Martin Trevisan, er wird diese Abteilung übernehmen, nachdem Kollege Bloom endgültig nach Oldenburg umgesetzt wurde. Er war schon einmal hier und leitete das 1. Fachkommissariat.«
Trevisan nickte den Anwesenden zu.
»Martin, schön, dass du wieder hier bist«, begrüßte ihn Monika, die sich in die vordere Reihe gesetzt hatte.
»Jetzt lasse ich Sie am besten alleine, damit Sie Ihre neuen Kolleginnen und Kollegen kennenlernen. Wir haben hier eine Ermittlungsabteilung und die Fahndung, ich denke, Sie werden schnell den Überblick haben. Wenn Sie noch Fragen haben, Sie wissen, wo Sie mich finden. Wir pflegen hier eine offene Kultur des Umganges, mein Büro steht Ihnen jederzeit offen.« Mit einem kurzen Nicken verabschiedete sich die Inspektionsleiterin.
»Soso, Erster Polizeihauptkommissar«, murmelte Monika. »Hier habe ich es leider nicht so weit gebracht, aber wie heißt es immer: Die guten Stellen sind eben bei der Direktion und nicht auf der Straße.«
Trevisan zwinkerte ihr zu. »Genau da komme ich her.«
»Wie geht es Paula?«
»Es geht ihr gut, sie hat mir deine Grüße bestellt.«
»Ja, ich war überrascht, als sie mir erzählte, dass du jetzt auf dem Peerenhof wohnst und noch überraschter war ich, als ich von deiner Bewerbung hörte. Es gibt selten Leute in unseren Reihen, die im Alter wieder zurück auf die Straße wollen.«
»Tja, dann bin ich wohl die Ausnahme. Außerdem fühle ich mich immer noch jung …«
Bevor er weitersprechen konnte, betrat ein uniformierter Kollege den Raum. »Entschuldigen Sie, leider gibt es unangenehme Nachrichten. Auf dem Jakobshof bei Friederikensiel hat der Postbote eine Leiche gefunden, die Kollegen von der Streife sind schon auf Anfahrt. Es sieht nach einem Verbrechen aus.«
Monika Sander erhob sich. »Tja, geht schon gut los, dein erster Arbeitstag. Eigentlich hatten wir es in den letzten Wochen und Monaten sehr ruhig hier. Offenbar ziehst du Mord und Totschlag irgendwie an. Trotzdem, herzlich willkommen in Wilhelmshaven.«
2
Donnerstag
Er war wieder an der Küste und er spürte es deutlich, das Wetter schlug um. Es war kurz nach Mittag und vor die Sonne schoben sich dichte graue Wolken. Der Wind hatte gedreht und blies die Wolkenschirme von Nordost auf das Festland zu. Der sonnige Vormittag sollte wohl nur ein kurzer Ausblick auf den bevorstehenden Frühling gewesen sein. Trevisan zog seinen Jackenkragen höher, als er über den Parkplatz lief und zu Monika Sander in den Wagen stieg. Sie fuhren über die Bismarckstraße aus der Stadt hinaus und schlugen den Weg nach Schortens ein.
»Na, wie ist es dir so ergangen in der großen weiten Welt?«, fragte Monika, als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten.
»Große weite Welt ist ganz schön übertrieben«, entgegnete Trevisan. »Wie geht es Peter und den Kindern?«
»Geht so.«
Er zögerte einen Augenblick. »Ich weiß, dass du dich auch auf die Stelle beworben hast, ich hoffe, du hast kein Problem damit, dass ich …«
»Nein, ich bin sogar froh darüber, dass du wieder zurückgekommen bist. Bloom war nicht so ganz mein Fall, er wusste alles besser. Ich hoffe, es wird so wie früher, ich finde, es war eine schöne Zeit.«
»Das hoffe ich auch, wenngleich diese Schreibtischjobs einen anderen Menschen aus dir machen … Da wird man irgendwann zum reinen Bürokraten, der schön brav in der Stube sitzt und den Blick über den Tellerrand meidet, damit er sich nicht immer dafür entschuldigen muss, wie gut es ihm geht.«
»Weshalb bist du zurückgekommen?«, fragte Monika.
