Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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blüht, wenn ihr euch auf seine Seite stellt. Dann ist Schluß mit dem Leben in Freiheit!“

      „Lüge!“ tönte eine Stimme von weit hinten.

      „Der Seewolf ist kein Unterdrücker!“ ließ sich ein anderer vernehmen.

      „Vor allem ist er kein englischer Bastard!“

      Diesmal waren es Diegos Helfer, die die Zwischenrufe von sich gaben. Besonders die letztere Bemerkung brachte ihnen den Beifall der Siedler aus El Triunfo ein.

      „Ihr seid auf dem falschen Weg!“ Die Black Queen schleuderte ihre Worte mit überkippender Stimme in die Menge.

      Doch nichts als empörtes, heiseres Gebrüll schlug ihr als Antwort entgegen.

      Wieder war es Willem Tomdijk, der mit einer einzigen Handbewegung für Ruhe sorgte, nachdem er die ganze Zeit geduldig zugehört hatte.

      „Freunde, ich denke, es wurde genug geredet. Laßt uns jetzt abstimmen. Oder hat jemand etwas dagegen einzuwenden?“

      Stille.

      „Also gut“, fuhr Willem fort. Er nickte zufrieden, und die Hautfalten seines Gesichts wogten auf und ab. „Ich glaube, eure und meine Meinung ist ziemlich klar. Wir sollten uns aus allen Auseinandersetzungen heraushalten. Ist einer von euch dagegen?“

      Keine Hand erhob sich. Keine Stimme wurde laut. Auch aus den Nebengelassen der Kneipe war kein Laut zu hören, obwohl Willem lange genug wartete, bis er sicher war, daß seine Frage auch dorthin durchgedrungen war.

      „Wenn ihr es so haben wollt“, sagte die Black Queen in die Stille, „dann müßt ihr euch auch über die Folgen im klaren sein. Wer nicht auf meiner Seite steht, kann auch nicht mehr mit meinem Schutz rechnen.“

      „Wir wollen auf keiner Seite stehen“, sagte Willem Tomdijk, „wir wollen nur unsere Ruhe und unseren Frieden.“

      Von neuem brüllten die Männer Beifall.

      Die Black Queen wechselte einen Blick mit Caligula, und er nickte ihr zu. Ohne Tomdijk noch eines Blickes zu würdigen, standen sie auf und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Das Beifallsgebrüll für den Ex-Bürgermeister begleitete sie.

      Draußen klang es noch in ihren Ohren, als sie die „Schildkröte“ längst hinter sich gelassen hatten.

      Schweigend nahmen sie den Weg zur Hafenbucht. Das Ergebnis dieser feinen Bürgerversammlung war niederschmetternd für die künftige „Herrscherin der Karibik“. Nur noch ein harter Kern stand jetzt praktisch auf ihrer Seite, nämlich Jaime Cerrana und seine Meuterer auf der „Aguila“, die Besatzungen der beiden Beutegaleonen und natürlich die Crew der „Caribian Queen“.

      Eine direkte Auseinandersetzung mit denen, die sich für Tomdijks Kurs entschieden hatten, konnte sie sich nicht leisten. Darüber gab sich die Black Queen keinen Illusionen hin. Denn jeden Moment konnte die neuerliche Gefahr durch einen Angriff der Flotte von der Schlangen-Insel über sie hereinbrechen. Dieser Gefahr mußte zunächst ihre ganze Aufmerksamkeit gelten.

      Erst wenn der Sieg über den verfluchten Seewolf errungen war, konnte man sich wieder den eigenen Problemen zuwenden. Eines schwor sich die Queen in diesem Augenblick: Tortuga, das sie schon so fest in ihrer Hand geglaubt hatte, würde ihr gehören. Jetzt erst recht. Die elenden aufsässigen Kerle würden lernen müssen, was es bedeutete, gegen ihre Entscheidungen anzugehen.

      Dieses idiotische Gefasel von Frieden und freiheitlichem Leben mußte aufhören, ein für allemal.

       6.

      Die Wetterbedingungen entwickelten sich günstiger als erwartet. Lange vor Einbruch der Dunkelheit war eine dünne Wolkendecke von Nordwesten heraufgezogen, und diese Entwicklung hielt auch in den darauffolgenden Abendstunden an. Nur noch vereinzelt gab es Risse in der Wolkendecke, doch das blasse Licht, das Mond und Sterne dann herunterschickten, erreichte die Wasseroberfläche nicht, weil es von neuen Wolken verdeckt wurde.

