Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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…“

      „Und das hört mir auch auf!“ brüllte Thorfin, noch einen Grad lauter.

      „… hört mir auch auf.“ Der Stör hob den Kopf. Sein langes Gesicht spiegelte Begriffsstutzigkeit. „Meinst du jetzt den Wurm oder das Winken?“

      Einen Atemzug lang sah es aus, als explodiere der Wikinger.

      „Dein verdammtes Nachgequatsche“, sagte er jedoch mit mühsam erzwungener Ruhe. „Wann kapierst du das endlich, du Klippfisch? Du sollst mir nicht immer jedes Wort nachquatschen!“

      „Aye, aye, Kapitän“, sagte der Stör dienstbeflissen, „nicht immer jedes Wort nachquatschen.“

      Die Männer an Deck hielten sich den Bauch, und sie mußten sich abwenden, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

      „Hoffentlich klappt das jetzt“, brummte Thorfin. Er schnaufte. „Jetzt zur Sache selbst. Was fällt dir ein, Gotlinde zuzuwinken, wenn sie mir zuwinkt?“

      Die Kinnlade des Störs klappte herunter. Verdattert starrte er sein riesenhaftes Gegenüber an.

      „Aber – ich – ich …“

      „Recht so“, entgegnete der Wikinger wutschnaubend und mit grimmigem Nicken. „Bei soviel Hirnrissigkeit muß einer ja anfangen zu stottern. Mann, was soll ich bloß mit dir anfangen? Soll ich jetzt ein ernstes Wort mit dir reden, oder soll ich es dir in deinen wurmstichigen Schädel hämmern?“

      „… Schädel hämmern“, wisperte der Stör erschrocken.

      Dem Wikinger entging es trotzdem nicht. Jäh zuckten seine mächtigen Fäuste vor. Er packte den anderen am Kragen und schüttelte ihn durch. Wäre der Stör ein dürrer Baum gewesen, hätte er in diesem Augenblick jegliches Laub verloren.

      „Ein für allemal!“ brüllte Thorfin Njal und schüttelte weiter. „Du hast Gotlinde nicht zuzuwinken. Du hast sie nicht anzuglotzen. Du hast ihr keine schönen Augen zuzuwerfen. Du hast nicht hinter ihr herzuschielen wie ein Dorftrottel. Du hast sie überhaupt nicht zu beachten.“ Er hielt inne, um Luft zu holen. „So! Das wirst du jetzt nachquatschen. Wort für Wort, damit ich weiß, ob dein Hirnwurm es gefressen hat.“ Er beendete das Schütteln, lockerte seinen Griff jedoch kein bißchen.

      Das Gesicht des Störs war grau geworden.

      „Aye, aye, Sir, nachquatschen“, erwiderte er ächzend. „Du hast Gotlinde nicht zuzuwinken. Du hast …“

      „Ich nicht!“ donnerte der Wikinger entnervt. „Du! Los, noch mal von vorne!“

      „Ich habe Gotlinde nicht zuzuwinken?“

      „Ja, zum Teufel. Weiter!“

      Der Stör ließ ein gequältes Stöhnen hören. Dann haspelte er die Anweisungen Thorfins Wort für Wort in der Ich-Form herunter.

      „Na also“, brummte der Wikinger und entließ ihn aus seinem eisenharten Griff. „Schreib dir das jetzt hinter die Löffel. Und laß dich bloß nicht noch mal beim Winken erwischen.“

      Erleichtert wandte sich der Stör ab. Er sah die grinsende Meute auf der Kuhl und tippte sich an die Stirn.

      „… bloß nicht noch mal beim Winken erwischen“, murmelte er, während er über den Niedergang abenterte.

      Aber zu seinem Glück hörte es der Wikinger diesmal nicht. Denn Thorfin hatte sich wieder an der Achterdecksverschanzung aufgebaut und schwenkte beide Arme hoch über dem Kupferhelm. Als Gotlinde sein zweifaches Winken erwiderte, war der Stör schon aus seinem Gedächtnis entschwunden.

      Bereits eine Stunde später fand eine Lagebesprechung auf dem Ratsfelsen statt. Hier war vor nicht allzu langer Zeit der Bund der Korsaren gegründet worden, der das Leben auf der Schlangen-Insel und auf Coral Island in geordnete und gesicherte Bahnen lenken sollte.

      Diesmal hatte der Seewolf die Versammlung einberufen. Daß die Zeit drängte, war zumindest denen klar, die die letzten Begegnungen mit der Black Queen vor Gran Cayman und Tortuga miterlebt hatten. Aber auch Arne von Manteuffel und die anderen, die auf der Schlangen-Insel geblieben waren, begriffen im Verlauf des Gesprächs sehr schnell, daß eilige Entscheidungen unumgänglich waren.

