Miene auf.
Die Black Queen räusperte sich. Am liebsten hätte sie Amadou geantwortet, daß sie keinen Boussac kenne, denn der ganze Zirkus war ihr zutiefst zuwider. Doch dann mußte sie daran denken, daß ihr Boussac, der ja sehnsüchtig auf seine „Süßen“ wartete, noch länger auf die Nerven gehen würde. Es war deshalb am besten, wenn sie an dem Spiel wohl oder übel teilnahm. Auf ihre „persönliche“ Art konnte sie das Problem im Moment leider nicht lösen, wenn sie es nicht mit den dreihundert Siedlern, zu denen Boussac ja gehörte, verderben wollte.
Außerdem wäre es ohnehin schon zu spät dazu gewesen, Boussac zu verleugnen, dafür sorgten die Umstehenden, die grölend auf ihn hinwiesen.
„Er ist in der Felsenkneipe!“ rief ein Decksmann von der „Caribian Queen“, der Landgang hatte. „Er ist schon fast gestorben vor Sehnsucht nach den Weibern!“
Am liebsten hätte die Queen dem Kerl in den Hintern getreten, aber das hätte auch nichts mehr geändert, denn Emile Boussac war bereits unterwegs. Irgend jemand mußte ihn benachrichtigt haben, denn er eilte freudestrahlend herbei und fiel Lucien Amadou um den Hals.
„Ich habe es gewußt!“ rief er. „Ja, ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, daß Sie den Weg nach Tortuga finden würden, Monsieur!“ Zu den Mädchen gewandt, fuhr er fort: „Seid willkommen, meine Täubchen! Ihr seid geradezu ins Paradies gesegelt und werdet es nicht bereuen, dem Ruf Emile Boussacs gefolgt zu sein.“
Völlig aus dem Häuschen umarmte er auch die vier Wortführerinnen, und zum Schluß gab er der drallen Julie noch einen Klaps auf den Hintern, den diese mit einem Kichern quittierte.
Ja, Emile war selig. Endlich konnten seine Geschäfte anlaufen. Daß die sich trotz der düsteren Schilderungen Diegos gar nicht so schlecht anlassen würden, konnte er bereits an den regen Verhandlungen erkennen, die von Bord zu Bord geführt wurden. Gewissermaßen wurden da schon die ersten Vormerkungen und Reservierungen getätigt!
Die Blicke der Queen verfinsterten sich mehr und mehr. Der ganze Rummel, den die Französinnen verursachten, paßte ihr nicht. Sie gewann langsam den Eindruck, daß nicht mehr sie es war, die auf Tortuga regierte, sondern daß die fremden Weiber jetzt das Sagen hatten.
„Ruhe!“ brüllte sie. „Monsieur Boussac, kümmerte dich darum, daß sich die Mädchen ordentlich benehmen und sofort mit ihrem albernen Gekichere und Gekreische aufhören! Man meint ja, man wäre unter eine Schar wilder Gänse geraten! Ich dulde das nicht auf Tortuga, hast du verstanden?“
Emile Boussac schüttelte verwundert den Kopf. „Was ist denn in dich gefahren, Black Queen? Gefallen dir die hübschen Mädchen nicht?“
Bevor die Piratin darauf antworten konnte, schalteten sich Manon und ihre Freundinnen ein.
„Was sagst du da?“ rief Manon zornig. „Wir sollen uns ordentlich benehmen? Was tun wir denn? Ist hier jemand, der sich unordentlich aufführt? Alle Mädchen sind schicklich gekleidet! Ich sehe nur eine Frau, die halbnackt auf der Insel herumläuft, und das bist du, Madam!“
„Manon hat recht!“ rief Julie. „Wir sind anständige Mädchen, jawohl!“
Das vierköpfige „Führungsgremium“ rückte bedrohlich auf die Black Queen zu, um ihr – wie Cécile ankündigte – die Haare auszureißen. Doch bevor sie über die Queen herfallen konnten, wurden sie von Caligula und dem übrigen Mannsvolk festgehalten und besänftigt.
Die Piratin war in der Tat einen Schritt vor den kreischenden Mädchen zurückgewichen. Ihre rechte Hand umklammerte jetzt den Griff ihres Entermessers.
„Ich werde dieses verrückte Weibervolk einkerkern lassen!“ brüllte sie wutentbrannt.
Doch als Antwort erntete sie nur einen vielstimmigen Protestschrei der anwesenden Männer.
Aye, Sir, es ging plötzlich alles drunter und drüber im Hafen von Tortuga. Die Black Queen mußte zum ersten Male erfahren, daß ihre Gefolgschaft nicht kuschte. Die Kerle waren wie toll wegen der Mädchen.
