Ballie reagierte prompt.
Im selben Augenblick setzte auf der Kuhl das Triumphgebrüll der Männer ein. Ihre Stimmen vereinten sich zum alten Kampfruf aus Cornwall, der dem Brüllen der Geschütze wie ein zweites Donnergrollen folgte.
„Ar – we – nack! Ar – we – nack!“
Im verfliegenden Pulverrauch sahen Hasard und Ben Brighton, was Al Conroys vortrefflich gezielte Breitseite angerichtet hatte.
Die Optiken der Spektive zeichneten ein Bild, das von rötlichem Schein erhellt war. Denn Flammen züngelten auf dem Achterdeck der „Buena Estrella“. Eine der Kugeln hatte die Heckbalustrade wegrasiert und die große Laterne quer über die Achterdecksplanken geschleudert.
Der Rudergänger harrte an seinem Platz aus. Schattenhaft huschende Männer versuchten verzweifelt, das brennende, ausgelaufene Öl zu löschen. Doch das Feuer fand rasche Nahrung, und erste Flammen leckten bereits am Besanmast.
Zwei weitere Treffer hatte die ehemals spanische Kriegsgaleone im Heckbereich empfangen. Ein Loch von der Größe eines Ankerspills klaffte dort, wo sich vermutlich die Kapitänskammer befand. Die Heckgalerie war nur noch ein Gewirr von faserigen Splittern. Auch der hübsch verschnörkelte Namenszug existierte nicht mehr.
Während die Männer auf der „Isabella“ die Geschütze nachluden, rauschte die „Tortuga“ von achteraus heran. George Baxter, der fast kahlköpfige Profos, hatte dort drüben an Bord das Kommando übernommen, da er schon immer als Stellvertreter von Jerry Reeves fungiert hatte.
Hasard ließ eine zweite Breitseite abfeuern, die aber mehr dazu dienen sollte, den Gegner endgültig zu demoralisieren.
Die „Tortuga“ stieß von Steuerbord achteraus auf den Flammenschein der „Buena Estrella“ zu und feuerte aus großer Entfernung demonstrativ die beiden vorderen Drehbassen ab. Zwar prasselte das gehackte Blei wirkungslos in die Wasseroberfläche. Aber das beabsichtigte Ergebnis zeigte sich wenig später.
Während der Seewolf die „Isabella“ abfallen ließ und auch George Baxter seinem Beispiel folgte, entfernte sich das brennende Besansegel der „Buena Estrella“ wie eine übergroße Fackel nach Westen.
Die Kerle hatten begriffen, daß sie es mit einem übermächtigen Gegner zu tun hatten. Es blieb ihnen nichts, als ihr Heil in der Flucht zu suchen und die Flammen zu löschen. Daß ihnen letzteres gelang, zeigte sich nach einer Weile, als es über der See wieder vollständig dunkel wurde.
Der Seewolf verspürte indessen keine Neigung, der „Buena Estrella“ den Todesstoß zu versetzen. Der Plan würde so ablaufen wie vorgesehen. Keine voreilige Augenblicksentscheidung sollte daran etwas ändern. Wenn Jerry Reeves seinen Auftrag erfüllte, war der erste Schritt getan. Der Black Queen sollten die Augen übergehen.
7.
Vorsichtig lavierten die Männer das Beiboot durch die Korallenriffe, die der felsigen Nordküste von Tortuga vorgelagert waren. Weiße Schaumkronen und gischtende Fontänen kennzeichneten die Gefahrenstellen, wo die Riffe wie steinharte Schneidewerkzeuge bis an die Wasseroberfläche ragten und den Bootsrumpf im Handumdrehen aufgeschlitzt hätten.
Nachdem der Geschützdonner verklungen war, hatte Jerry Reeves ein paarmal schwache Lichter hoch oben in den Felsen gesehen. Auch meinte er, Stimmen vernommen zu haben. Möglich war immerhin, daß die Gefolgsleute der Black Queen Geschützstellungen eingerichtet hatten. Wegen der Entfernung und der Dunkelheit war es ihnen aber nicht möglich gewesen, in das Gefecht einzugreifen.
Jerry Reeves beschloß, größte Vorsicht walten zu lassen. Sie durften sich nicht zu sicher fühlen und mußten jederzeit damit rechnen, jemandem in die Arme zu laufen. Unbewacht war die Küste jedenfalls nicht. Soviel stand für Jerry schon jetzt fest.
Der hochgewachsene dunkelhaarige Mann hielt die Ruderpinne mit eisernem Griff. Während die übrigen sechs Männer mit geräuschlosen und doch zügigen Schlägen pullten, achtete er sorgfältig darauf, das Boot aus den Gefahrenbereichen herauszuhalten.