      Eine knappe Stunde vor Mitternacht war der Punkt erreicht, den der Seewolf durch seine Navigation bestimmt hatte. Die fünf Schiffe seines Verbandes waren bis jetzt mit Vollzeug von Norden her auf Tortuga zugesegelt. Obwohl sie sich noch außer Sichtweite befanden, waren längst alle Lampen auf den Decks gelöscht worden.

      Die Dunkelheit der Nacht verschluckte den Verband von der Schlangen-Insel. Es hätte keine bessere Tarnung geben können. Es war wie ein vorgehängtes schwarzes Tuch, hinter dem sich die fünf Galeonen verbargen.

      Hasard gab das vereinbarte Zeichen.

      Auf dem Schwarzen Segler, der „Wappen von Kolberg“ und der „Le Vengeur III.“ wurden die Segel aufgegeit und Treibanker ausgebracht.

      Die „Isabella“ und die „Tortuga“ behielten den ursprünglichen Kurs bei, allerdings mit verringerter Segelfläche. Nicht mehr als düstere Schatten waren die beiden schlanken Galeonen, die jetzt auf die rauhe Nordseite der Insel zuglitten.

      Noch war Tortuga nicht in Sicht. Doch nach Hasards Berechnungen betrug die Distanz bestenfalls noch zwei Seemeilen. Was für die Schiffe galt, traf auch auf die Insel zu. Die Dunkelheit der Nacht verschluckte alles.

      Alle Einzelheiten des Planes waren besprochen worden. Für keinen der Männer von der Schlangen-Insel gab es Ungewißheiten über das, was sich abspielen würde. Jeder einzelne wußte, für was er zu kämpfen hatte. Alle zusammen waren sie eine verschworene Gemeinschaft, die nur das eine Ziel vor Augen hatte – die Gefahr abzuwenden, die ihrem freiheitlichen Leben auf der Schlangen-Insel drohte.

      In diesem unabänderlichen Willen, der ihren Kampfgeist beseelte, unterschieden sie sich sehr deutlich von der Moral, wie sie etwa auf spanischen Kriegsgaleonen anzutreffen war. Dort wurde das Geschehen nur von Befehl und Gehorsam bestimmt. Entsprechend gering war oftmals die Motivation der Decksmannschaften und Seesoldaten, die von ihren Offizieren in einen Kampf geschickt wurden, dessen Sinn sie nicht verstanden.

      Hasard und Ben Brighton beobachteten vom Achterdeck der „Isabella“ aus die „Tortuga“, die um eine Kabellänge versetzt Steuerbord achteraus segelte.

      Zwar war in der Dunkelheit nichts zu erkennen, doch die beiden Männer wußten, daß an Bord der kleineren Galeone bereits die Vorbereitungen für den Sondereinsatz getroffen wurden. Kein Laut wehte herüber. Alle Gespräche wurden im Flüsterton geführt, bei jedem Handschlag achteten die Männer darauf, so wenig Geräusche wie nur möglich zu verursachen.

      Das galt auch für die Crew der „Isabella“. Selbst Edwin Carberry hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, seine „Affenärsche“ nur noch mit gedämpfter Stimmgewalt über die Decks zu scheuchen.

      Das „Viehzeug“ war unter Deck eingesperrt worden. In diesem Punkt hatte sich der Profos diesmal ohne Widerspruch durchgesetzt. Plymmie, die Bordhündin, befand sich für die Dauer des Angriffs auf Tortuga ebenso auf Nummer Sicher wie Arwenack, der Schimpanse, und Sir John, der Papagei.

      Auf dem Hauptdeck der „Isabella“ hasteten die Männer auf leisen Sohlen hin und her, doch das Durcheinander war nur scheinbar. Die von Hasard angeordnete Gefechtsbereitschaft wurde mit der gewohnten Schnelligkeit hergestellt.

      Auch die beiden Söhne des Seewolfs halfen dabei in der üblichen Manier mit, indem sie Sand auf den Planken ausstreuten und die Kohlebecken zum Zünden der Lunten vorbereiteten. Jeder Handgriff war tausendfach geübt, selbst mit geschlossenen Augen hätten die Männer ihre Arbeit bewältigt.

      „Ich glaube“, sagte Ben Brighton leise, „Jerry Reeves ist dankbar, endlich einmal einen besonderen Auftrag zu haben.“

      Hasard blickte wieder zur „Tortuga“ hinüber und brummte zustimmend. Das Schwesterschiff der „Le Vengeur III.“ segelte mit einer zusammengewürfelten Crew, die sich aber bereits bestens aufeinander eingespielt hatte. Neben Jerry Reeves und seinen Männern befanden sich an Bord zahlreiche Mitglieder aus Siri-Tongs Crew.

      „Jerry war auf der Schlangen-Insel zu lange untätig“, antwortete der Seewolf,