Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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wert sein, wenn die Black Queen ihr Ziel erreicht.“

      „Sie ist auf dem besten Wege dazu“, sagte Siri-Tong erbittert, „mit jeder Stunde, die verrinnt, baut sie ihr Nest auf Tortuga besser aus. Wenn wir nicht aufpassen, wird sie die Insel fest in ihrer Hand haben. Ich schätze, sie wird Tortuga in eine uneinnehmbare Festung verwandeln.“

      „Warum tut denn auf Tortuga niemand etwas dagegen?“ fragte Karl von Hutten. „Ich verstehe das nicht. Wir haben doch viele Freunde dort. Ich denke nur an Diego und jene, die auf seiner Seite sind.“

      Hasard forderte Jean Ribault mit einer Kopfbewegung auf, zu antworten.

      „Für jemanden, der es nicht selbst gesehen hat, ist es schwer, sich das vorzustellen“, sagte der Franzose. „Karl, du mußt dir vor Augen halten, daß sich die Queen mit einigen hundert Gefolgsleuten auf Tortuga eingenistet hat. Diego und die anderen müßten Selbstmörder sein, wenn sie sich dagegen auflehnen wollten. Sie haben nicht die geringste Chance. Die Queen hat vier gut ausgerüstete Schiffe mitsamt Besatzungen. Und dann noch die Siedler aus El Triunfo.“

      „Ihre Rechnung ist aufgegangen“, sagte Siri-Tong und nickte. „Sie hat die Siedler aus den Klauen der Spanier befreit. Dafür erwartet sie ewige Dankbarkeit, und die wird sie auch erhalten.“

      „Vergeßt die kleinen Mädchen aus Paris nicht“, sagte Thorfin mit dröhnender Stimme. „Die könnten sämtlichen Kerlen den Kopf verdrehen, und dann stünde dieses schwarze Höllenweib plötzlich ganz allein da.“

      „Schön wär’s“, sagte der Seewolf mit dem Anflug eines Lächelns. „Aber ich fürchte, das bleibt reines Wunschdenken. Wir müssen wohl eher damit rechnen, daß die Black Queen nicht lange fackelt, auch ihr nächstes Ziel in Angriff zu nehmen.“

      „Und das wäre?“ Karl von Hutten beugte sich gespannt vor.

      „Tortuga ist eine Art Brückenkopf für sie. Sie wird versuchen, so viele Siedler wie möglich nach Hispaniola hinüberzuschaffen. Auf diese Weise wird sie auch dort Fuß fassen. Immer weiter breitet sie ihren Herrschaftsbereich aus, bis sie die gesamte Karibik unter Kontrolle hat.“

      Carlos Rivero hob die Hand.

      „Eines möchte ich dabei aber doch zu bedenken geben“, sagte er, nachdem Hasard ihm zugenickt hatte. „Ich glaube nicht, daß alle dreihundert Siedler aus El Triunfo auf der Seite der Queen stehen werden, wenn es auf Tortuga hart auf hart geht. Die meisten sind froh, dem Tod entronnen zu sein. Da haben sie keine Lust, sich schon wieder in Gefahr zu begeben.“

      „Du meinst, das wäre der Fall, wenn wir Tortuga angreifen?“ fragte der Seewolf.

      Carlos nickte. „Davon bin ich überzeugt.“

      „Ich auch“, sagte Jean Ribault, der gemeinsam mit dem Spanier in El Triunfo gewesen und dabei in eine teuflische Falle geraten war. „Ich stelle mir beispielsweise Emile Boussac vor, den französischen Schankwirt. Der wird sich vor allem überlegen, wie er gegen Diego konkurrieren kann, aber nicht, wie er am besten die Queen unterstützt.“ Jean schüttelte entschieden den Kopf.

      „Also gut“, sagte Hasard, „wir müssen diesen Punkt auf jeden Fall berücksichtigen, wenn wir einen Angriffsplan ausarbeiten. Diejenigen Siedler, die sich nicht auf die Seite der Queen schlagen, müssen aus allem herausgehalten werden. Genau wie die übrigen Bewohner von Tortuga. Das erschwert die Sache ungeheuer.“

      Einen Augenblick blieb es in der Gesprächsrunde still. Die nachdenklichen Mienen zeigten, wie sehr sich jeder über die Schwierigkeit der bevorstehenden Aufgabe im klaren war. Auf keinen Fall durften Unbeteiligte in Gefahr gebracht werden. Darüber gab es nicht den geringsten Zweifel.

      „Schluß der Debatte!“ rief Thorfin Njal schließlich. „Wir brauchen nicht mehr herumzureden. Diesmal schnappen wir uns das Satansweib, und wir versohlen ihr den schwarzen Hintern, daß sie sich nie wieder davon erholt.“

      Die anderen konnten sich eines Lächelns nicht erwehren.