      Zur Teilnehmerrunde auf dem Ratsfelsen gehörten Arkana und ihre Tochter Araua, deren Schönheit mit jedem neuen Tag ihres Lebens vollendeter zu werden schien. Außer Hasard und seinem blonden Vetter Arne waren Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal, Carlos Rivero, Karl von Hutten und Jerry Reeves, der Kapitän der Galeone „Tortuga“ anwesend.

      „Es gibt nur einen Punkt auf unserer Tagesordnung“, sagte der Seewolf und blickte in die Runde. „Maßnahmen gegen die Black Queen. Oder hat jemand noch etwas zu ergänzen?“

      Die anderen schwiegen. Dann hob Carlos Rivero zögernd die Hand.

      „Ich will mich nicht hervortun“, sagte er leise, „aber denen, die mich noch nicht kennen, würde ich gern sagen, wer ich bin, zumal ich eigentlich nicht in diese Runde gehöre.“

      „Ich bin auch nicht stimmberechtigt“, sagte Jerry Reeves. Es sollte eine Aufmunterung für den Spanier sein, der in seiner Bescheidenheit bei allen den Eindruck eines aufrechten und grundehrlichen Mannes erweckte.

      „Schon gut“, sagte Hasard, „ich hätte es erwähnen sollen. Carlos ist auf meine ausdrückliche Bitte dabei, weil er uns einige wichtige Informationen geben kann. Ich schlage vor, daß er über seine persönliche Geschichte zum Schluß berichtet. Einverstanden?“

      Zustimmendes Nicken.

      „Also gut“, fuhr der Seewolf fort, „ich gebe euch erst einmal einen Überblick über die Ereignisse der letzten Tage. Was vorher geschehen ist, schildern euch Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin und natürlich Carlos Rivero.“

      Nachdem Hasard über die erfolglosen Auseinandersetzungen mit der Black Queen berichtet hatte, schlossen sich Jean, Siri-Tong und Thorfin an. Eingehend erläuterten sie die Geschehnisse um El Triunfo und Gran Cayman.

      Carlos berichtete dann über die Meuterei auf der „Aguila“ und seine Begegnung mit der Black Queen, die für ihn um ein Haar tödlich geendet hätte. Deutlich war ihm anzusehen, wie schwer es ihm fiel, die blutigen Ereignisse auf der spanischen Kriegsgaleone noch einmal in seiner Erinnerung wachzurufen.

      „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen“, schloß er, „der Kapitän und die Offiziere hätten nicht sterben dürfen. Ich hätte damit rechnen müssen, als ich die Decksleute zur Meuterei anstiftete.“

      „Anstiften ist das falsche Wort“, sagte Jean Ribault energisch, „nach den ungeschriebenen Gesetzen der Menschlichkeit waren deine Beweggründe richtig. Auch die Leute auf der ‚Aguila‘ müssen davon überzeugt gewesen sein, denn sonst wären sie dir nicht gefolgt. Ihr wolltet letztlich die Ungerechtigkeiten nicht mehr dulden, die im Namen der spanischen Krone ständig verübt werden. Daß dann Menschen sterben mußten, ist schlimm. Aber es fällt nicht unter deine Verantwortung. Du konntest die Meute in ihrer plötzlichen Blutgier nicht zurückhalten.“

      Carlos preßte zweifelnd die Lippen aufeinander.

      „Jean hat recht“, sagte Hasard, „die Mannschaft der ‚Aguila‘ hat ihre wahre Einstellung schließlich bewiesen. Als Piraten und Marodeure haben sie sich auf die Seite der Black Queen geschlagen. Über kurz oder lang werden sie ihre gerechte Strafe erhalten. Das steht für mich schon jetzt fest. Jedenfalls solltest du endlich aufhören, dich mit Selbstvorwürfen zu plagen, Carlos. Die Bewährungsprobe, vor der wir alle stehen, gilt auch für dich.“

      Der Spanier warf dem Seewolf einen dankbaren Blick zu und lächelte kaum merklich.

      Die Schlangenpriesterin räusperte sich vernehmlich und blickte mit ernster Miene in die. Runde.

      „Eure ganze Kraft wird erforderlich sein“, sagte sie, „die schwarze Frau ist wie ein Fluch, der auf der Welt der karibischen Inseln lastet. Viele Menschen werden sterben müssen, wenn es überhaupt gelingen soll, diesen Fluch abzuwenden.“

      Hasard