Schwarz und düster ragten die Küstenfelsen vor ihnen auf und wuchsen immer näher auf sie zu wie eine unausgesprochene Bedrohung. Jerry Reeves und seine Gefährten sprachen kein Wort. Sie wahrten größtmögliche Geräuschlosigkeit auch bei jeder ihrer Bewegungen.
Für einen kurzen Moment, als die Wolkendecke aufriß, erspähte Jerry einen schmalen Einschnitt zwischen zwei Uferfelsen. Das Boot glitt fast haargenau darauf zu. Eine geringe Korrektur mit der Ruderpinne genügte.
Die Männer reagierten, ohne daß ein Befehl ausgesprochen werden mußte. Rechtzeitig hoben sie die Riemen und stellten sie senkrecht. Dabei paßten sie auf, daß keine Riemenblätter gegeneinanderschlugen. Sekunden später knirschte der Kiel auf das Stückchen Ufersand zwischen den Felsen.
Stoker legte den Riemen flach und schwang sich als erster über das Dollbord. Kein Laut war dabei von dem gedrungen wirkenden Mann zu hören, der auch an Bord der „Tortuga“ die Funktion des Decksältesten übernommen hatte.
Ihm folgte Mulligan, der Schiffszimmermann. Er hatte sein strohblondes Haar mit einer Mütze bedeckt, damit er in der Dunkelheit nicht so leicht zu erkennen war. Ray Hoback war ebenfalls dabei. Er schleppte zwar etliche Pfunde Lebendgewicht mehr mit sich herum als die anderen. Daß er aber nicht minder geschickt war und sich behende bewegen konnte, bewies er jetzt, als er ohne das leiseste Geräusch aus dem Boot ins seichte Uferwasser glitt.
Stoker, Mulligan und Hoback zogen das Boot höher auf die winzige Strandfläche. Dann verließen auch Albert, Gustave Le Testu und Montbars die Jolle. Jerry Reeves folgte als letzter.
Sie packten alle gemeinsam zu, um das Beiboot der „Tortuga“ vollends an Land zu ziehen. Wann sie es wieder abholen konnten, stand vorläufig noch in den Sternen. Gemessen an der Wichtigkeit ihres Auftrags war es der unbedeutendste Punkt.
Jerry Reeves stieß einen Zischlaut aus, und die Männer begriffen sofort. Mehrere Minuten lang verharrten sie regungslos und horchten in die Dunkelheit. Erst danach waren sie absolut sicher, daß sich in unmittelbarer Nähe nichts rührte. Nur der Wind sang sein unstetes Lied in der zerklüfteten Felsenlandschaft, begleitet vorn Rauschen der Brandung.
Längst hatten sich die Augen der Männer an die Finsternis gewöhnt, so daß sie sich gegenseitig schattenhaft wahrnehmen konnten. Jerry beugte sich in das Boot, stellte den Bottich mit Pech auf eine der Duchten und begann, sich Gesicht und Hände zu schwärzen.
Die anderen folgten seinem Beispiel. Bald darauf war nur noch das Weiße ihrer Augen zu sehen, wenn sie sich ansahen. Noch während Montbars und Le Testu ihre Gesichter schwärzten, begannen die anderen, ihre Waffen für den Einsatz herzurichten.
Mit langen Stoffstreifen, die schon auf der „Tortuga“ vorbereitet worden waren, umwickelten sie die Scheiden der Entermesser. Auch die fertig geladenen Pistolen, die Pulverflaschen und die Kugelbeutel wurden entsprechend gesichert, damit sie beim Gehen keine Geräusche hervorriefen.
Etwa eine Viertelstunde nach ihrer Ankunft in der engen Felsenbucht waren sie abmarschbereit. Für ihren Auftrag hatten sie die ganze Nacht zur Verfügung, jedenfalls so lange, wie die Dunkelheit anhielt.
Wortlos übernahm Jerry Reeves die Führung und fand nach kurzem Suchen einen geeigneten Weg für den Aufstieg. Die Oberfläche des Gesteins war an diesem Küstenabschnitt glattgewaschen, verlief jedoch mit verhältnismäßig geringer Steigung landeinwärts. Auf nahezu geradlinigem Weg konnten sie aufsteigen. Jerry und seine Gefährten trugen dünne Ledersandalen, die ihre Schritte zur Lautlosigkeit dämpften und gleichzeitig ihre Fußsohlen vor Schrammen und Schnitten bewahrten.
Auf halbem Weg verwehrte ein senkrecht aufragender haushoher Felsklotz ihr zügiges Vordringen. Jerry verharrte, wandte sich um und hielt Stoker mit der flachen Hand zurück. Der Decksälteste stoppte seine Schritte sofort und gab das Zeichen an die anderen weiter.
Sie warteten, bis ihr Kapitän die Umgebung des Felsbrockens abgesucht hatte und zu ihnen zurückkehrte, nachdem er rechter