      „Es stimmt, was Thorfin sagt“, erklärte Hasard, „jeder von uns kennt die entscheidenden Einzelheiten, und wir wissen in etwa, was uns bevorsteht. Deshalb beantrage ich Abstimmung: Wer ist dafür, daß wir mit allen Mitteln gegen die Black Queen vorgehen?“

      Es gab kein Zögern. Alle Stimmberechtigten erhoben sofort die rechte Hand.

      Zum Schluß meldete sich Carlos Rivero noch einmal zu Wort.

      „Wenn alles vorüber ist“, sagte er bedächtig, „würde ich mich gern auf Tortuga niederlassen. Vielleicht könnte ich euch dort von Nutzen sein. Als euer Verbindungsmann.“

      Niemand hatte etwas einzuwenden. Hasard legte dem Spanier wortlos die Hand auf die Schulter und lächelte.

       2.

      Auf dem sanften Wellengang erzeugten die Sonnenstrahlen ein Meer von flirrenden kleinen Lichtreflexen. Die Hafenbucht von Tortuga zeigte sich an diesem Tag in ihrem schönsten Licht. An Land wiegten sich die Blätter der Palmen in einer lauen Brise.

      Die Black Queen war allein auf dem Achterdeck ihres Schiffes. Zum ersten Male seit vielen Tagen, ja sogar Wochen, empfand sie keinen Groll. Nichts und niemand konnte sie jetzt noch in Rage bringen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt mit sich und der Welt so zufrieden gewesen war.

      Ihre Flotte, die in einträchtigem Beieinander in der Bucht ankerte, war ein stolzer Anblick.

      Nur einen Steinwurf weit von der „Caribian Queen“ entfernt lag die „Aguila“. Die ehemalige spanische Kriegsgaleone war mit ihren vierhundertfünfzig Tonnen Registergewicht ein Schiff, auf das die Bezeichnung „stattlich“ ohne Einschränkung zutraf. Nicht minder bemerkenswert war die Armierung dieses Dreimasters mit insgesamt achtundzwanzig Siebzehn-Pfündern, vier Drehbassen und zwei Zwölf-Pfünder-Heckgeschützen.

      Nur wenig kleiner waren die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ mit ihren jeweils etwa dreihundertfünfzig Tonnen.

      Stolz erfüllte die Black Queen bei der Erinnerung daran, wie sie diese beiden Kriegsgaleonen vor El Triunfo gekapert hatte. Das war ein Handstreich gewesen, den ihr so schnell keiner nachmachte. Wenn die Spanier in Cartagena davon erfuhren, würden sie wahrscheinlich vor Wut schäumen.

      Auch die Zuverlässigkeit ihrer Gefolgschaft war nach Meinung der Black Queen weitgehend gesichert. Jaime Cerrana und seine Leute auf der „Aguila“ waren treue Verbündete, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

      Für die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ galt das gleiche. Deren Besatzungen bestanden aus den brauchbarsten Kerlen mit seemännischer Erfahrung, die in El Triunfo aufzutreiben gewesen waren. Jeder von ihnen schätzte sich glücklich, auf einem solchen Schiff segeln zu dürfen. Die lausigen Einmaster, über die sie in Honduras verfügt hatten, waren dagegen geradezu lächerlich gewesen.

      Von den übrigen Siedlern, die inzwischen auf Tortuga provisorische Unterkünfte gefunden hatten, erwartete die Black Queen absolute Treue. Willem Tomdijk und seine Leute mußten wissen, daß sie ihr zu lebenslangem Dank verpflichtet waren. Sie würden Tortuga fest in ihre Hand bringen und dafür sorgen, daß man später die Fühler auf das benachbarte Hispaniola ausstreckte.

      Und die Feinde?

      Die hochgewachsene dunkelhäutige Frau lachte leise vor sich hin. Jean Ribault und diese kleine Hexe, die sich Rote Korsarin nannte, mußte die Nase gestrichen voll haben. Das galt auch für ihre Verbündeten. Allesamt mußten sie begriffen haben, daß sie ihr, der künftigen Herrscherin der Karibik, nicht im Traum das Wasser reichen konnten.

      Trotzdem durfte man nicht unvorsichtig werden. Ein paar Tage hatte die Black Queen ihren Untergebenen Ruhe gegönnt. Jetzt aber galt es, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

      Dieser hochgewachsene Mann an Bord der „Isabella“ war ihr nicht ganz geheuer. Seewolf nannten sie ihn, und bei den letzten Auseinandersetzungen vor Gran Cayman und Tortuga hatte die Queen gemerkt, daß der Mann seinen Beinamen