Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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      „Schon gut, ich will dich nicht drängen“, sagte El Tiburon. „Aber überlege es dir. Es wird nicht zu deinem Nachteil sein. Die Queen ist dir für deinen Hinweis bestimmt dankbar. Hör zu: Morgen um die gleiche Zeit bin ich wieder hier. Wenn die Queen Interesse an meiner Botschaft hat, kann sie entweder selbst zur Stelle sein oder einen Boten schicken.“

      „Ich verspreche dir gar nichts, Joaquin.“ Manoletos Gesicht nahm einen traurigen, fast weinerlichen Ausdruck an. „So ist das in meinem Beruf. Man glaubt, etwas für seine Mitmenschen tun zu können, aber oft steht man selbst hilflos da und beschränkt sich darauf, Wein auszuschenken.“

      „Sicher.“ El Tiburon klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter, dann zahlte er seine Zeche. „Irgendwie bin ich davon überzeugt, daß meine Botschaft die Queen erreicht“, sagte er, bevor er „El Escarabajo“ verließ.

      Er kehrte zum Ankerplatz der Pinasse zurück, legte unterwegs aber mehrfach Pausen ein, um sich zu vergewissern, daß ihm niemand folgte. Sein Argwohn schien aber unbegründet zu sein. Niemand war ihm auf den Fersen. Unbehelligt erreichte er Rosario und die anderen, die es sich an Bord der Pinasse gemütlich gemacht hatten und eine Flasche Rum kreisen ließen.

      „Hallo!“ stieß Rosario überrascht hervor. „So früh hatten wir dich gar nicht zurückerwartet. Hat das große Treffen mit der Black Queen schon stattgefunden?“

      „Nein“, entgegnete El Tiburon. Dann berichtete er über seine Unterhaltung mit Manoleto in „El Escarabajo.“

      „Ja, Manoleto“, sagte Fango. „Das ist eine ganz üble Ratte. Nimm dich vor dem Hund in acht, El Tiburon. Er ist gerissen und verschlagen – und schwatzhaft obendrein.“

      „Eben. Dann habe ich mich also an den richtigen Mann gewandt.“ El Tiburon lachte, wurde aber rasch wieder ernst.

      Er begann, sich auf seine Zusammenkunft mit der Queen vorzubereiten. Rosario bot ihm Waffen aus seinen Beständen an, und El Tiburon suchte sich ein Messer mit handtellerbreiter Klinge und einen Radschloßdrehling aus, den die Verbündeten vor einiger Zeit einem Spanier abgenommen hatten.

      „Mit dem Mehrschüsser habe ich schon manchen guten Treffer gelandet“, sagte Rosario. „Du wirst deine Freude daran haben.“

      El Tiburon drehte die Waffentrommel und spannte probeweise den Hahn. Der Drehling war bestens geölt und lag gut in der Hand. El Tiburon legte ihn beiseite und nahm die Flasche entgegen. Er prostete seinen Begleitern zu, trank und dachte an seine Rache.

       6.

      Früher oder später, so rechnete Hasard sich schon seit einiger Zeit aus, mußte es wieder einen Zusammenstoß mit den Spaniern geben. Fort St. Augustine, Pirates’ Cove, Pensacola, die Mündung des Mississippi, der Lake Pontchartrain und schließlich Vera Cruz – alle diese Geschehnisse waren auf der Seite des Gegners natürlich nicht in Vergessenheit geraten. Die Spanier sannen auf Rache, überall konnte man auf ihre Kriegsgaleonen treffen.

      Das Unvermeidliche nahm seinen Lauf, als die „Isabella IX.“ und die „Le Vengeur III.“ auf Südostkurs in Richtung Punta Gorda segelnd in der Höhe der Silver Bank zwei spanischen Kriegsgaleonen begegneten, die sich offensichtlich auf Patrouillenfahrt befanden.

      Bill, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Ausguckposten befand, sichtete die Schiffe rechtzeitig genug vom Großmars der „Isabella“ aus. Sofort gab der Seewolf den Befehl, das Schiff klar zum Gefecht zu rüsten. Auch Jean Ribault schickte seine Männer an die Kanonen.

      Von nun an wurden die Spanier von beiden Schiffen aus scharf beobachtet. Die Kriegsgaleonen segelten mit raumem Wind auf westlichen Kurs, ihre Kapitäne schienen nicht daran zu denken, die Richtung zu wechseln. Ihre Toppgasten hatten die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ natürlich auch längst entdeckt, und aus dem Auf und Ab an Deck war zu schließen, daß die Mannschaften ebenfalls ihre Gefechtsstationen besetzten. Im stumpfen Winkel bewegten sich die beiden feindlichen Gruppen aufeinander zu. Der Wind wehte frisch aus Nordosten und war somit sowohl für die „Isabella“ und ihren Begleiter als auch für die Spanier günstig.

