ich mich auch noch von den verdammten Huren täuschen lassen, dann wäre seine Rechnung sogar aufgegangen.“
Caligula starrte verblüfft auf das Bild, das sich seinen Augen bot. Er bewunderte in diesem Augenblick den Scharfsinn und das Gespür der Queen, die der Eile des französischen Kapitäns sofort mehr Bedeutung zugemessen hatte als alle anderen.
„Wir müssen schleunigst ankerauf gehen“, sagte er, und seine Stimme klang erregt. „Jetzt geht es um Minuten. Wenn es uns nicht gelingt, aus der Bucht auszubrechen, kriegen wir verdammt viele Schwierigkeiten.“
Darüber war sich auch die Queen im klaren. Sie brüllte augenblicklich ihre Befehle über die Decks und versetzte damit ihre eigene Mannschaft sowie die Besatzungen der drei anderen Galeonen in Alarmzustand.
Obwohl die Schiffe seit der Ankunft im Hafen von Tortuga gefechtsklar waren, entstand augenblicklich Wuhling auf sämtlichen Decks.
Niemand hatte damit gerechnet, daß der Seewolf den Trubel, den die eintreffenden Mädchen verursachten, für einen Überraschungsangriff nutzen würde. Sie alle fühlten sich regelrecht überrumpelt und fluchten im stillen darüber, daß sie ihre Augen nicht besser offengehalten hatten. Jetzt aber entschied die Schnelligkeit. Und daß keine Zeit verschwendet wurde, dafür sorgten die Black Queen und Caligula – wenn es sein mußte, mit Fußtritten und Fausthieben. Für Trödelei kündigten sie Strafen an, die selbst den abgebrühtesten Piraten an Bord des Zweideckers noch kalte Schauer über den Rücken jagten.
Aber der Druck, den sie ausübten, zeigte Erfolg.
Die „Caribian Queen“ setzte sich rasch in Bewegung und segelte mit vollem Zeug auf die Ausfahrt der Bucht zu.
„Wir müssen es schaffen!“ sagte die Queen zu ihrem Geliebten. „Wenn es uns gelingt, die offene See zu erreichen, bevor sie uns in die Zange nehmen, haben wir zusammen mit den drei anderen Galeonen eine gute Chance, ihnen von zwei Seiten her einzuheizen.“
Caligula lächelte grimmig. In seinen Augen loderten Wut und Haß.
„Wir werden ihnen ihren Plan versalzen, darauf kannst du dich verlassen“, sagte er.
Die Schnapphähne an Bord packten zu Sie hatten schnell begriffen, daß es jetzt um die eigene Haut ging. Daß mit dem Seewolf und seinen Gefährten nicht zu spaßen war, das hatten sie in den vergangenen Wochen zur Genüge erfahren.
Noch jetzt steckte einigen von ihnen das Schaudern in den Knochen, das ihnen die Schiffe von der Schlangen-Insel in der Todesbucht von Gran Cayman eingejagt hatten. Diesmal war die Situation sehr ähnlich, vielleicht sogar noch bedrohlicher, denn sie alle hatten nur lüstern den Mädchen nachgestarrt, die mit wiegenden Hüften im Hafen herumstolziert waren und einen Riesenzirkus veranstaltet hatten.
Die Queen kochte vor Wut, denn sie fühlte sich hereingelegt.
„Der verdammte Franzose hat uns hinters Licht geführt“, fauchte sie. „Er hat das mit dem Seewolf gemeinsam ausgeheckt. Der ganze Rummel war von Anfang an ein abgekartetes Spiel. Am liebsten würde ich Amadou folgen und ihm eine volle Breitseite auf den Pelz brennen.“
Caligula nickte verstehend. „Der Kerl hätte es wahrhaftig verdient, aber wir müssen dennoch einen klaren Kopf behalten. Wenn wir dem Franzosen folgen, sind die drei Schiffe in der Bucht dem Seewolf ziemlich hilflos ausgeliefert. So aber kriegt er es nicht nur mit ihnen, sondern auch noch mit uns zu tun – vorausgesetzt, wir schaffen den Durchbruch.“
„Wir müssen und werden ihn schaffen“, bekräftigte die Black Queen, und in ihren Zügen spiegelte sich wilde Entschlossenheit.
8.
Auch die Seewölfe zogen grimmige Gesichter.
Die „Isabella IX.“ hatte die Insel gerundet und rauschte jetzt von der Ostseite her mit vollem Preß auf die Hafenbucht zu. „Le Vengeur III.“ und „Eiliger Drache über den Wassern“ nahten aus westlicher Richtung. Das gemeinsame Ziel der drei Segler war, die Bucht abzuriegeln und die Schiffe der Black Queen von der Seeseite her in Fetzen zu schießen.
