Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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Augen der Schwarzen verengten sich.

      Caligula tat nichts, um sie zu besänftigen, „Manon“, flüsterte Emile Boussac erschrocken, „reiß dich zusam…“ Die letzte Silbe blieb ihm im Hals stecken.

      Mit einem pantherhaften Satz schnellte die Black Queen vor. Manon zuckte zusammen und konnte nicht mehr reagieren.

      Ein brutaler Hieb traf die Französin ins Gesicht und schleuderte sie auf die Planken. Reglos blieb sie liegen.

      Emile Boussac wirbelte herum und wollte ihr zu Hilfe eilen.

      Doch die Black Queen war schneller, packte ihn mit beiden Fäusten am Kragen und zog ihn zu sich heran.

      „Laß dir das eine Warnung sein“, sagte sie drohend. „Ich bin nicht gewohnt, meine Anweisungen zweimal zu geben. Es liegt einzig und allein an euch, ob die Sache schlimmere Folgen hat oder nicht. Bis Einbruch der Dunkelheit ist das gesamte Dirnenpack im eingezäunten Lager. Wenn nicht, geht es euch dreckig.“

      Boussac versuchte vergeblich, sich aus dem eisenharten Griff der Negerin zu befreien. Im nächsten Moment stieß sie ihn mit einem Ruck von sich. Willem Tomdijk fing ihn mit seinen fleischigen Armen auf.

      Sein Blick, aus nordsee-grauen Augen auf die Black Queen gerichtet, schien ausdruckslos. Niemand konnte erkennen, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn bewegten, auch Caligula nicht, der das Geschehen mit verschränkten Armen beobachtete.

      „Schert euch von Bord!“ befahl die Queen scharf. „Alle drei!“

      Emile Boussac warf ihr einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts. Er wandte sich ab und half Manon auf die Beine, die stöhnend wieder zu Bewußtsein gelangte. Dann stützte er sie auf dem Weg zur Pforte im Schanzkleid.

      „Über so eine Behandlung sind wir natürlich nicht erfreut“, sagte Willem Tomdijk dröhnend und scheinbar völlig ruhig.

      „Das interessiert mich einen Dreck“, entgegnete die Black Queen schroff.

      „Die Anweisungen müssen eben befolgt werden“, sagte Caligula und bemühte sich, seinen Worten einen versöhnlichen Klang zu geben. „Daran führt nun mal kein Weg vorbei. Wenn wir einen Angriff auf Tortuga zu erwarten haben, müssen wir unseren eigenen Laden in Ordnung halten. Die Mädchen würden nur Unruhe stiften, solange der Tanz nicht vorbei ist. Wir brauchen aber alle verfügbaren Kräfte, um Tortuga gegen unsere Feinde zu verteidigen.“

      „So ist das also“, sagte Willem. Sein Dreifachkinn wackelte, als er nachdenklich den Kopf auf und ab bewegte.

      „Keine Erklärungen mehr!“ zischte die Black Queen.

      Caligula hütete sich, noch ein Wort von sich zu geben.

      „In Ordnung.“ Der Ex-Bürgermeister von El Triunfo zog die massigen Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. Er sah die Black Queen an. „Wir befolgen deine Order, Madam.“ Weder seiner Miene noch dem Klang seiner Stimme war anzumerken, was er wirklich dachte.

      Er wandte sich ab und ließ sich von den schweigenden Crewmitgliedern den Bootsmannsstuhl anlegen.

      Die Black Queen beobachtete es mit flammendem Blick. Und ihr hünenhafter Gefährte riskierte in diesem Moment nicht, sie anzusprechen.

       4.

      Über die Schlangen-Insel senkte sich das rotgoldene Licht der Spätnachmittagssonne. In den Furchen der Felsen entwarf dieses unwirklich scheinende Licht eine bizarre Maserung von Schattenrissen.

      Zwei Menschen waren es, die hoch über dem Felsendom ausharrten, regungslos wie Statuen. Sie hatten eine der Beobachtungsplattformen erstiegen, um jenes Ereignis mitzuerleben, das für ihre Heimat in der Karibischen See von entscheidender Bedeutung sein sollte.

      Im Schein der flachen Sonnenstrahlen nahm die Haut des Mannes einen bronzefarbenen Schimmer an. Sein Haar war blond und schulterlang, doch sein Gesicht war unverkennbar indianisch geschnitten.

      Das Mädchen neben ihm strich die langen dunklen Haare aus dem Gesicht und beschirmte die Augen mit der flachen Hand. Der Wind umspielte ihren jungen, biegsamen Körper, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war.

