war, dann mußte sie zugeben, daß sie beim Anblick dieser ranken dreimastigen Galeone Neid empfunden hatte.
Das war ein Schiff, gegen das sie ihren Zweidecker durchaus eintauschen würde. Und welche symbolische Bedeutung würde jene „Isabella“ gewinnen, wenn sie einmal das Flaggschiff der Herrscherin der Karibik war!
Ja, das würde für alle Zeiten die Niederlage ihres wohl ärgsten Feindes veranschaulichen. Jedermann würde beim Anblick dieses Flaggschiffs wissen, daß es niemanden gab, der die Black Queen bezwingen konnte. Auch ein Seewolf nicht.
Aber bis dahin war es noch ein langer und mühevoller Weg. Mit allen Fasern ihrer Sinne spürte die Black Queen, daß ihr dieser Mann noch die meisten Schwierigkeiten bereiten würde. Er war ein ernstzunehmender Gegner, wenn auch nicht unbezwingbar. Aber er gehörte zu der Sorte von Kerlen, die nicht locker ließen, auch wenn sie dabei zugrunde gingen.
„Du wirst lernen, daß ich dir überlegen bin“, flüsterte die Black Queen haßerfüllt, „ich werde es dir mit Blut ins Gedächtnis schreiben.“
Von der „Aguila“ waren jetzt Hammerschläge zu hören, kurz darauf auch das rhythmische Kreischen von Sägen. Die Spanier waren mit den Ausbesserungsarbeiten beschäftigt. Nur geringe Schäden waren beim letzten Gefecht entstanden. Doch die Black Queen hatte angeordnet, daß auch die nebensächlichsten Kleinigkeiten schleunigst in Ordnung gebracht wurden. Ihre Flotte sollte von nun an stets ein stolzer Anblick sein, ohne jeden Makel.
So wie ich selbst, dachte sie amüsiert, als sie die verstohlenen Blicke bemerkte, die die Männer von Bord der „Aguila“ zu ihr herübersandten.
Die Black Queen wußte sehr wohl, daß sie allein mit ihrem Äußeren ständig begehrliche Anwandlungen in den Kerlen weckte. Manchmal fühlte sie sich dadurch geschmeichelt, wenn ihre Laune entsprechend gut war. Bei anderen Gelegenheiten jedoch konnte es so einem unverschämt stierenden Burschen durchaus passieren, daß sie ihn mit ein paar eisenharten Fausthieben auf die Planken beförderte.
Denn ihre muskulösen Oberarme wirkten nicht nur männlich, in ihnen steckte auch eine ungeheure Kraft, wie sie ein Mann von einer Frau kaum erwartete. Ihre nackten Brüste waren so prall und straff, daß sie wie eine Fortsetzung dieser bemerkenswerten Armmuskeln wirkten.
Das Haar der Black Queen bildete eine große krause Löwenmähne, tiefschwarz wie ihre Brauen und Wimpern, unter denen dunkle Augen kalt und herablassend blickten. In ihrem ebenmäßigen Gesicht dominierten hohe Wangenknochen.
Wie sie es gewohnt war, trug die Black Queen nur einen Lendenschurz mit einem breiten Ledergurt. Darunter steckten eine reichverzierte und entsprechend kostbare Pistole und ein Messer ohne Scheide. Die breite Klinge funkelte im Sonnenlicht. Eine mehrfach verschlungene Goldkette wand sich um den Hals der Queen, darunter lag das rote Tuch, dessen Zipfel bis zu ihren Brüsten reichte.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie die Männer am Strand auftauchen sah.
Caligula war es, der mit sechs Männern von der „Caribian Queen“ auf eins der Beiboote zueilte. Hastig schoben sie das Boot ins Wasser und pullten kurz darauf mit kraftvollen Riemenschlägen auf den Zweidecker zu.
Die Black Queen runzelte die Stirn. Irgend etwas mußte geschehen sein, sonst hätte Caligula nicht solche Hast gezeigt. Doch um ernsthafte Probleme konnte es sich wohl nicht handeln. Tortuga war fest in ihrer Hand. Niemand würde hier noch wagen, sich gegen die neuen Machtverhältnisse aufzulehnen.
Voller Stolz betrachtete die Black Queen den herkulisch gebauten Neger, wie er im Boot herannahte. Er war ihr engster Vertrauter und unumwunden würdig, an ihrer Seite zu stehen. Der krause schwarze Bart verlieh ihm etwas Überlegenes und ließ ihn aus der Masse herausragen. An seinem Körper gab es kein überflüssiges Gramm Fett, an Kraft und Geschmeidigkeit war er der Queen zweifellos noch überlegen. Ging es um Mut und Raffinesse, um Verschlagenheit und Brutalität, war er ihr mindestens ebenbürtig.
