Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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Innerlich bereitete sich Joaquin auf alles vor. Er hatte sich zurechtgelegt, was er sagen würde und war auf jede Frage gefaßt. Er war ziemlich sicher, daß er sich nicht versprechen und verraten würde. Aber er mußte höllisch aufpassen. Wenn die Queen so gefährlich war, wie sie ihm beschrieben worden war, würde es nicht leicht sein, sie hinters Licht zu führen.

      Genau das aber hatte El Tiburon vor. Würde es ihm gelingen oder hatte er sich zuviel vorgenommen? Der Seewolf hatte es schwer gehabt, den Verband der Queen zu zerschlagen. Schon viele Männer hatten sich an dieser Frau die Zähne ausgebissen.

      Aber er, El Tiburon, konnte nicht nur gegen Haie kämpfen. Er hatte allein dem Busch getrotzt und die Selva und ihre Tücken besiegt. Er hatte viele Gefechte miterlebt und wußte sich unter Raubtieren zu bewegen, vierbeinigen und zweibeinigen. Was er sich in den Kopf setzte, das schaffte er in den meisten Fällen auch. Sein ganzer Stolz würde es sein, dem Seewolf zu begegnen und ihm von seinem Sieg über die Queen zu berichten.

      Aber soweit war er noch nicht. Sein Fußmarsch erfuhr eine kurze Unterbrechung, als er auf eine Bucht unweit von Punta Gorda stieß, in der ein Schiff vor Anker lag. Vorsichtig schlich er sich an, so weit, daß er es aus einem Versteck im Dickicht beobachten konnte.

      Unwillkürlich hielt er den Atem an. Kein Zweifel, nach den Beschreibungen, die er auf Tortuga vernommen hatte, handelte es sich um den Zweidecker der Black Queen. Oder irrte er sich? Der Name „Caribian Queen“ war nirgends zu erkennen, weder am Bug noch am Heck. Niemand war an Bord zu sehen. Er spähte durch seinen Kieker, entdeckte aber auch jetzt niemanden. Totenstille herrschte. Kein Boot lag am Ufer. Wenn die Mannschaft an Land gegangen war, dann hatte sie ihr Beiboot gut versteckt und entsprechend getarnt.

      Er lohnte sich nicht, danach zu suchen. Die Idee, an Bord des dunklen, unheimlich wirkenden Schiffes zu entern, beschäftigte nur kurz El Tiburons Gedanken. Wahnsinn – was gewann er, wenn er den Versuch unternahm? Vielleicht lauerten an Bord Kerle, die nur darauf warteten, über einen ungebetenen Gast herzufallen. El Tiburon verwarf den Plan, kaum, daß er ihn gefaßt hatte.

      Das Schiff schien ein drohender Bote des Unheils zu sein. Er tat nur gut daran, ihm vorläufig keine weitere Beachtung zu schenken. In Punta Gorda würde er mehr erfahren – vor allem, ob es sich tatsächlich um die „Caribian Queen“ handelte, wie er vermutete.

      Einen richtigen Reim konnte er sich auf den Zweidecker also nicht bilden. Er wunderte sich nur, daß er hier vor Anker lag und nicht im Hafen von Punta Gorda.

      Er setzte seinen Weg nach Punta Gorda fort und langte kurze Zeit später in dem kleinen Hafen an. Hier herrschte ein reges, buntes Treiben. Die Ankunft des schlanken, dunkelhaarigen Mannes schien überhaupt nicht aufzufallen. Dennoch hatte er den Eindruck, daß ihn hier und dort Augen aufmerksam musterten. Ein bulliger Kerl zum Beispiel, der mit drei anderen an den Piers herumlungerte, schickte ihm einen Blick zu, der nicht auf Freundlichkeit schließen ließ.

      Dieser Mann – so sollte El Tiburon noch erfahren – war Lee Crapper, und bei ihm waren Larsky, T-Bone und Norimbergo. Sie waren Bukanier, aber nicht von der Sorte wie Rosario und Joaquin Solimonte. Sie waren aus schlechtem Holz geschnitzt und spielten mit dem Gedanken, bei der Black Queen anzuheuern – die Frau war ganz nach ihrem derben Geschmack.

      El Tiburon tat so, als bemerke er die Blicke nicht. Unbeirrt steuerte er auf sein Ziel zu, die Hafenkneipe „El Escarabajo“. Er betrat sie durch den Perlenschnurvorhang der Rundbogentür und blieb stehen. Seine Augen mußten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen, er war vom draußen herrschenden Sonnenlicht wie geblendet.

      Manoleto, der Wirt, nahm einen schmutzstarrenden Lappen zur Hand und bewegte ihn mit aufreizender Langsamkeit über die Holzplatte der Theke, die auch energischen Reinigungsversuchen erfolgreich standgehalten hatte. Immer wenn ein Fremder die Spelunke betrat, widmete sich Manoleto dieser sinnbildlichen Tätigkeit, aber nicht einmal er selbst wußte, welchen Zweck das hatte. Seine flinken kleinen Rattenaugen waren auf El Tiburon gerichtet, der jetzt auf die Theke zuschritt.

