in seiner vorsichtigen Nachdenklichkeit manchmal fast pessimistisch wirkte, stimmte diesmal der gemeinsam getroffenen Entscheidung ohne Einschränkung zu.
Jerry Reeves und seine Freunde hatten bei etlichen Gelegenheiten bewiesen, daß man sich absolut auf sie verlassen konnte. Das war damals gewesen, als sie sich im Teufelskreis der Geschehnisse in der Bretagne kennengelernt hatten.
Ein halblauter Ruf aus dem Großmars riß die Männer aus ihrer Gedankenstille.
„Deck! Lichter Steuerbord voraus!“
„Verstanden!“ antwortete der Erste Offizier der „Isabella“ mit unterdrückter Stimme. Dann griff Ben zum Kieker und folgte damit dem Beispiel Hasards, der das Spektiv bereits angesetzt hatte.
Es dauerte eine Weile, bis sie in der Dunkelheit die schwachen Lichtpunkte geortet hatten. Bill, der den Dienst des Ausgucks versah, bewies wieder einmal, daß die Schärfe seiner Augen ausgezeichnet war.
Sehr rasch erkannten der Seewolf und sein Erster Offizier, daß es sich um die Deckslaternen eines größeren Schiffes handelte. Minuten später gab es bereits endgültige Klarheit.
„Eine dreimastige Galeone“, sagte Hasard, „und sie segelt auf Kollisionskurs.“
„Wahrscheinlich, ohne es zu wissen“, entgegnete Ben, „sonst hätten sie ihre Lampen gelöscht.“
Ein hartes Lächeln kerbte sich in die Mundwinkel des Seewolfs.
„Dann lassen wir sie nicht länger im Ungewissen, Ben. Servieren wir ihnen eine handfeste nächtliche Überraschung.“
„Aye, aye, Sir“, erwiderte der Erste, und seine Augen blitzten im Dunkel.
Ohne Umschweife verstaute Ben Brighton sein Spektiv und griff nach der verhüllten Öllampe, die auf den Planken des Achterdecks bereitstand. Er hob die Lampe und löste die Segeltuchummantelung nur so weit, daß der Lichtschein nach achteraus fiel – dreimal kurz hintereinander.
Auch dieses Zeichen war vereinbart worden. Der Seewolf und seine Gefährten hatten von vornherein die Möglichkeit einkalkuliert, daß ihnen beim Kurs auf Tortuga ein fremdes Schiff in die Quere geraten könnte.
Während Ben Brighton die erforderlichen Kommandos gab, konzentrierte Hasard sich darauf, die unbekannte Galeone zu beobachten. Auf den Decks der „Isabella“ hasteten die Männer an die Brassen. Pete Ballie, der als Gefechtsrudergänger schon bei Beginn der Mission seinen angestammten Platz eingenommen hatte, bewegte das Steuerruder unter seinen ankerklüsengroßen Fäusten.
Mit Eleganz schwenkte das Heck der „Isabella“ durch den Wind. Innerhalb von Sekunden wechselte die ranke Galeone den Kurs und segelte nun über Backbordbug nach West-Süd-West, der fremden Galeone entgegen, um ihr den nötigen Willkommensgruß zu entbieten, wenn es sein mußte.
Daran, daß dieser Gruß aus Feuer und Eisen bestehen würde, zweifelte der Seewolf nicht. Er vermutete, daß es sich bei der Galeone um eins der Schiffe der Black Queen handelte. So nah vor der Küste von Tortuga konnte es sich nur um eine Patrouillenfahrt handeln.
Mit einem kurzen Blick nach achtern überzeugte sich Hasard, daß die „Tortuga“ ihren ursprünglichen Kurs beibehielt. Die Umrisse von Jerry Reeves’ Schiff verschmolzen bereits mit der Dunkelheit.
Die Besatzung der fremden Galeone indessen schien von ihrem „Glück“ noch immer nichts zu ahnen. Die Lichtpunkte der Deckslaternen glitten unverändert zügig heran. Hasard schätzte die Entfernung auf mittlerweile weniger als eine Seemeile.
Mit schneller Fahrt näherte sich die „Isabella“ den offenbar Ahnungslosen – unaufhaltsam, wie von einem unsichtbaren Tau gezogen.
Ben Brighton verständigte sich mit dem Seewolf und schickte Al Conroy und seine Männer an die Steuerbordgeschütze. Sämtliche Rohre der Fünfundzwanzig-Pfünder und der Siebzehn-Pfünder waren bereits geladen. Die Geschützcrews verharrten in gespannter Aufmerksamkeit hinter der Verschanzung, bereit, die Luntenstöcke in die Glut der Kohlebecken zu stoßen und einen feurigen Teufelstanz zu entfachen.
