so schnell, daß die Besatzung des überfallenen Schiffes meistens völlig überrumpelt war.
Die Nacht senkte sich über See und Insel, es wurde stockdunkel. Schweigend verrichteten die Männer an Bord der Pinasse ihre Manöver. Bald gingen sie auf östlichen Kurs und hielten ihren Einmaster am Wind, der immer noch aus Nordosten wehte.
Rosario, O’Toole, Fango und die anderen stellten El Tiburon vorläufig keine Fragen mehr. Er sagte ihnen noch nichts über seine genauen Absichten. Sie unterstellten sich bedingungslos seinem und Rosarios Kommando. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, in der jeder vorbehaltlos für den anderen eintrat. El Tiburons Sache war jetzt auch ihre Sache. Was sie in Punta Gorda erwartete, stand auf einem anderen Blatt. Sie würden ihre Handlungen den Gegebenheiten anpassen.
Im Heraufziehen des neuen Tages erreichte Arne von Manteuffel mit der „Wappen von Kolberg“ die Schlangen-Insel. Mit geblähtem Zeug fiel die Galeone vom Wind ab und glitt dann, von der Crew mit großem Geschick gesteuert, durch den gefährlichen Mahlstrom. Der Felsendom nahm sie auf und ließ sie wieder frei. Sie schob sich in die Bucht, drehte bei und ging vor Anker.
Hier lagen die „Isabella IX.“, die „Le Vengeur III.“, der Schwarze Segler und die „Tortuga“ vor Anker. Die Bordwachen liefen auf den Decks zusammen, es wurde gejohlt und gewinkt.
Arne und seine Männer grüßten zurück, dann wurde das Beiboot der „Wappen von Kolberg“ abgefiert, und Arne, Oliver O’Brien, Renke Eggens, Hein Ropers und zwei Decksleute enterten ab. Sie nahmen auf den Duchten Platz, legten ab und pullten an Land, wo sich bereits alles versammelt hatte.
Kaum hatte sich der Bug des Bootes in den Uferstand geschoben, sprang Arne an Land und ging zu seinem Vetter. Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal, Jerry Reeves, Karl von Hutten, Arkana, Araua, Ramsgate, Gotlinde und Ben Brighton bildeten den Kern der Gruppe, die sich um Arne und dessen Begleiter scharte.
„Schlechte Nachrichten?“ fragte Hasard.
„Ja und nein“, entgegnete Arne.
Dann berichtete er in aller Eile, was sich seit dem Auslaufen von Hasards Verband aus der Bucht von Tortuga auf der Insel zugetragen hatte.
Wer bis jetzt noch etwas schlaftrunken in die Morgenluft geblinzelt hatte, war mit einem Schlag hellwach. Carberry, der hinter Ben Brighton stand, ließ einen saftigen Fluch vernehmen und wollte auch noch etwas hinzufügen, verstummte aber, als er den zurechtweisenden Blick von Gotlinde wahrnahm.
Hasard wartete, bis sein Vetter den Bericht abgeschlossen hatte. Dann sagte er: „Die Black Queen ist also wieder aufgetaucht. Kein Wunder – wir hätten damit rechnen müssen. Um Esther und El Tiburon tut es mir leid, ihr Tod ist absurd und sinnlos. Was geschehen ist, hätte nicht passieren dürfen. Aber wir können es nicht mehr ändern. Nur einen Trumpf haben wir jetzt: Wir wissen, wo sich die Queen aufhält und auf die Rückkehr ihrer beiden Agenten Sarraux und Nazario wartet.“
„Das sollten wir ausnutzen“, sagte Jean Ribault. „Sie ahnt nicht, daß wir bereits alles erfahren haben.“
„Mit anderen Worten, wir haben eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung – bis zu dem Moment, in dem sie mißtrauisch wird und etwas zu ahnen beginnt“, sagte Siri-Tong. „Eine bessere Gelegenheit, ihr nun doch den entscheidenden Schlag zu versetzen, gibt es für uns nicht.“
„Immer wieder ist es ihr geglückt, uns zu entwischen“, sagte Thorfin Njal grimmig. „Wie wäre es, wenn wir sie diesmal festnageln würden? In Punta Gorda müßte es gelingen, da sitzt sie in der Falle.“
Gotlinde stemmte die Fäuste in die Seiten. „Ihr lauft also wieder aus? Bei Odin und allen Göttern, Thorfin, da habe ich ja wohl ein Wörtchen mitzureden.“
„Einen Augenblick“, sagte der Seewolf. „So weit sind wir noch nicht. Der Bund der Korsaren tritt unverzüglich zur Beratung zusammen. Arne, ich schlage vor, du kehrst sofort nach Tortuga zurück, sobald wir abgestimmt haben, was zu tun ist. Dies ist mein erster Antrag, wir sollten sofort darüber entscheiden.“
Kurze Zeit später wurde der Antrag einstimmig gutgeheißen – der Bund der Korsaren hockte beisammen, diesmal allerdings nicht auf dem Ratsfelsen der Schlangen-Insel, sondern aus Zeitgründen am Strand der Bucht.
