Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


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      Wenig später standen wir vor der Tür zu Mancusos Wohnung. Milo betätigte die Klingel. Keine Reaktion.

      Milo probierte es ein zweites Mal. „Mister Mancuso?“, rief ich. „Hier ist das FBI! Machen Sie bitte auf!“

      Ich drückte leicht gegen die Tür. Sie war nur angelehnt und öffnete sich einen Spalt. An dem herkömmlichen Zylinderschloss waren Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen.

      Milo und ich zogen die Dienstwaffen. Ich gab der Tür einen Stoß. Sie flog zur Seite. Milo trat zuerst ein. Der Raum vor uns war ziemlich groß und vor allem hoch. Die Deckenhöhe betrug sicherlich mehr als viereinhalb Meter.

      Es war offensichtlich, dass bereits jemand vor uns da gewesen war, der alles durchwühlt hatte. Die Polstermöbel waren aufgeschlitzt, alle Schubladen geöffnet und ausgeleert und der Inhalt sämtlicher Regale auf den Fußboden geworfen.

      In einer Ecke befand sich ein Computer, dessen Gehäuse aufgeschraubt worden war.

      Es stellte sich später heraus, dass jemand die Festplatte mitgenommen hatte.

      Die Tür zum Nebenraum stand halb offen. Mit der Waffe im Anschlag ging ich hinein und gelangte in ein Schlafzimmer, in dessen Mittelpunkt ein riesiges Wasserbett stand. Auch hier war alles durchwühlt und auf dem Boden verstreut worden. Die Kleiderschränke standen offen. Zwei Drittel der Sachen waren eindeutig für eine Frau bestimmt.

      Milo schaute kurz im Bad und in der Küche nach, wo ebenfalls niemand anzutreffen war.

      Ich steckte die Waffe weg.

      „Wir sind offenbar zu spät dran, Jesse“, sagte Milo, während er in der Tür zum Bad stand und ebenfalls seine Waffe einsteckte. Anschließend griff er zum Handy.

      „Zumindest haben wir jetzt einen Grund, diese Wohnung zu durchsuchen“, meinte ich.

      „Und wenn Mister Mancuso gleich in der Tür steht und behauptet, dass dies der Normalzustand seiner Wohnung wäre?“

      „Das glaubst du doch nicht im Ernst, Milo!“

      „Nein, aber wir würden ziemlich alt aussehen.“

      „Auf den Fluren gab es eine Videoüberwachung. Und da der oder die Einbrecher offensichtlich durch die Tür gekommen sind, müssten sie gefilmt worden sein.“

      „Dann schlage ich vor, wenden wir uns als Nächstes an die Hausverwaltung.“

      12

      Der Hausverwalter hieß George Wendell. Außerdem gab es insgesamt sechs Wachmänner, die in einem Wechselschicht-System rund um die Uhr gewährleisteten, dass in den Fluren von Nummer 21 nichts geschah, was das gegen das Gesetz war.

      Im Wesentlichen bestand ihre Aufgabe darin, die Überwachungskameras im Auge zu behalten.

      Der Wachmann, der gerade Dienst hatte, hieß Ray Jamison und war ein mittelgroßer Mann mit leichtem Übergewicht und dunklen Haaren.

      Während Milo sich in der Wohnung weiter umsah, nahm ich mir zusammen mit Ray Jamison die in Frage kommenden Videoaufzeichnungen vor.

      „Die Aufnahmen werden auf einer Festplatte aufgezeichnet“, erklärte Jamison, der dabei auf der Tastatur seines Computers herumtippte, um die entsprechenden Daten herauszusuchen.

      „Wir hatten einen Ausfall der Überwachungsanlage zwischen drei und vier Uhr heute Nacht“, berichtete Jamison.

      „Ich würde gerne wissen, wann Jack Mancuso seine Wohnung verließ.“

      „Das lässt sich schnell beantworten. Um die Haustür zu passieren, braucht man eine Chip Card. Irgendwann wollen wir die Türschlösser zu den einzelnen Wohnungen auch auf Chip Cards umstellen, aber das wird sich noch ein halbes Jahr hinziehen...“ Jamison ließ die Finger über die Tastatur tanzen und fuhr schließlich fort: „Mister Mancuso hat den Haupteingang um kurz nach drei passiert und das Haus um kurz vor vier wieder verlassen. Seitdem ist er nicht zurückgekehrt. Wie sind Sie eigentlich hereingekommen?“

      „Wir haben einfach bei einer anderen Wohnung geklingelt“, sagte ich.

      Jamison grinste. „Ich verstehe.“

      „Wir gehen also davon aus, dass jemand mit Jack Mancusos Chip Card das Haus genau in dem Zeitraum betreten und wieder verlassen hat, in dem Sie einen Systemausfall hatten. Finden Sie das nicht verdächtig?“, fragte ich.

      Jamison hob die Schultern. „Nun, wenn Sie das so sagen...“

      „Es könnte doch sein, dass jemand anderes zuvor Mancuso die Chip Card abgenommen hat, um damit in seine Wohnung einzubrechen. Allerdings hatte dieser Unbekannte wohl nicht den Schlüssel für die Wohnungstür dabei, sonst hätten der oder die Täter nicht das Schloss aufzubrechen brauchen.“

      „Wir haben die Türschlösser mit einer elektronischen Sicherung versehen. Man muss zuerst eine Zahlenkombination eingeben. Die Tastatur befindet sich hinter einer seitlich der Tür in die Wand eingelassenen Klappe. Aber wenn die neue Anlage erst eingebaut ist, dann bekommen wir hier in der Sicherheitszentrale Alarm, wenn jemand versucht, am Schloss herumzumanipulieren.“

      „Wann hat Mancuso vor dem Zeitraum des Systemausfalls zuletzt seine Wohnung verlassen?“

      „Kurz nach acht am Abend. Zumindest hat er da die Chip Card benutzt, um die Tür am Haupteingang zu öffnen.“

      „Aber wenn er das Haus in einem Moment verlassen hätte, in dem gerade jemand anders die Tür öffnete, hätten wir darüber jetzt keine Aufzeichnungen, richtig?“, hakte ich nach.

      Jamison schüttelte den Kopf. „Nein, Agent Trevellian, das ist ausgeschlossen. Unsere Bewohner müssen die Chip Card in jedem Fall durch den Schlitz ziehen, um ins Freie zu gelangen. Ansonsten kann es ihnen passieren, dass das System nicht reagiert, wenn sie später wieder hinein wollen.“

      Ich seufzte. „Sicherheit hat ihren Preis, was?“

      „Ich gebe zu, dass unser System in diesem Punkt noch verbesserungsfähig ist und man hat mir auch versprochen, dass daran gearbeitet wird.“

      „Ach, so.“

      „Aber unsere Mieter schätzen die Sicherheit, die Ihnen hier geboten wird und sind auch bereit, dafür ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen.“ Jamison lachte heiser. „Die können sich den Spaß auch leisten. Ich selbst wohne mit meiner Familie in einem ganz normalen Wohnblock hier in Queens – ohne irgendwelchen Security Schnickschnack.“

      „Es dürfte doch nicht allzu schwierig sein, mir die passende Aufnahme herauszusuchen, die zeigt, wie Mancuso das Haus verließ.“