Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


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kam auf zehn Meter heran, schließlich auf fünf. Dann hatte ich ihn. Ich sprang ihn an, riss ihn zu Boden. Gemeinsam kamen wir auf dem Asphalt auf. Aber dann reagierte er schneller als ich. Er schleuderte mir das volle MPi-Magazin ins Gesicht und rammte mir gleichzeitig die ungeladene Waffe in den Magen. Ich ächzte. Eine Welle aus Schmerz und Benommenheit durchflutete meinen gesamten Körper.

      Der Flüchtige war schon wieder auf den Beinen. Ich erwischte gerade noch seinen Fuß. Wieder er fiel hin. Und ehe er sich dann rühren konnte, hielt ich ihm die P226 ins Gesicht.

      "Keine Mätzchen mehr", zischte ich. "Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI. Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen. Falls Sie auf dieses Recht verzichten, kann alles, was Sie von nun an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden..."

      Mein Gegenüber sah mich an, als hätte er diesen Spruch nicht zum ersten Mal gehört.

      Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Als er den Kopf drehte, sah ich, dass er am Hals eine Narbe hatte, die sich vom Ohrläppchen fast bis zum Adamsapfel hinzog. Sie sah aus wie aus einer Messerstecherei.

      Der Mann verzog das Gesicht zu einer zynischen Grimasse.

      "Was soll das werden?", fragte er dann.

      "Genau das, was ich gesagt habe! Sie werden uns eine Menge erklären müssen. Und so, wie das für mich auf den ersten Blick aussieht, wird eine Anklage wegen Mordes dabei herauskommen."

      "Da sei dir mal nicht zu sicher, G-man!"

      Ich erhob mich.

      "Aufstehen!", sagte ich.

      Er gehorchte. Dann wies ich ihn an, mit erhobenen Händen die paar Meter bis zur nächste Hauswand zu gehen. Dort stellte er sich hin. Ich durchsuchte ihn nach Waffen. Außer der MPi hatte er nur noch einen Schlagring bei sich. Papiere hatte er auch bei sich. Einen Führerschein auf den Namen David Lennox.

      Außerdem trug er ein Handy bei sich.

      Auch das nahm ich an mich.

      "Warum haben du und dein Komplize die beiden Männer umgebracht?", fragte ich. "Den im zweiten Stock und den im Hinterhof..."

      "Du machst 'nen gewaltigen Fehler, G-man! Glaub mir..."

      "Nein, der Fehler liegt auf deiner Seite!"

      "Du wirst es noch sehen und dir wünschen niemals so eine Dummheit begangen zu haben!", zischte er zwischen den Zähnen hindurch.

      "Mach dir um mich mal keine Sorgen", erwiderte ich kühl.

      Ich registrierte, dass jeder Muskels, jede Sehne seines Körpers angespannt waren. Wie eine Raubkatze, kurz vor dem entscheidenden Sprung, mit dem sie ihre Beute erlegt.

      Ich musste auf der Hut sein.

      Trotz der Tatsache, dass ich im Moment eine P226 in der Hand hielt, während er unbewaffnet war.

      "Hände auf den Rücken!", befahl ich.

      Er gehorchte.

      Ich nahm die Handschellen von meinem Gürtel, legte sie im an und ließ sie ins Schloss schnappen.

      "Wie gesagt, ein großer Fehler, G-man. Dies ist UNSER Gebiet. Hier hat niemand etwas zu sagen... Hier regieren nur wir..."

      "War das auch der Grund, weshalb ihr die beiden über den Jordan geschickt habt?"

      "Das verstehst du nicht, du Cop!"

      "Ich an deiner Stelle würde langsam den Mund aufmachen."

      "Ach, ja?"

      "Besser für dich! Ansonsten kommt dir dein Komplize zuvor und das kann für dich nur von Nachteil sein."

      Er verzog verächtlich das Gesicht.

      Dann spuckte er aus.

      Ich holte indessen das Handy aus der Innentasche meiner Lederjacke heraus. Den Lauf der P226 hielt ich dabei nach wie vor in David Lennox' Richtung.

      Ein Knopfdruck und ich hatte Milo am Apparat.

      "Ich hab den Flüchtigen", sagte ich.

      In diesem Augenblick brausten zwei Geländewagen um die Ecke. Reifen quietschten. Es waren große, sechssitzige Chrysler.

      Die Wagen bremsten.

      Die Türen sprangen auf.

      In dunkles Leder gekleidete Gestalten sprangen heraus.

      Ich wirbelte herum, packte den Gefangenen und stellte ihn vor mich, während mit einem scharf klingenden Ratsch die Waffen der Ledermänner durchgeladen wurden.

      Mit grimmigen Gesichtern starrten sie in meine Richtung.

      Ich blickte in die Läufe von mehr als einem Dutzend Maschinenpistolen.

      "Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr!", knurrte Lennox.

      45

      Mein Handy war noch auf Empfang. Milo konnte mit anhören, was hier geschah.

      "Wir lassen dich gehen, wenn du unseren Mann freilässt!", sagte einer aus der düsteren Gang. Er kaute die ganze Zeit auf irgendetwas herum, so dass man ihn ziemlich schlecht verstehen konnte.

      "Na, dann kann ich ja wohl gehen", meinte Lennox selbstbewusst.

      Ich drückte ihm die P226 in den Rücken.

      "Du bleibst, wo du bist!", erwiderte ich.

      Lennox erstarrte.

      Einige Sekunden lang herrschte angespanntes Schweigen.

      Niemand rührte sich.

      "Du hast keine Chance, G-man!", meinte Lennox dann. "Meine Leute machen aus dir ein Sieb, wenn du dich hier weiter wie ein Paragraphenreiter aufführst..."

      "Deine Leute wissen hoffentlich, dass auf Polizistenmord im Staat New York die Todesstrafe steht!"

      Ich bewegte mich rückwärts, in Richtung der Einfahrt zum Hinterhof. Lennox zog ich mit mir.

      "Was soll das denn, unternehmt doch was, verdammt!"

      Seine Gang stand ratlos da.

      Sie konnten nicht schießen, ohne auch Lennox zu treffen.

      Schritt um Schritt wich ich zurück und zog dabei Lennox mit mir. Dann hörte ich Schritte in meinem Rücken.

      Ein Ruck ging durch die Gang, als sie Milo mit der Waffe im Anschlag auftauchen sahen. Ein Wagen bog um die Ecke und sauste in die enge Seitenstraße hinein. Die Bremsen quietschten.