In der Zwischenzeit verringerte die „Tortuga“ ihre Distanz in Richtung der felsigen Nordküste der Insel.
Im Grunde war den Arwenacks das Auftauchen des Patrouillenschiffes nicht einmal unwillkommen. Denn dadurch ergab sich die Gelegenheit, von dem Vorhaben abzulenken, das Jerry Reeves und seine Männer in wenigen Minuten in die Tat umzusetzen hatten.
Noch sechs oder sieben Kabellängen trennten die „Isabella“ von dem Dreimaster. Unvermittelt sah Hasard durch das Spektiv, wie es drüben im Schein der Deckslaternen lebendig wurde. Wuhling entstand. Der Schreck mußte der Crew in alle Knochen gefahren sein. Aber für eine erfolgversprechende Reaktion war es jetzt fast zu spät.
Auch Ben Brighton hatte wieder zum Spektiv gegriffen. Alle Vorkehrungen an Bord der „Isabella“ waren abgeschlossen. Bei raumem Wind über Backbordbug segelnd, stieß die Galeone des Seewolfs auf den noch unbekannten Dreimaster zu – bereit, sich innerhalb von Sekunden in eine feuerspeiende schwimmende Festung zu verwandeln.
„Den Burschen kennen wir doch!“ stieß Ben Brighton hervor. „Der Gehörnte soll mich holen, wenn das nicht eine von den Beutegaleonen der Black Queen ist.“
„Ich glaube, du hast recht“, erwiderte Hasard, „aber ich denke, wir werden es gleich ganz genau wissen.“
Er sollte sich nicht täuschen. Die Entfernung war auf fünf Kabellängen zusammengeschmolzen, als die Galeone eine Wende vollführte und bei halbem Wind Abstand zu gewinnen suchte. Dabei präsentierte sie ihre reichverzierte Heckpartie, im Schein der Hecklaterne war der Namenszug „Buena Estrella“ deutlich zu entziffern.
Doch es gab kein Entrinnen mehr. Der Konfrontation mit der „Isabella“ konnte sich die wesentlich behäbigere Galeone spanischer Bauart nicht mehr entziehen. Geradezu kläglich wirkte ihr Versuch, aus der Reichweite des Angreifers zu gelangen.
Al Conroys Geschützbediener entfachten die Luntenstöcke. Kleine Funken wirbelten knisternd aus den Kohlebecken auf und verloschen im nächsten Moment in der feucht-kühlen nächtlichen Seeluft. Die Männer verharrten wieder neben den Geschützrohren, ihre Muskeln waren angespannt. Sie fieberten dem Moment entgegen, in dem sich mit dem Donner der Geschütze auch ihre eigene Spannung entladen würde.
Die Distanz verringerte sich zusehends. Sekunden später war es soweit. Mit einem Abstand von nur zwei Kabellängen rauschte die „Isabella“ gleichauf mit der „Buena Estrella“. Deren Kapitän hatte den Fehler begangen, seinen Fluchtkurs beizubehalten. Offenbar hatte er bis zum letzten Moment geglaubt, der schlanken englischen Galeone davonlaufen zu können.
Die Arwenacks sahen die reichverzierte Heckgalerie noch immer schräg von achtern. Zu spät begriffen die Kerle drüben auf dem Dreimaster, daß ihre einzige Chance darin bestanden hätte, sich rechtzeitig zum Kampf zu stellen.
„Feuer frei!“ brüllte Ben Brighton.
Al Conroy peilte über das Rohr des vordersten Fünfundzwanzig-Pfünders. Dann gab der schwarzhaarige Stückmeister seinen Geschützmannschaften das Kommando. Wie auf einen Schlag senkten sich die Stöcke mit den glimmenden Lunten auf die Zündlöcher. Zischend und prasselnd fraßen sich die Funken durch die Zündkanäle der tonnenschweren Bronzerohre.
Ein urwelthaftes Brüllen zerriß die Stille. Mit leckenden Feuerzungen, die mitten aus der Hölle zu rasen schienen, donnerte die volle Breitseite der „Isabella“.
Behende sprangen die Männer zurück, ehe der mächtige Rückstoß die Geschützlafetten rumpelnd von den Stückpforten wegstieß, bis sie von den Brooktauen aufgefangen wurden.
Hart krängte die schlanke Galeone nach Backbord, die Planken vibrierten unter dem Stoß. Pulverrauch wölkte auf und verdeckte den Blick auf die Lichter der „Buena Estrella“.
Für Bruchteile von Sekunden war nur das Orgelgeräusch der Geschosse zu hören, dann das Krachen mehrerer Einschläge, Bersten und Splittern von Holz und das Rauschen von säulenartig aufsteigenden Fontänen. Ein paar der schweren Eisenkugeln