Sie begriff instinktiv, daß es jetzt falsch wäre, in einen Tobsuchtsanfall auszubrechen, denn in der gegenwärtigen Situation würde sie damit nur lächerlich wirken. Also beherrschte sie sich zähneknirschend und machte gute Miene zum bösen Spiel.
Dennoch gab ihr der ganze Rummel zu denken, denn andererseits konnte sie auch nicht zulassen, daß ihre Autorität von einer Schar Huren untergraben wurde.
6.
Der Kapitän der „Coq d’Or“ gab sich völlig unbekümmert. Er zeigte sich hocherfreut darüber, daß die Suche ein Ende hatte und die Mädchen doch noch auf ihren Betreuer gestoßen waren. Sein Auftrag war damit erledigt.
Eilig ließ er auch noch den Rest der Mademoiselles an Land bringen, während ein Teil seiner Männer Trinkwasser an Bord mannte.
Emile Boussac legte ihm leutselig die Hand auf die Schulter.
„Ich darf Sie doch zu einem Umtrunk in die ‚Schildkröte‘ einladen, Monsieur le capitaine?“ fragte er. „Ich meine, Sie haben das verdient nach all den Mühen, die Sie mit meinen Täubchen gehabt haben.“
„Oh, vielen Dank, Monsieur Boussac“, erwiderte Amadou, „aber ich kann Ihre freundliche Einladung leider nicht annehmen, denn ich habe durch das Anlaufen verschiedener Inseln sehr viel Zeit verloren. In Frankreich warten neue Aufträge auf mich, und ich möchte als Geschäftsmann natürlich nicht in Verzug geraten. Sie werden verstehen, wenn ich es ein bißchen eilig habe. Im übrigen war es mir ein Vergnügen, mit den Mademoiselles in die Karibik zu segeln. Sie waren liebenswürdige und eigentlich auch völlig problemlose Passagiere.“
„Das freut mich“, sagte Boussac, „und ich kann Sie auch gut verstehen, denn ich bin selber Geschäftsmann.“ Er lächelte schlitzohrig. Jetzt, da sein Wunschtraum in Erfüllung gegangen war, war er wieder ganz der alte. Da war keine Spur mehr von Griesgrämigkeit oder schlechter Laune. Seine flinken Augen huschten hin und her und versprühten Charme und Unternehmungslust.
Lucien Amadou aber, der offensichtlich froh war, seinen Auftrag hinter sich gebracht zu haben, ließ sofort den Anker hieven.
Die Mademoiselles standen noch eine Zeitlang am Ufer und winkten der „Coq d’Or“ mit bunten Tüchern nach. Einige von ihnen wischten sich sogar verstohlen über die Augen, denn schließlich hatte ihnen dieses Schiff für viele Wochen die Heimat ersetzt.
Auch Boussac winkte, bis ihm die Arme wehtaten, dann erst wandte er sich seinen „Täubchen“ zu.
„Kommt, Mädchen!“ rief er. „Schaut euch erst mal um auf Tortuga. Ihr werdet begeistert sein. So hübsche und wohlhabende Männer wie hier habt ihr noch nirgends gesehen. Da sind die Herren in Paris die reinsten Geizhälse dagegen, ihr werdet schon sehen!“
Er erntete lauten Beifall.
Niemand achtete in diesen Minuten auf die Black Queen, die einsam und verlassen am Ufer stand und der französischen Galeone, die aus der Hafenbucht hinaussegelte, nachblickte.
Die schwarze Piratin war wohl der einzige Mensch auf Tortuga, dem die Eile Lucien Amadous auffiel. Warum war der Franzose nicht mit seiner Crew bei Diego eingekehrt? So dringend konnten seine Geschäfte in Frankreich gar nicht sein, daß er sogar einen wohlverdienten Umtrunk abschlug. Oder gab es andere Ursachen für die plötzliche Eile?
Die Black Queen war von Natur aus mißtrauisch. Sie sah sich nach Caligula um und warf ihm einen giftigen Blick zu, als er Julie zulächelte.
Der schwarze Hüne wurde sofort wieder ernst. Schließlich war er der Liebhaber der Black Queen und wußte, daß sie sehr eifersüchtig werden konnte. Aber das wollte er vermeiden.
„Was gibt es?“ fragte er. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
Die Queen antwortete mit einer Gegenfrage. „Ist dir nichts aufgefallen, Caligula? Oder hattest du nur noch Augen für die kleine Hure dort drüben?“
Den