Almut Irmscher

Das Namibia-Lesebuch


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man Schnüre herstellen, die Blätter setzten die Naturvölker zur Wundheilung und als Mittel gegen Magenbeschwerden ein. In kulinarischer Hinsicht taugen die Blätter hingegen nicht, denn sie riechen nach Terpentin.

      Das schreckt allerdings den recht hübsch in Erdfarben gezeichneten Nachtfalter nicht, der auf den Mopaneblättern seine Eier ablegt. Daraus schlüpfen Raupen, die sich von den Blättern ernähren. Und diese Mopane-Raupen wiederum gelten als echte Delikatesse. Die wurmartigen Larven sind nicht nur sehr eiweißreich und damit nahrhaft, sondern sollen knusprig geröstet und mit würzigen Saucen oder als „Mopanewurmsuppe“ serviert auch sehr schmackhaft sein. Stellten sie früher eine saisonale Ergänzung des Speiseplans dar, so werden sie seit einigen Jahrzehnten systematisch eingesammelt und getrocknet oder in Dosen konserviert. So sind sie das ganze Jahr über verfügbar. Das Raupensammeln stellt für viele Menschen zudem eine wichtige Einnahmequelle dar.

      Dass auch Termiten, Schlangen und Heuschrecken einen Platz in der traditionellen Ernährung finden, kann uns nun nicht mehr schockieren. Ein Herero erzählte uns genüsslich davon, wie er und seine Geschwister in der Kindheit Frösche am Wasserloch einsammelten. Diese wurden mit Stumpf und Stiel gekocht, danach wurde die grüne Haut abgezogen und das Fleisch verzehrt.

      Doch wenden wir uns nun den weniger exotisch anmutenden Nahrungsmitteln Namibias zu. Dort, wo nicht ganz so große Dürre herrscht, vornehmlich im Nordosten Namibias, wird Perlhirse angebaut, auch Mahangu genannt, ein Wort aus der Sprache Oshivambo. Mahangu ist recht genügsam und benötigt zum Gedeihen nicht allzu viel Regen. Die Körner schmecken nicht schlecht und haben einen guten Nährwert. Mit Sorghum, einer anderen regionalen Hirseart, vermischt und unter Zugabe von Wasser stellt man daraus Oshikundu her, eine Art Bier. Jeder Haushalt hat dabei sein eigenes Rezept, auch der Alkoholgehalt ist sehr unterschiedlich, wenn auch meist äußerst gering.

      Man bereitet aus Mahangu aber in erster Linie Pap zu, ein Grundnahrungsmittel in Namibia. Während der Kolonialzeit wurde Mais nach Namibia eingeführt, seitdem wird Pap in den meisten Teilen des Landes aus Maismehl zubereitet. Dann spricht man von Mielie- oder auch Mealie-Pap. Dazu mischt man das Mehl mit Wasser und/oder Milch, wobei die Herero Kuhmilch bevorzugen, die Damara hingegen Ziegenmilch. Meist wird zur Zubereitung von Pap Omaere verwendet, eine in Namibia sehr beliebte Sauermilch, die wiederum sowohl aus Kuh- als auch als Ziegenmilch gewonnen wird.

      Pap wird morgens gekocht und zu allen Mahlzeiten des Tages mit der Hand gegessen. Was vom weichen Frühstücksbrei übrig bleibt, trocknet im Lauf der Stunden zu einem festen Fladen heran. Am Abend begleitet dieser dann die Fleischmahlzeit.

      Nun sind wir also endlich beim Fleisch angekommen. Bevor viehzüchtende Völker nach Namibia kamen, wurde dieses durch Jagd erbeutet, das Spektrum der Beutetiere reichte dabei vom Buschhasen bis zur Giraffe. Das Fleisch wurde über dem Feuer geröstet, heute nimmt man den Grill, diese Zubereitungsart heißt in Namibia Braai. Das Wort entstammt der Sprache Afrikaans, das Grillfleisch nennt man Braaivleis, der typische Grill heißt Braaistand. Letzterer hat einen ziemlich großen Rost, denn das Braai genießt einen hohen Stellenwert als gesellschaftliches Ereignis, das bedeutet, dass viele Fleischstücke auf dem Braaistand Platz finden müssen. Man befeuert ihn traditionell mit Holz des Kameldornbaums, denn dessen Glut ist äußerst ergiebig. Trotzdem setzt sich auch in Namibia die praktische Holzkohle immer mehr durch.

      Auf den Braaistand kommt neben den Fleischstücken die Boerewors, eine Bratwurstschnecke aus kräftig gewürztem Hack, meist einer Mischung aus Fleisch von Rind, Lamm, Schwein und Wild.

      Das namibische Rindfleisch wird zu großen Teilen exportiert, vielfach grillt man deshalb Wild, sei es ein Oryx-Steak, eins vom Springbock, vom Kudu, von der Impala-Antilope oder was Namibia sonst noch so an Wildbret zu bieten hat. Das alles ähnelt geschmacklich übrigens mehr oder weniger dem Rindfleisch, weiß man es nicht besser, so bemerkt man den Unterschied meist gar nicht. Und weil Wild aus südafrikanischen Regionen bei uns nur schwer erhältlich ist, werde ich in den entsprechenden Rezepten dieses Buchs geeignete Alternativen angeben.

