuga festzusetzen. Gerade das wollen wir jedoch verhindern. Wie uns diese Piratin bereits mitgespielt hat, werden wir alles daransetzen, ihre Pläne zu durchkreuzen.“

      Lucien Amadou hob den Kopf.

      „Soll das heißen, daß Sie ebenfalls nach Tortuga segeln werden?“

      „Das ist geplant“, erwiderte Hasard.

      „Oh, das trifft sich ja ausgezeichnet“, fuhr Amadou fort. „Wenn wir Sie begleiten dürften, könnten wir Ihnen vielleicht in irgendeiner Weise dabei helfen, dem Piratengesindel das Handwerk zu legen. Danach würde auch den Plänen Boussacs und der Mädchen nichts mehr im Wege stehen.“

      Der Seewolf überlegte kurz.

      „Ich nehme Ihr Angebot gern an“, sagte er dann. „Allerdings möchte ich auf keinen Fall, daß Ihre Passagiere in ein Gefecht verwickelt werden. Nach unseren bisherigen Erfahrungen geht es im Kampf mit den Schiffen der Black Queen nicht gerade gemütlich zu.“

      Ben Brighton, der bis jetzt still und zurückhaltend zugehört hatte, lächelte den vier Ladys plötzlich zu.

      „Es könnte sogar sein“, sagte er, „daß Sie die hübschen bunten Tücher von den Kanonen nehmen müßten.“

      „Genau das wollen wir aber vermeiden“, warf Hasard ein. „Es wird sogar gut sein, wenn an der ‚Coq d’Or‘ vorläufig nichts verändert wird.“

      „Sie haben bereits einen Plan?“ fragte Amadou.

      Hasard nickte. Dann unterbreitete er dem Kapitän der französischen Galeone und den Ladys aus Paris seine Vorschläge. Sein Plan war einfach, aber gut durchdacht. Außerdem hatte er nahezu alle Eventualitäten berücksichtigt.

      Lucien Amadou war Feuer und Flamme und steuerte im Einvernehmen mit den Mädchen sogar eigene Ideen bei. Nachdem auch der Wikinger, Jean Ribault und Siri-Tong zu dem Vorhaben gehört worden waren, wurde die Sache mit einem kräftigen Händedruck besiegelt.

      Amadous Begeisterung war nicht zuletzt auf die Sympathie zurückzuführen, die er für den Kapitän der „Isabella IX.“ empfand. Er hatte sofort bemerkt, daß Philip Hasard Killigrew ein aufrechter und charakterfester Mann war, dem man vertrauen konnte.

      Und Vertraute – so sah es aus – konnte man in der „eisenhaltigen“ Luft der Karibik sehr gut brauchen.

       4.

      In einer der weißgetünchten Hütten, die nicht weit von Diegos Felsenkneipe entfernt waren, herrschte eine gespannte Atmosphäre.

      Der mittelgroße, bullige Mann mit dem kahlrasierten Schädel, den sie alle nur El Toro – den Stier – nannten, kochte vor Wut und Haß. Während die Männer auf den Holzbänken hockten und ihn teils mit zustimmenden, teils mit skeptischen Blicken ansahen, stand er mitten im Raum und stützte die klobigen Fäuste in die Hüften.

      Wie er so dastand, glich El Toro wirklich einem Stier, und zwar einem, den man mit einem roten Tuch gereizt hatte.

      Das rote Tuch war in diesem Falle die Black Queen.

      Es gab kaum noch jemanden in der näheren Umgebung der „Schildkröte“, der nicht bereits darüber informiert war, daß sich die schwarze Piratin zur Herrscherin über Tortuga aufgeschwungen hatte. Einige der Männer, die sich jetzt um El Toro geschart hatten, waren in Diegos Kneipe gewesen, als die Queen ihre Machtansprüche öffentlich kundgetan hatte.

      „Du hast dir reichlich viel vorgenommen, El Toro“, sagte Juan, der meist als Tagedieb im Hafen herumlungerte. „Gegen dieses Teufelsweib kommst du nicht an. Du nicht und wir alle nicht.“

      Der dürre Bursche blickte nach Zustimmung heischend in die Runde. Doch wie es schien, stand er inzwischen allein mit seiner Meinung. War es anfänglich noch die Mehrzahl der versammelten Männer gewesen, die versucht hatte, El Toro sein wahnwitziges Vorhaben auszureden, so war er jetzt der einzige. Die acht anderen Kerle hatten sich von El Toros Wutausbrüchen und haßvollen Reden überzeugen lassen.

      Der Kahlköpfige warf Juan, einem ziemlich hellhäutigen Mulatten, einen kalten Blick zu.

      „Du kannst noch aussteigen“, sagte er. „Wir sind freie Männer. Ich zwinge niemanden, selbst wenn ich die Sache allein erledigen müßte. Aber eins sage ich dir, Juan: Wenn du uns verpfeifst, ist dein lausiges Leben nicht einmal mehr den Dreck wert, den du unter deinen langen Fingernägeln hast. Ich hoffe, du hast mich verstanden!“

      Juan tat entrüstet. „Willst du mich als Verräter hinstellen, El Toro? Mich, einen deiner engsten Freunde? Traust du mir tatsächlich zu, dich zu verraten? Hör zu: Ich will nicht, daß du so über mich denkst. Selbstverständlich stehe ich auf deiner Seite, auch wenn ich meine Bedenken gegen deinen Plan vorgebracht habe. Trotzdem wirst du zugeben müssen, daß es ein sehr gefährlicher Plan ist. Die Black Queen und ihre verfluchte Bande scheint mit dem Teufel im Bunde zu sein. Nicht einmal der Seewolf und seine Freunde haben ihr bisher eine vernichtende Schlappe zufügen können. Und wir – wir sind nur ein armseliges kleines Häuflein.“

      Über El Toros Stirn legten sich tiefe Falten.

      „Ich bin mir des Risikos durchaus bewußt“, sagte er. „Dennoch ist es die einzige Lösung für uns und für Tortuga. Und es wird uns gelingen, wir müssen es nur geschickt anpacken. Wir tun es nicht nur, weil dieses Weibsstück meinen Bruder kaltblütig ermordet hat, sondern weil es für jeden von uns um seine Existenz geht. Befindet sich die Insel erst einmal in den Klauen der Black Queen, hat keiner von uns mehr etwas zu lachen. Wir können uns dann jeden Tag, an dem wir uns von unserem Lager erheben, fragen, ob wir ihn durch die Gnade der Queen überleben werden, oder ob sie geruhen wird, uns ihr Entermesser in den Bauch zu jagen. Wenn sie am Leben bleibt, werden wir alle nur noch arme Tröpfe sein,