»Ehrlich gesagt wegen der Entfernung. Ich wohne inzwischen in Horumersiel …«
»Ich weiß, du hast zusammen mit deiner Lebensgefährtin den Peerenhof gekauft.«
»Ich wollte eigentlich immer wieder zurück, weder in Hannover noch in Oldenburg habe ich mich richtig zu Hause gefühlt. Eigentlich hätte ich schon viel früher zurückkommen sollen, aber es gab keine Stelle.«
»Ist es auch wegen Paula?«
Trevisan hob den Finger vor den Mund. »Wenn du mich nicht verrätst …: Paula ist zwar erwachsen, aber das Loslassen, nach allem, was war, ist nicht so einfach. Ich brauche die Nähe zu ihr. Sicher hat Dänemark etwas damit zu tun … Ich weiß es nicht … Aber ich fühle mich einfach sicherer, wenn ich in ihrer Nähe bin.«
»Das verstehe ich. Mein Junge studiert in Marburg. Ich sehe ihn nur noch selten und Peter ist inzwischen bei einer Firma eingestiegen, die Industrieprojekte plant. Nichts mehr mit dem kleinen Büro im Haus, er ist gerade in Kanada und kommt, wenn es gut geht, Ende des Monats zurück. Tja, so ändern sich die Zeiten.«
»Wo sind eigentlich Tina und Alex abgeblieben?«, fragte Trevisan.
»Tina ist in Emden und Alex ist dir zum LKA gefolgt. Organisierte Kriminalität, da ist er inzwischen eine ganz große Nummer. Dietmar hat es an die Polizeischule gezogen, er unterrichtet Eingriffsrecht in Nienburg.«
»Ich weiß, ich bin ihm dort begegnet, als ich den Präventionslehrgang gemacht habe.«
»Prävention, das klingt … spannend«, entgegnete Monika mit einem Lächeln.
»Tja, unsere Königsdisziplin. Tu was, bevor es passiert, damit es nicht passiert.«
»Ja, ich weiß, ich kenne das Geschwafel, ich habe nebenbei ein Jahr lang die Außenstelle hier betreut.«
Trevisan nickte. »Dann bist du ja bestens im Bilde.«
»Fensterläden, Türschlösser, junge Krakeeler und Altennachmittage, du brauchst mir nichts zu erzählen.«
Bei Hohenkirchen fuhren sie am Wangermeer vorbei, einem künstlichen See, der durch Kleiabbau entstanden und inzwischen zu einer kleinen touristischen Attraktion ausgebaut worden war. Kurz vor Friederikensiel bog Monika links ab und folgte der Straße in Richtung Minsen, bis sie an einen Feldweg kamen, der durch einen Streifenwagen abgesperrt war. Ein Gehöft lag am Ende des Weges, die nächste Siedlung war hunderte von Metern entfernt.
»Der Hof liegt sehr abgeschieden«, murmelte Trevisan.
Monika wandte sich ihm zu. »Ja, recht einsam hier.«
Der Deich war gerade mal einen halben Kilometer entfernt. Monika stoppte den Wagen, als die uniformierte Polizistin mit erhobener Haltekelle hinter dem blau-weißen Passat hervortrat.
»Hallo, Sander, KK Wilhelmshaven«, begrüßte sie die Kollegin, die daraufhin den Weg freigab.
»Na, dann schauen wir mal«, seufzte Trevisan. Zwei Streifenwagen und zwei Zivilfahrzeuge standen bereits auf dem Areal. Ein gelber Wagen der Post parkte an der Zufahrt zur Scheune. »Wo ist die Spurensicherung?«
»Tja, es hat sich so manches geändert«, entgegnete Monika Sander. »Früher musste sie auf uns warten, jetzt ist es umgekehrt. Die kommen aus Oldenburg und das dauert, das brauche ich dir ja nicht zu erzählen.«
Trevisan stieg aus. Ein großer und kräftiger Kollege in Uniform kam auf ihn zu. Monika umrundete den Wagen, und er begrüßte sie. »Schöner Mist, nicht wahr?«
»Das ist Martin Trevisan, mein alter und neuer Chef«, stellte sie ihren Begleiter vor. »Vielleicht kennst du ihn noch.«
»Klar kenne ich ihn noch, Trevisan vom K1. Wir hatten ein paarmal miteinander zu tun.«
Trevisan musterte den uniformierten Beamten mit der Figur eines Ringers, der Mitte vierzig war. So sehr er sich auch anstrengte, kam ihm keine Idee, woher er den Mann kennen sollte.
»Dieter Kronbaum, Polizeistation Fedderwardengroden. Es ist lange her, damals jagten wir einen Brandstifter, der hier an der Küste sein Unwesen trieb.«
»Ja, ich erinnere mich«, entgegnete Trevisan wahrheitswidrig. »Was gibt es hier?«
»Vier