      El Tiburon legte die Hände auf die Platte, zog sie aber rasch wieder zurück. Das Holz war klebrig, man hatte unwillkürlich das Gefühl, daran haften zu bleiben. Alles schien außerordentlich schmierig zu sein.

      Der Wirt selbst war eine der dreckigsten Ratten, die er je gesehen hatte. Er konnte sich nicht entsinnen, ob dieser Mann schon in Punta Gorda gewesen war, als er vor zwei Jahren hier eingekehrt war. Vielleicht hatte die Kneipe damals auch einen anderen Namen gehabt. Jetzt hieß sie treffend „Der Käfer“. Von Kakerlaken und Schaben, Wanzen und Läusen schien es nur so zu wimmeln.

      „Was darf’s sein?“ fragte Manoleto in der ihm eigenen unterwürfigen Art. „Wenn man von so weit herkommt, hat man sicher großen Durst. Ich habe guten Rotwein, aber auch einen feinen Weißwein. Der löscht den Durst noch besser.“

      „Weißwein ist richtig für mich“, sagte El Tiburon. „Aber sehe ich so aus, als hätte ich eine lange Reise hinter mir? Woran erkennt man das?“

      „Ach, ich habe das nur so dahingesagt“, erwiderte Manoleto ausweichend. Er holte einen Krug, füllte einen Becher randvoll und schob ihn El Tiburon zu, aber dieser deutete auf einen zweiten Becher.

      „Schenk dir selbst auch ein“, sagte er. „Ich gebe einen für dich aus.“ Er kostete von dem Wein, obwohl er skeptisch war. Erstaunlicherweise schmeckte er aber doch sehr gut, wie Manoleto versichert hatte.

      Manoleto fühlte sich geschmeichelt. Er trank und gab ein genüßliches Schmatzen von sich, als er den Becher wieder absetzte.

      „Es geschieht nicht oft, daß ein Fremder etwas für mich spendiert“, sagte er. „Schönen Dank, Amigo. Ich heiße Manoleto.“

      „Und ich Joaquin Solimonte. Ein Fischerboot hat mich in der Nähe abgesetzt, die Leute haben mich freundlicherweise von Tortuga mitgenommen.“

      „Tortuga, so, so. Und was führt dich her? Brauchst du was? Eine Frau? Proviant, Wasser, Wein, eine Pistole oder einen Säbel?“

      El Tiburon lachte. „Nichts von alledem. Eigentlich suche ich nur jemanden, mit dem ich ein vertrauliches Gespräch führen kann.“

      Manoleto war hellhörig geworden. „Da bist du bei mir genau an der richtigen Adresse. Ich kann schweigen wie ein Grab. Ist jemand hinter dir her?“

      „Auch das nicht. Gilbert Sarraux und Joao Nazario schicken mich als Boten.“ El Tiburon beugte sich vor und senkte die Stimme, als er dies sagte. Er hatte eine Verschwörermiene aufgesetzt und war sicher, die Neugier des schmierigen Kerls geweckt zu haben. „Du kennst die beiden doch, oder?“

      „Natürlich, sie stammen ja aus Punta Gorda. Ich meine, sie leben schon seit einiger Zeit hier. Bist du – ihr Freund?“

      „So ist es.“

      „Feine Kerle, die beiden.“ Manoleto seufzte. „Solche Männer hat man gern um sich herum, man kann sich auf sie verlassen. Willst du noch einen Schluck Wein?“

      „Ja.“ El Tiburon sah zu, wie der Kerl seinen Becher füllte und bedeutete ihm, sich selbst auch wieder zu bedienen. Es bereitete ihm Spaß, ihn ein wenig auf die Folter zu spannen.

      „Welche Nachricht haben Sarraux und Nazario denn für mich?“ fragte Manoleto, der vor Ungeduld ganz zappelig wurde. „Eigentlich wundert es mich, daß sie sich an mich wenden.“

      „Sie stecken in der Klemme – bis zum Hals.“

      „Wie kann ich ihnen helfen?“

      „Mir ist daran gelegen, ein Treffen mit der Black Queen zu vereinbaren“, erwiderte El Tiburon. „Ich soll ihr erste geheime Nachrichten übermitteln.“

      „Die Black Queen? Wer ist denn das? Ich hab noch nie was von der gehört.“

      El Tiburon grinste. „Klar. Und du weißt von nichts und niemandem, oder?“

      „Erraten. Du scheinst ein kluger Mann zu sein.“ Manoleto mußte ebenfalls grinsen. Er trank geräuschvoll. „Ich möchte keine Schwierigkeiten haben, verstehst du?“

      „Dafür