ist, wenn eine von denen nicht dichtgehalten hat? Ihr wißt so gut wie ich, daß manche Weiber recht geschwätzig sind …“
„Es soll auch geschwätzige Männer geben“, unterbrach ihn Hasard. „Außerdem, mein lieber Donegal, wußten an Bord der ‚Coq d’Or‘ nicht fünfzig Mädchen über unseren Plan Bescheid, sondern nur vier, nämlich Manon, Julie, Cécile und Esther. Und diese vier halte ich durchaus für zuverlässig genug, daß sie den Mund gehalten haben – schon in ihrem eigenen Interesse, denn sie hatten von Anfang an keine Lust, unter die Herrschaft der Black Queen zu geraten. Es wäre völlig unlogisch, wenn sie ein falsches Spiel mit uns getrieben hätten.“
„Na schön“, erwiderte Donegal lakonisch. „Ich hab’s ja nur gut gemeint. Mehr kann ich nicht anbieten.“
„Das ist auch gut so“, sagte der Seewolf, „denn im Moment nutzt es uns überhaupt nichts, wenn wir einen Schuldigen suchen. Meiner Meinung nach gibt es gar keinen. Wir haben unseren Plan zwar bis in alle Einzelheiten durchdacht, doch die Gegenseite ist niemals völlig berechenbar, und die Black Queen schon gar nicht. Diese Frau ist raffinierter als der Teufel selber. Wie es aussieht, werden wir uns an ihr noch die Zähne ausbeißen.“
Ben Brighton nickte mit zerknirschtem Gesicht. „Wahrscheinlich hat sie ihre Schnapphähne angewiesen, trotz des Trubels, den die Mädchen mit ziemlicher Sicherheit ausgelöst haben, höllisch aufzupassen, oder aber sie selber hat einkalkuliert, daß ein Dritter die Situation ausnutzen könnte. Intelligent genug ist sie ja. Und Caligula auch.“
„So wird es wohl gewesen sein“, sagte Hasard. „Irgend etwas hat ihr Mißtrauen erregt, deshalb die schnelle Reaktion. Aber wie dem auch sei – für uns ist das jetzt unerheblich. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Die Queen versucht den Durchbruch, und wir müssen – falls sie ihn schafft – auf einen harten Kampf gefaßt sein.“
Darin sollte sich der Seewolf nicht getäuscht haben, denn die Queen schaffte den Ausbruch tatsächlich. Ihr düsterer Zweidecker stieß wie ein wilder Schwan auf See hinaus, ohne daß ein einziger Schuß fiel, denn die Schiffe von der Schlangen-Insel lagen noch außerhalb der Reichweite ihrer Kanonen.
„Fast sieht es so aus, als wolle sie die ‚Coq d’Or‘ verfolgen“, meinte Edwin Carberry. „Die hat bestimmt kapiert, daß Amadou eine Rolle in dieser Sache gespielt hat. Es sollte mich nicht wundern, wenn sie sich dafür mit einer Breitseite von ihm verabschieden würde …“
„Der Gedanke ist zwar naheliegend“, sagte Hasard, „aber andererseits ist sie dazu wieder zu schlau. Sie kann die drei Galeonen in der Bucht nicht ohne ihren Schutz zurücklassen, zumal wir weit gefährlichere Gegner für sie sind als Amadou.“
Er sollte auch damit recht behalten. Die „Caribian Queen“ segelte nicht hinter der „Coq d’Or“ her, sondern fiel plötzlich hart nach Backbord ab.
Die Arwenacks wußten, was das zu bedeuten hatte. Die Queen wollte sich von See her wie ein Falke auf die „Isabella“ stürzen, während die „Aguila“, die „Vascongadas“ und die „Buena Estrella“ von der Bucht her angegriffen. Damit hatte sich das Blatt sehr zuungunsten der Seewölfe gewendet.
Hasard konnte die Black Queen durch seinen Kieker deutlich erkennen. Sie stand in Herrscherpose auf dem Achterdeck ihres Schiffes und schrie laute Kommandos. Caligula war nicht weit von ihr entfernt.
„Ein sauberes Pärchen ist das“, sagte Ben Brighton. „Irgendwann muß die der Teufel mal aus der Hölle verjagt und an die frische Luft gesetzt haben.“
Die Arwenacks waren auf Stationen, denn es konnte nur noch Minuten dauern, bis vor der Hafenbucht von Tortuga die Hölle aufbrach.
Auf der „Le Vengeur III.“ und dem Schwarzen Segler erhitzten sich ebenfalls die Gemüter über die blitzschnelle Reaktion der Black Queen. Doch auch dort wurde die Lage richtig beurteilt. Lucien Amadou und die vier Mädchen vom „Führungsgremium“ waren über jeden Verdacht erhaben.