Arne von Manteuffel sollte mit der „Wappen von Kolberg“ wieder in der Hafenbucht von Tortuga ankern und seine Kontrollfunktion fortsetzen. Seine vordringliche Aufgabe war es, die Dinge im Griff zu behalten und die Spione Sarraux und Nazario zu bewachen, die vorerst auf Nummer Sicher blieben. Erst wenn der Seewolf mit seinem Verband Tortuga anlief, sollte über – das weitere Schicksal des Bretonen und des Portugiesen entschieden werden.
„Nun mein nächster Vorschlag“, sagte Hasard. „Wir sollten nicht lange fackeln und sofort nach Punta Gorda segeln – mit der ‚Isabella‘ und der ‚Le Vengeur‘. Nur so haben wir eine Chance, die Black Queen noch zu erwischen. Der Schwarze Segler und die ‚Tortuga‘ bleiben hier.“
„Bei Geri und Freki, Odins Raben, nein!“ Thorfin Njal hieb mit der Faust in den Sand, daß eine Fontäne hochspritzte. „Das lasse ich nicht zu! Das könnte euch so passen, ohne mich zu segeln! Ich habe mit der schwarzen Satanswalküre auch noch ein Hühnchen zu rupfen und eine Rechnung zu begleichen, vergeßt das nicht!“
„Gotlinde hast du wohl ganz vergessen, was?“ sagte die Rote Korsarin. „Sie hat recht – es wird Zeit, daß du dich um sie kümmerst. Eine Ehefrau, die guter Hoffnung ist, läßt man nicht dauernd allein, oder hast du das immer noch nicht begriffen, du ungehobelter Klotz?“
Jean Ribault konnte sich eines Grinsens nicht erwehren. „Das gehört nun mal zu den Pflichten eines treusorgenden Ehemannes. Daran muß sich auch ein Thorfin Njal gewöhnen. Da hilft kein Fluchen und kein Protestieren.“
„Unfaßbar“, sagte der Wikinger „Ihr seid also alle gegen mich?“
„Stimmen wir ab“, sagte der Seewolf. „Hand hoch, wer dafür ist, daß Thorfin auf der Schlangen-Insel bleibt.“
Er selbst hob die rechte Hand. Siri-Tong, Ribault, Arne und Jerry Reeves folgten seinem Beispiel. Der Wikinger saß da wie vom Donner gerührt. Dann weiteten sich seine Augen, er lief rot an und brüllte: „Hand hoch, wer dafür ist, daß ich mit nach Punta Gorda segle!“
Diesmal riß nur er den Arm hoch, sonst rührte sich keiner. Fast sah es so aus, als sträube sich sein Bart vor lauter Wut. Aber er nahm die Entscheidung hin.
„Na schön“, sagte er grollend, „dann bleibe ich eben hier. Aber ihr beißt euch vor Ärger noch selbst wohin, ihr Hänflinge, nämlich dann, wenn ihr mit der schwarzen Hexe aneinandergeratet und dringend meine Unterstützung braucht.“
„Richtig“, sagte Ribault. „Wir haben ja auch noch nie etwas ohne die Hilfe des Wikingers unternommen. Du bist unsere Amme, Thorfin, aber wir strampeln uns trotzdem zurecht, glaub es mir.“
„Du mit deinen Sprüchen“, brummte der Nordmann. „Du kannst mich ruhig anöden, aber du wirst trotzdem noch an meine Worte denken.“
Er verspürte Lust, sich den Helm vom Kopf zu reißen und ihn in den Sand zu knallen, aber wieder bezwang er sich. Gotlinde stand außerdem nicht weit entfernt und sandte immer wieder neugierige Blicke zu ihnen herüber. Es sollte nicht so wirken, als wolle er partout nicht bei ihr bleiben. Das gab erst recht böses Blut. Teufel, was für eine Situation! Es gab keinen Ausweg.
Hasard sah den Wikinger an und konnte sich nur schwer ein Lachen verkneifen. „Du bleibst also hier, Punktum und basta. Tröste dich, auch Siri-Tong ist diesmal nicht mit von der Partie.“
„Richtig“, erklärte die Rote Korsarin. „Ich leiste Gotlinde, dir und allen anderen Gesellschaft, Thorfin. Was sagst du jetzt?“
Er war sprachlos, blickte vom einen zum anderen und begriff nicht, was geschah. Er fixierte Ribault aus schmal werdenden Augen und beugte sich etwas vor. „Was hat das zu bedeuten? Verdammt, kannst du mir erklären, was hier gespielt wird?“
„Ja“, erwiderte der Franzose fröhlich grinsend. „Ich weiß