Zunächst hatte es so ausgesehen, als würde sich dieser Teil des Planes in die Tat umsetzen lassen, denn die „Coq d’Or“ hatte die Hafenausfahrt verlassen und segelte auf die offene See hinaus.
Demnach hatte Lucien Amadou die Mädchen wie vereinbart auf Tortuga an Land gesetzt und ihrem zukünftigen „Beschützer“, Emile Boussac, übergeben. Für die Seewölfe war somit genau der richtige Zeitpunkt gegeben, die Falle zuschnappen zu lassen.
Doch jetzt traten die ersten Komplikationen auf, denn auf der „Caribian Queen“ wurden in größter Eile die Anker gelichtet und die Segel gesetzt. Die Seewölfe wußten auf Anhieb, was das zu bedeuten hatte.
„Himmel, Arsch und Hagelwetter!“ entfuhr es dem Seewolf. „Die Queen muß etwas gemerkt haben, und jetzt versucht sie, noch rechtzeitig die Bucht zu verlassen. Man könnte wirklich meinen, diese Frau hätte einen sechsten Sinn.“
Auch Ben Brighton legte die Stirn in Falten.
„Wir müssen ihren Ausbruch unbedingt verhindern“, sagte er, „sonst sind wir am Ende diejenigen, die in die Zange genommen werden.“
Hasard lächelte grimmig. „Wie willst du das verhindern, Ben? Wir haben eh schon den letzten Fetzen Tuch gesetzt. Schneller geht es nicht. Auch Jean und Thorfin werden die Ausfahrt nicht vor uns erreichen. Genaugenommen hängt jetzt alles von der Queen ab. Wenn sie schnell genug ist, wird sie es schaffen. Verlaß dich darauf, daß sie alles dransetzen wird. Auf ihrem Zweidecker ist jetzt schon der Teufel los. Der traue ich sogar zu, daß sie ihre Kerle höchstpersönlich an der Rah hochzieht, wenn sie sich nicht selber übertreffen.“
Auch Old O’Flynn und Edwin Carberry, die zum Achterdeck aufgeentert waren, blickten finster drein.
„Ob nicht am Ende dieser Franzose falsch gespielt hat?“ fragte Old Donegal. „Es wäre doch möglich, daß er nur zum Schein auf unseren Plan eingegangen ist, um uns dann an die Queen zu verraten.“
„Hör auf zu spinnen, Donegal“, sagte Hasard mit ernstem Gesicht. „Amadou ist in Ordnung, für ihn lege ich die Hände ins Feuer. Aus welchem Grund sollte er uns wohl an die Queen verraten? Er ist bestimmt heilfroh, daß er Tortuga hinter sich hat.“
„Ich glaube auch nicht, daß Amadou etwas damit zu tun hat“, erklärte Ben Brighton. „Er ist ein aufrichtiger Mann, und was, zum Teufel, hätte er davon gehabt?“
Doch Old Donegal gab sich noch nicht geschlagen.
„Ich weiß ja, daß ihr einen Narren an Amadou gefressen habt“, sagte er, „aber es könnte sein, daß ihn die Queen reich für seine Tips belohnt hat. Für einige Beutel Gold hat sich schon manch einer was anderes überlegt.“
„Natürlich ist so etwas im Prinzip möglich“, sagte der Seewolf. „Aber im Fall Amadous müßte ich meine ganze Menschenkenntnis über Bord werfen. Nein, Donegal, er hat uns nicht verraten. Außerdem finde ich es nicht gerade anständig, daß wir ihn als Verräter verdächtigen. Er kann sich nicht einmal dagegen wehren.“
„Amadou scheidet aus“, bestätigte jetzt auch Edwin Carberry. „Er ist ein absolut ehrlicher Bursche, und ich will mir selber die Haut in Streifen von – äh – von meiner Kehrseite ziehen, wenn der uns verpfiffen hat. In deinem Kopf summt es nicht mehr richtig, Donegal!“
„Das mußt du gerade sagen!“ giftete der Alte. „Außerdem habe ich ja niemanden beschuldigt, sondern nur einige Überlegungen und Vermutungen angestellt. Irgend jemand muß sich ja schließlich den Kopf darüber zerbrechen, auf was die plötzliche Reaktion der Black Queen zurückzuführen ist. Geht das in deinen Quadratschädel rein?“
„Den Kopf kannst du dir zerbrechen, solange es dir Spaß bereitet“, gab Carberry ungerührt zurück. „Am schnellsten geht es, wenn du mit deinem weichgekochten Knödel gegen das Schanzkleid rennst. Aber anständige Leute wie Lucien Amadou solltest du dabei aus dem Spiel lassen.