unter den Trümmern verschüttet und begraben wäre.
Caligula starrte seine Gefährtin an. „Überlege dir gut, was du tust. Der Dicke sieht zwar aus wie eine Witzfigur, aber er ist es nicht. Dreihundert Leute stehen hinter ihm, und er zieht sie jederzeit auf seine Seite, wenn er will.“
„Pah! Die wissen genau, daß sie auf mich angewiesen sind. Außerdem mußt du die Besatzungen der beiden Beutegaleonen abziehen. Die sind froh, daß sie solche schönen Schiffe unter den Füßen haben. So was geben die nicht auf. Die lassen sich nicht einfach von dem Freßsack herumkriegen.“
„Deine Rechnung stimmt nicht ganz“, widersprach Caligula, „wenn du Boussacs fünfzig Weiber mitrechnest, bist du wieder auf dreihundert. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst.“
„Weiber!“ sagte die Queen schnaubend. „Die zählen überhaupt nicht.“
„Da hast du aber eine verdammt gute Meinung von deinesgleichen.“ Caligula grinste noch breiter. Im nächsten Moment, als er den durchbohrenden Blick seiner Gefährtin spürte, schwand sein Grinsen, und ein wohliger Schauer durchlief ihn.
„Meinesgleichen? Willst du allen Ernstes behaupten, daß sich eins von diesen käuflichen Miststücken mit mir vergleichen kann? In irgendeiner Beziehung?“ Die Stimme der Black Queen hatte sich zu einem dunklen, rauchigen Klang gesenkt, in ihren dunklen Augen lag all die Verlockung, die ihren Gefährten schon so oft um den Verstand gebracht hatte.
„Nein, nein“, stammelte er, „so habe ich das natürlich nicht gemeint. Ich – ich …“ Ihm versiegten die Worte, und er wünschte Willem Tomdijk und seine Begleiter zum Teufel.
Die verheißungsvollsten Momente ergaben sich eben immer zur unpassendsten Zeit. Ein Königreich hätte er dafür gegeben, jetzt mit der Queen allein sein zu können.
Unterdessen war die große Jolle längsseits gegangen.
„Bitten, an Bord kommen zu dürfen!“ dröhnte Willem Tomdijks Stimme herauf.
Die Black Queen wechselte einen Blick mit Caligula, und er nickte ihr aufmunternd zu. In dieser Situation behielt er den klareren Kopf, dessen war er sich bewußt. Wenn das Weibervolk miteinander zu tun hatte, dann war es nicht mehr zurechnungsfähig.
Die Black Queen seufzte, nickte und beugte sich über die Verschanzung.
„Genehmigt!“ rief sie und verlieh ihrer Stimme einen energischen, metallischen Klang.
Willem hatte den massigen Kopf in den Nacken gelegt und spähte zu ihr hoch, wie die anderen auch. Doch Willems Blick war nicht auf ihr Gesicht gerichtet, sondern auf ihre Brüste, die wie pralle dunkle Früchte über dem Schanzkleid ruhten. Nur mit Mühe riß er sich von diesem Anblick los.
„Dann laß den Bootsmannsstuhl runter, Madam. Ich will als erster an Bord sein. Manon und Emile haben nämlich Angst vor dir.“ Er lachte laut und schallend. Sein mächtiger Körper erinnerte dabei an ein Bergmassiv, das von einem Erdbeben durchgeschüttelt wurde.
Boussac und das Mädchen wollten etwas erwidern, aber Willem Tomdijk brachte sie mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen.
Die Black Queen nickte ihm wortlos zu. Dann wandte sie sich den kichernden und glucksenden Kerlen auf der Kuhl ihres Zweideckers zu.
„Reißt euch zusammen!“ zischte sie. „Ich will kein blödes Grinsen sehen und kein albernes Lachen hören. Tomdijk ist ein wichtiger Mann, wir brauchen ihn auf unserer Seite. Wenn einer von euch nicht pariert, geht es ihm schlecht. Fiert jetzt den Bootsmannsstuhl ab und hievt den Fettsack an Bord.“
Die Galgenstricke, ausnahmslos dunkler Hautfarbe, wurden augenblicklich still. Sie beeilten sich, den Befehl ihrer Anführerin in die Tat umzusetzen. Jeder von ihnen wußte nur zu gut, was passierte, wenn die Black Queen in Rage geriet. Sie hatte in dieser Beziehung höllisch unangenehme Eigenheiten.
Minuten später schwebte Willem Tomdijk, von Tauen unter dem mächtigen Achtersteven getragen, über das Schanzkleid.