      „Die Dons fühlen sich stark“, sagte Hasard zu Ben Brighton, Shane, Ferris Tucker und Old O’Flynn, die sich auf dem Achterdeck der „Isabella IX.“ um ihn versammelt hatten. „Und wahrscheinlich haben sie uns identifiziert.“

      „Spanier luven an!“ rief Bill aus dem Großmars. „Die erste Galeone hat zwanzig, die zweite sechzehn Kanonen!“

      „Zwei Strich Backbord!“ schrie Hasard. „Wir luven ebenfalls an! Er versucht, die Luvposition zu gewinnen, aber das lassen wir nicht zu!“

      „Zwei Strich Backbord!“ bestätigte Nils Larsen, der zur Zeit das Ruder führte. „Neuer Kurs liegt an, Sir!“

      „Das Feuer in den Becken schüren!“ brüllte auf dem Hauptdeck Carberry. „Klar bei Lunten, Männer, es gibt Zunder! Zeigen wir dem Don, was wir von ihm halten!“

      Die Stückpforten der „Isabella“ wurden hochgezogen, die Geschütze ausgerannt. Jean Ribault war mit der „Le Vengeur III.“ gleichfalls gefechtsbereit und hielt sich eine Kabellänge schräg Backbord achteraus. Gespannt verfolgten die Männer auf beiden Schiffen, was weiter an Bord der beiden Kriegsgaleonen geschah.

      Die Entfernung war zusammengeschrumpft, beide Gegner waren nahezu auf Schußweite aneinander heran. Hasard versuchte, durch sein Spektiv die Namen der Schiffe zu erkennen. Die Führungsgaleone, soviel fand er heraus, hieß „San Francisco“. Der Name des anderen Schiffes war nicht festzustellen.

      Eiskalt ließ Hasard den Gegner aufsegeln und wartete ab. Die Schußentfernung war jetzt erreicht. Hasard war an einer Auseinandersetzung nicht gelegen, er verlor dadurch nur Zeit. Aber ausweichen konnte und wollte er nicht. Somit hatte er nur die eine Wahl. Er mußte dem Schicksal seinen Lauf lassen.

      Eine Rauchwolke puffte von der „San Francisco“ in den Nachmittagshimmel hoch, aus einem der Buggeschütze hatte sich ein Schuß gelöst. Jetzt rollte auch der Donner heran, und wenig später landete die Kugel – Siebzehnpfünder- oder vielleicht sogar Zwanzigpfünderkaliber – vor der „Isabella“ im Wasser. Eine imposante Wasserfontäne stieg aus der See auf. Sie schien für einen Atemzug stillzustehen, dann fiel sie rauschend wieder in sich zusammen.

      „Das war die Herausforderung“, sagte Hasard. „Wir nehmen sie an. Weiter anluven! Wir gehen fast in den Wind, und wenn es nötig ist, gehen wir über Stag! Versuchen wir, ihn von Luv zu fassen zu kriegen!“

      Kaum zeigte die „Isabella“ Anstalten, in den Wind zu drehen, reagierte der Kapitän der „San Francisco“. Auch er luvte weiter an, geriet dabei aber ins Hintertreffen. Seine Galeone war etwas schwerfälliger als die „Isabella“.

      Hasard ging mit seinem Schiff tatsächlich durch den Wind und ließ aus der anschließenden Wende heraus die Steuerbordkanonen zünden, als der Zeitpunkt günstig war. Donnernd entließen die Rohre ihre Ladungen, die Feuerzungen blitzten vor den Mündungen auf. Eine volle Breitseite raste zum Spanier hinüber. Hasard hatte sich entschlossen, sofort alle Register zu ziehen.

      Die „Le Vengeur III.“ lief unterdessen in Lee an der „Isabella“ vorbei und griff die zweite Kriegsgaleone in einem tollkühnen Ausfall an. Es war ein riskantes Unternehmen, den Feind von Lee anzugehen, aber Ribault wagte es, weil er wußte, daß der Spanier nicht damit rechnete.

      Auch die Kanonen der „Le Vengeur“ krachten und donnerten, eine halbe Backbordbreitseite hagelte auf die zweite Kriegsgaleone ein. Deren Kapitän brüllte: „Feuer!“ Zur selben Zeit feuerte auch die „San Francisco“.

      Das Donnern und Grollen der Geschütze war ohrenbetäubend. Fetter schwarzer Rauch stieg auf und bewegte sich zwischen den Schiffen. Das Inferno hatte begonnen, der Ausgang der Schlacht war ungewiß, denn das Kräfteverhältnis war zwischen den beiden Gegnern gleich verteilt.

      Der Seewolf war mit der „Isabella“ über Stag gegangen, ließ vom Wind abfallen und brachte die Geschütze