      Es war ein majestätischer Anblick, der sich den beiden Beobachtern bot.

      Die „Isabella“ hatte den Felsendom passiert und ging auf Kurs Südwest. Der Wind wölbte das Tuch vor den schlanken Masten. Männer befanden sich hoch oben in den Rahen, um auch die Bramsegel zu setzen.

      In Abständen von wenigen Minuten folgten auch die übrigen Schiffe, die die günstige Zeit vor dem Einsetzen des Mahlstroms nutzten.

      Der Viermaster des Wikingers rauschte wie ein finster drohendes Ungeheuer auf das freie Fahrwasser hinaus. Doch für jene, denen der Anblick vertraut war, hatte der Schwarze Segler nichts Düsteres. Er kreuzte das Kielwasser der „Isabella“ und nahm mit drei Kabellängen Abstand Steuerbord achteraus Kurs auf.

      Das dritte Schiff im Verband war die „Wappen von Kolberg“, jene stattliche Galeone, die in ihrer Bauweise mächtiger und behäbiger wirkte als die Schiffe von der Ramsgate-Werft. Doch dieser Eindruck täuschte. Arne von Manteuffel und seine Crew beherrschten das ehemalige polnische Flaggschiff mit absoluter Sicherheit, und sie bewiesen, daß es mit seinen Segeleigenschaften den anderen praktisch in nichts nachstand.

      Den Abschluß bildeten die „Le Vengeur III.“ und die „Tortuga“, jene beiden Schwesterschiffe, die als letzte Neubauten auf der alten Werft in Plymouth entstanden waren, bevor Hesekiel Ramsgate seine Sachen gepackt und sich den Seewölfen beim Aufbruch in die Karibik angeschlossen hatte.

      Bei günstigen nördlichen Winden segelten die fünf Schiffe unter Vollzeug und nahmen sehr bald Fahrt auf. Die sich bauschenden Segel schienen im rotgoldenen Sonnenlicht zu leuchten, die Heckseen bildeten breite schäumende Linien in den tief blauen und kristallklaren Fluten.

      „Ich habe ein seltsames Gefühl“, sagte Araua, die Tochter der Schlangenpriesterin. „Es ist das Gefühl von Einsamkeit und Schutzlosigkeit.“

      Karl von Hutten wandte den Blick von der Flotte des Seewolfs und sah das Mädchen an.

      „Du täuschst dich. Es ist nur der Abschied, der solche Gefühle hervorruft. Wir sind nicht schutzlos, Araua. Denke an unsere Geschütze und an die vielen Kämpfer, die wir hier noch zur Verfügung haben.“

      „Aber wir haben kein Schiff mehr zu unserer Verteidigung.“

      „Der Seewolf weiß, was er tut. Unsere Feinde befinden sich auf Tortuga. Er muß schneller sein als sie, muß ihnen zuvorkommen und sie dort besiegen, wo sie sich zu einem neuen Angriff auf die Schlangen-Insel sammeln könnten. Nein, Araua, uns droht hier keine unmittelbare Gefahr.“

      „Das ist es nicht allein“, sagte das Mädchen leise, „ich ahne blutiges Geschehen in der nahen Zukunft. Werden wir diese fünf Schiffe so wiedersehen, wie sie uns jetzt verlassen?“

      Karl von Hutten lächelte und strich ihr über das Haar.

      „Ja“, sagte er rauh, „wir werden an nichts anderes denken. Unsere Gedanken, mit denen wir die Freunde begleiten, dürfen nichts Unheilvolles haben.“

      Araua hob den Kopf und erwiderte seinen Blick.

      „Du hast recht. Meine Mutter würde nicht anders sprechen als du. Verzeih meine Angst. Sie ist falsch. Ich tue den Männern dort auf den Schiffen unrecht damit.“

      Noch lange hielten sie auf der Beobachtungsplattform aus, bis die Segel nur noch als helle Punkte über der südwestlichen Kimm zu sehen waren.

      Schon während der Seewolf und seine Gefährten mit ihren Schiffen ankerauf gegangen waren, hatte sich Arkana in das Felsengewölbe des Schlangengottes begeben.

      Stumm und regungslos kniete die Schlangenpriesterin vor dem Standbild, umgeben von den züngelnden Lichtern der heiligen Flammen, die den magischen Kreis bildeten. Der Reif mit den beiden Schlangenköpfen ließ kleine Lichtreflexe