Manon und Emile Boussac, die das denkwürdige Geschehen beobachtet hatten, verließen die Jolle und enterten über die Jakobsleiter auf. Die Männer, die das Boot herübergepullt hatten, verharrten auf den Duchten.
Auf der Kuhl des Zweideckers befreiten die dunkelhäutigen Crew-Mitglieder den Ex-Bürgermeister von den Tauen des Bootsmannsstuhls.
Er wandte sich mit einem erleichterten Schnaufen um und ging der Black Queen und Caligula entgegen, die ihm beim Achterdecksniedergang erwarteten. Bei jedem Schritt wogten Willems Körpermassen, doch dabei wirkte er nicht schwerfällig. Seine Beine waren immerhin kräftig genug, um sein Gewicht zügig fortzubewegen.
Er trug ein kurzärmeliges Hemd mit weit offenstehendem Kragen. Die weite Hose hing von seinem Bauch abwärts wie ein Schlauch. Seine Füße steckten in bequemen Ledersandalen, die seinem Gang etwas Watschelndes verliehen.
Willems Gesichtshaut war leicht gerötet, auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen. Trotz der vielen Jahre, die er schon in der Karibik zugebracht hatte, konnte er sich noch immer nicht an das Klima gewöhnen.
„Seid mir gegrüßt“, sagte er mit einer ausladenden Handbewegung und blieb vor dem schwarzen Paar stehen. „Ich falle mit der Tür ins Haus. Kein langes Palaver. Einverstanden?“
„Ganz in meinem Sinn“, erwiderte die Black Queen und nickte.
„Es gibt da ein paar kleine Unstimmigkeiten“, entgegnete Willem, „aber ich denke, das ist wohl nur ein Mißverständnis. Das werden wir doch schnell aus der Welt räumen, wie?“
Boussac und seine dunkelhaarige Begleiterin waren durch die Pforte im Schanzkleid getreten und bauten sich neben ihrem ehemaligen Gemeindeoberhaupt auf.
„Kein Mißverständnis“, antwortete die Queen rauh. Sie schoß einen blitzenden Blick auf die Französin ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß Caligula meine Anweisung nicht deutlich genug weitergegeben hat.“
„Das hat er“, sagte Caligula grinsend und klopfte sich mit der flachen Hand auf den breiten Brustkasten. „Das hat er ganz gewiß.“
„Dann ist es tatsächlich wahr?“ rief Manon erbost. „Wir sollen eingepfercht werden wie Vieh? Niemals!“
Emile Boussac hob die Rechte mit einem Ruck. Seine Geste hatte etwas Theatralisches und sollte die flammende Leidenschaft ausdrücken, mit der er bereit war, für seine Mädchen einzutreten.
„Manon hat recht“, sagte er. Er wippte auf den Zehenspitzen und verriet dadurch seine innere Unruhe. „Eine solche Behandlung der Desmoiselles wäre wirklich unwürdig und unerhört. Außerdem habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Schließlich bin ich der Dienstherr der Damen. Ich denke nicht daran, den Verdienstausfall hinzunehmen, der dadurch entstehen würde, daß …“
Die Black Queen schnitt ihm das Wort ab. Ihre Stimme war wie ein Hieb.
„Unwürdig? Du wagst es, dieses Wort in den Mund zu nehmen? Wenn etwas unwürdig ist, dann das, wozu sich diese Flittchen hergeben. Fasele mir also nichts von Ehrgefühl oder ähnlichem Unsinn vor. Ich habe eine klare Anweisung gegeben, und die wird befolgt. Basta!“
„Zwingt uns nicht, Gewalt anzuwenden“, fügte Caligula hinzu. Sein Grinsen war geschwunden, sein Gesicht spiegelte jetzt jene eisige Härte, die schon manchen seiner Gegner das Fürchten gelehrt hatte.
„Vielleicht läßt man mich wenigstens ausreden!“ schrie Emile Boussac. Sein Gesicht lief rot an. Er wollte fortfahren, verstummte aber, als Willem Tomdijk ihm die schwere Hand auf die Schulter legte.
Statt dessen war es Manon, die sich nicht länger zurückhalten konnte.
„Das lasse ich mir nicht bieten!“ fauchte sie. „Niemand hat das Recht, meine Freundinnen und mich in den Dreck zu ziehen. Wir haben Paris nicht verlassen, um uns in der Neuen Welt knechten zu lassen. Man hat uns ein freies Leben versprochen, und darauf bestehen wir. Außerdem hat unser Beruf seine Berechtigung. Jeder vernünftige Mann wird das bestätigen. Und jemand, der