      Hatten die traditionellen Jäger ein größeres Tier erbeutet, so konnte der Stamm natürlich nicht alles Fleisch auf einmal verzehren. Der Rest wurde deshalb in dünne Streifen geschnitten und getrocknet, ein Prozess, der sich bei den klimatischen Voraussetzungen recht schnell vollzieht. Daraus entwickelten die ab dem 17. Jahrhundert im südlichen Afrika einwandernden Europäer Biltong, der heute in Namibia ein weit verbreitetes Grundnahrungsmittel darstellt. Biltong ist luftgetrocknetes Fleisch, das zuvor mit Essig oder Salpeter (Pökelsalz) behandelt und mit einer Würzmischung eingerieben wird. Essig beziehungsweise Salpeter dienen dabei dazu, ein bestimmtes toxisches Bakterium abzutöten oder zumindest dessen Wachstum zu hemmen. Je nach Durchtrocknungsgrad ist der so behandelte Biltong bis zu zwei Jahre haltbar. Man macht ihn aus allen möglichen Fleischarten, nicht nur Rind, sondern auch Wild wie Strauß, Oryxantilope, Zebra, Kudu oder Springbock wird dafür verwendet. Man kocht Biltong in Eintopfgerichten mit oder verzehrt ihn als Snack, wer ihn kosten möchte, kann ihn auch bei uns übers Internet bestellen.

      Wie man am Beispiel des Biltongs und des Paps bereits erkennt, haben Einwanderer die Küche Namibias maßgeblich beeinflusst. So kommt es, dass diese heute eine breite Palette von Rezepten aufweist, die mitunter gar nicht mehr so afrikanisch wirken. Denn wer würde schon auf die Idee verfallen, Schwarzwälder Kirschtorte als typisch namibischen Leckerbissen zu betrachten?

      Die deutschen Kolonialherren führten eine Vielzahl typischer Gerichte aus ihrer Heimat in Namibias Küche ein. Deshalb findet man hier noch heute Spezialitäten wie Grillhaxe, Bratwurst, Landjäger, Kassler mit Sauerkraut und Kartoffelpüree oder Braten mit Soße, Rotkohl und Klößen. Aber auch frische Brötchen, Vollkornbrot, Pumpernickel, Bienenstich, Käsekuchen oder Apfelstrudel und natürlich die unvermeidliche Schwarzwälder Kirschtorte, ja, sogar Weihnachtsstollen. Auch der Deutschen liebstes Getränk darf nicht fehlen, der Genuss des nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 in Namibia gebrauten Biers gehört längst ganz selbstverständlich zur namibischen Lebensart.

      Die südafrikanischen Buren brachten ihre beliebten Eintopfgerichte mit nach Namibia, die Potjiekos. Dabei schmoren die Zutaten in einem dreibeinigen gusseisernen Topf, dem Potjie, langsam über offenem Feuer, eine praktische Sache, wenn man als nomadisierender Rinderhirte mit dem Ochsenwagen durchs Land zieht. Als Zutaten dienten ursprünglich Reis, Trockenfleisch und was man mit Glück unterwegs noch so fand. Und während der Nacht wurde Teig über der restlichen Glut im Potjie zu Brot gebacken.

      Heute gibt es ein breites Spektrum der verschiedensten Rezepte für Potjiekos. In diesem Zusammenhang möchte ich Günther erwähnen, der in seinem kleinen Restaurant mitten im Nirgendwo der Namib Bobotie serviert, ein Schmorgericht aus Hackfleisch und Gemüse. Das Interessante daran ist, dass seine Kochstelle aus nichts als einer konkaven, mit Alufolie ausgelegten Schüssel besteht. In die Mitte davon stellt Günther einen Topf mit Reis, und allein die Kraft der Wüstensonne sorgt für dessen Garung. Das Bobotie schmort derweil nebenan in einer nach dem gleichen Prinzip funktionierenden Kochstelle, die mit einer Glasplatte abgedeckt ist. Dieser Sonnenbackofen erreicht dabei Temperaturen von bis zu 170 Grad.

      Aus der gleichen Tradition wie Potjiekos und Bobotie stammt Chakalaka, ein pikantes Gemüsegericht, das aus Südafrika nach Namibia importiert wurde. Es entstand wohl ursprünglich, weil alles in einen Topf geworfen wurde, was noch an Essbarem aufzutreiben war. Chakalaka gibt es in verschiedenen geschmacklichen Variationen als Würzsauce, aber auch als Suppe oder Eintopf.

      An der Küste Namibias bereichern Fisch und Meeresfrüchte den Speisezettel, besonders die Austern aus Lüderitz, Walvis Bay und Swakopmund genießen einen exzellenten Ruf. Sie können sich allerdings im kalten Wasser des Benguelastroms nicht vermehren, weshalb Larven als „Saataustern“ importiert werden müssen. Dafür gedeihen sie dann im planktonreichen Wasser umso schneller, eine Größe, zu der Austern anderswo in drei Jahren heranwachsen, erreichen sie hier schon binnen eines einzigen Jahres. Sie sollen ganz hervorragend schmecken. Ich kann das leider nicht beurteilen, obwohl ich mich dazu durchgerungen habe, sie mal zu kosten. Aber für mich ist das einfach nichts. Weitaus sympathischer ist mir da der hoch aromatische grüne Spargel, der im Flussbett des Swakop in Swakopmund angebaut wird und eine lokale Spezialität darstellt.

      Wo Brunnen gute Bewässerungsmöglichkeiten bieten, wird inzwischen in den