Das Beiboot glitt längsseits, und Caligula enterte allein über die Jakobsleiter auf. Die Männer verharrten auf den Duchten. Wie immer war Caligula nur mit einer weißen Pumphose bekleidet. Am breiten Ledergürtel trug er ein Entermesser und eine Pistole.
Mit raubtierhaft federnden Bewegungen ließ er den Niedergang hinter sich und eilte seiner Gefährtin entgegen. Anerkennend bemerkte die Black Queen, daß er kein bißchen außer Atem war.
„Nun?“ sagte sie mit hochgezogenen Brauen. „Du siehst so aus, als ob du schlechte Nachrichten bringst.“
„Wie man’s nimmt. Diese verdammten Weiber wollen protestieren, und Boussac ist natürlich auf ihrer Seite.“
„Protestieren?“ entfuhr es der Queen. „Gegen was?“
„Gegen deine Anordnung natürlich. Sie wollen sich nicht einsperren lassen. Sie faseln davon, daß sie als freie Menschen in die Karibik gesegelt seien. Daß sie Paris nicht verlassen hätten, um sich hier unterdrücken zu lassen. Und so weiter. Alles dummes Gewäsch.“
Das Gesicht der Schwarzen verzog sich zu einer wütenden Grimasse. Ihre dunklen Augen blitzten.
„Du hast dir wieder den Kopf verdrehen lassen. Gib es zu.“
„Habe ich nicht!“ entgegnete Caligula aufbrausend. „Oben in den Felsen habe ich das eingezäunte Lager bauen lassen, wie du angeordnet hast. Dann bin ich hinuntergegangen in die Schildkröte. Dort hockt das gesamte Weibervolk beieinander, und Boussac ist der Hahn im Korb. Mit sechs Mann habe ich es nicht geschafft, sie rauszutreiben. Die wollen einfach nicht.“
„Sie haben dir schöne Augen zugeworfen“, entgegnete die Queen schroff, „und sie haben dir ein bißchen nackte weiße Haut gezeigt. Das kannst du nicht verkraften. Ich weiß doch, wie scharf du darauf bist, mal so ein weißes Püppchen in die Finger zu kriegen. Wenn ich dich von der Leine gelassen hätte, wärest du längst mit einer von ihnen in die Büsche gegangen.“
„Du bist ungerecht“, sagte Caligula beleidigt, „du weißt genau, daß ich dir treu bin. An der Leine brauchst du mich schon gar nicht zu halten. Ich würde doch niemals …“
Die Black Queen unterbrach ihn mit einem belustigten Lachen.
„Ich fange an, die Sache witzig zu finden. Ein paar dreckige Huren widersetzen sich meinem Befehl. Und mein sehr verehrter Caligula schaffte es zusammen mit sechs ausgewachsenen Kerlen nicht, diese Schlampen zur Räson zu bringen.“
„Wie sollten wir das denn anstellen? Sollten wir sie etwa einzeln raustragen?“
Die Schwarze blies die Luft durch die Nase.
„Warte nur ab. Ich werde dir zeigen, wie man mit dem widerspenstigen Dirnenvolk umspringt. Aber vorher kümmern wir uns um die wichtigeren Dinge.“
Caligula zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. Bereitwillig folgte er seiner Gefährtin, als sie vorausging und in das Beiboot abenterte. Er war sicher, daß sie ihre Anordnung durchsetzen würde, denn Widerspruch duldete sie unter keinen Umständen.
Solange mit einem Angriff auf Tortuga zu rechnen war, sollten die fünfzig Mädchen in dem Notlager interniert werden. Caligula war in diesem Punkt völlig einer Meinung mit der Black Queen, auch wenn sie immer noch glaubte, daß er an den Mädchen einen Narren gefressen hätte. Sie durften unter den Männern keine Verwirrung stiften, solange Gefahr bestand. Die Kerle hatten sich darauf zu konzentrieren, Tortuga zu verteidigen. Nichts und niemand durfte sie von dieser Aufgabe ablenken.
Die Black Queen ließ sich zu den beiden Beutegaleonen pullen. Nacheinander inspizierte sie gemeinsam mit Caligula die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“.
Die Männer an Bord hatten prompte und gute Arbeit geleistet. Eine stattliche Zahl von Reserve-Geschützrohren hatten sie aus den Laderäumen auf das Hauptdeck gehievt. Jeweils sechs Rohre waren es auf beiden Galeonen. Einmastige Schaluppen, die aus der Hafenbucht stammten, lagen bereits längsseits, um die Geschützrohre zu übernehmen.
Caligula erläuterte den Schiffsbesatzungen die Pläne, die er entworfen hatte. Darin waren die Positionen eingezeichnet, auf denen die Geschützrohre