„Die Queen hat eben gut aufgepaßt“, sagte der Wikinger, der trotz der tropischen Hitze nicht auf seine heißgeliebten Felle und den Helm verzichtete.
„Jawohl, aufgepaßt“, sagte der Stör. Er hatte die nervtötende Angewohnheit, stets Wörter oder ganze Sätze des Wikingers zu wiederholen.
Eike, Arne und Olig, die zusammen mit dem Stör die Leibgarde Thorfin Njals bildeten, zogen ärgerliche Gesichter.
„Bei Thor und Odin!“ fauchte Eike. „Dabei hatten wir schon geglaubt, diese karibische Hexe endlich in der Falle zu haben. Das geht doch wirklich nicht mit rechten Dingen zu.“
„So ist das eben mit den Weibern“, sagte Thorfin Njal, der diesmal ohne seine angetraute Gotlinde unterwegs war, „manche sind eben nicht nur klug und listig, sondern auch so ausgekocht wie Schlangen.“
„Jawohl, klug, listig und gargekocht wie eine Schlange“, wiederholte der Stör mit todernstem Gesicht.
„Ich sagte ausgekocht, du angesengter Elch“, schnaubte Thorfin, „und nicht gargekocht.“
„Ausgekochte Schlange, jawohl.“
Der Wikinger gab es auf.
Olig kratzte sich am Hinterkopf. „Wenn wir diese Hexe endlich von Tortuga vertreiben würden, dann – dann könnten wir mal wieder in Diegos Kneipe einkehren.“
„Aha, so hast du dir das vorgestellt, du Lüstling“, sagte Thorfin Njal. „Warum bist du denn auf einmal so scharf auf Diegos Kneipe, he?“
Olig grinste verlegen. „Ich – ich habe Diego schon lange nicht mehr gesehen.“
„Bei Odins Raben!“ entfuhr es dem Wikinger. „Dieser Polaraffe hat doch tatsächlich Sehnsucht nach dem dicken Diego. Ich wußte gar nicht, daß du so anhänglich bist.“
„Hihi“, lachte der Stör. „Sehnsucht nach Diego!“
Eike und Arne sahen sich grinsend an.
„So ist das, du scheinheiliger Patron.“ Arne hob drohend den Zeigefinger. „Warum tust du so hinterhältig? Sag doch gleich, daß dir die Mädchen aus Frankreich gefallen haben. Deshalb willst du doch hin, nicht wahr? Meinst du, wir hätten nicht bemerkt, wie du einer kleinen Drallen nachgesehen hast? Mit richtigen Stielaugen! Jawohl! Wir würden ja auch gerne mal wieder bei Diego einkehren, aber nicht wegen des Dicken!“
Olig vollführte eine verlegene Geste. „Nun ja, aber daraus wird wohl vorerst nichts. Oder wir müssen die Black Queen um Erlaubnis fragen.“
„Die würde uns sicherlich mit offenen Armen empfangen“, sagte der Wikinger grollend und umklammerte den Griff seines „Messerchens“, das an seiner Hüfte baumelte. Es handelte sich dabei um ein riesiges Schwert, mit dem er schon manchem Gegner das Fürchten beigebracht hatte.
Auch „Eiliger Drache über den Wassern“, wie der Schwarze Segler mit vollem Namen hieß, war längst gefechtsklar, und die Crew brannte darauf, der Black Queen den Ruderschaden von Gran Cayman heimzuzahlen.
Rein äußerlich bot der Schwarze Segler, der eine Mischung aus Galeone und asiatischer Dschunke war, einen unheimlichen Anblick. Alles an ihm war rabenschwarz, selbst die mächtigen Segel zeichneten sich wie dunkle Gewitterwolken gegen den strahlend blauen Himmel der Karibik ab.
Das Holz des Schiffes sah aus wie Eisen, denn es war im Jahre des Herrn 1560 im fernen China, dem Reich des Großen Chan, aus ausgesuchten Harthölzern erbaut worden.
Doch selbst dieses Schiff hatte bisher gleich der „Isabella IX.“ in dem düsteren Zweidecker der Black Queen einen ebenbürtigen Gegner gefunden. Diesmal hatte man es sogar mit einem ganzen Verband zu tun. Genauer gesagt, mit vier Schiffen, so daß die Black Queen mit ihren Besatzungen den Männern von der Schlangen-Insel sogar zahlenmäßig überlegen war.
Der Seewolf und seine Freunde hatten sich auf allen Weltmeeren schon vielen Gegnern zum Kampf gestellt, aber noch keiner hatte sich als so hartnäckig, ausgekocht und gerissen gezeigt wie die Black Queen.
Ja, diese