jedoch die Leiche des Verstorbenen einfach abholen und ganz normal beerdigen. Die neue Erfindung will er für sich selbst, weil er hofft, damit eine Menge Geld zu verdienen. Kaum ist er mit dem Sarg allein, probiert er ihn aus, indem er sich selbst hineinlegt. Der Deckel verschließt sich automatisch, dann spielt Musik und die Stimme seines Bruders hält eine Beerdigungsrede – und zwar für Richard! Er muss wohl geahnt haben, wie sein Bruder reagiert, und nimmt so seine späte Rache. Der automatische Sarg trifft alle notwendigen Vorkehrungen und setzt sich schließlich Richtung Friedhof in Bewegung, wo er auch selbst das Grab aushebt.
Die Geschichte liest sich zwar amüsant, wirkt insgesamt aber oberflächlich und konstruiert. Selbst für ein Pulpmagazin wie DIME MYSTERY war sie eher Durchschnitt. Sie wurde für die Fernsehserie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.
»The Candy Skull«
(Januar 1948 in DIME MYSTERY, enthalten in A Memory of Murder; dt. »Der Tod kommt schnell in Mexico« bzw. »Ein Totenschädel aus Zucker«)
Der US-amerikanische Schriftsteller Roby Cibber befindet sich in Mexiko, und zwar ausgerechnet am ›Día de Muertos‹, dem Tag der Toten, an dem die Mexikaner ihre Verstorbenen ehren. Er ist auf der Suche nach einem verschollenen Schriftstellerkollegen namens Douglas McClure, der vor drei Jahren spurlos verschollen ist. Cibber kommt auf die morbide Idee, in den Katakomben zu suchen, in denen die Mumien der Verstorbenen mit Draht an den Wänden befestigt sind und ein grausiges Spalier bilden. Tatsächlich entdeckt er dort McClures Mumie mit einem seltsamen Loch in der Stirn und versucht nun herauszufinden, wer der Mörder gewesen ist. Der Verdacht fällt auf die schöne Celia, die Cibber oft begleitet und die auch McClure gut kannte. Doch am Ende stellt sich heraus, dass der gealterte Torero Tomás der Mörder ist und nicht nur McClure umgebracht hat, sondern auch Cibber aus Eifersucht nach dem Leben trachtet, weil er Celia für sich haben will.
Die Geschichte überzeugt durch ihre Stimmung und das Setting und ähnelt weniger Bradburys Kriminalgeschichten als seinen phantastischen Erzählungen, obwohl der Text keine phantastischen Elemente enthält.
In der Erzählung »The Next in Line«, die kurz zuvor (1947) in seinem Erzählungsband Dark Carnival erschien, nutzte Bradbury ebenfalls die mexikanische Kulisse mit ihren Katakomben und Mumien (siehe Kapitel 3.3).
»The Fruit at the Bottom of the Bowl«
(Erstpublikation als »Touch and Go«, November 1948 in DETECTIVE BOOK, enthalten in The Golden Apples of the Sun, Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales, The Vintage Bradbury und Twice 22; dt. »Die Früchte ganz unten in der Schale« bzw. »Die Früchte am Grund der Schale«)
Der Erzähler der Geschichte hat aus Eifersucht einen Rivalen in dessen eigenem Haus erwürgt. Nun steht er vor der Leiche und überlegt, dass er Spuren hinterlassen haben könnte. Er beginnt, alle Gegenstände im Zimmer abzuwischen, von denen er glaubt, auf ihnen Fingerabdrücke hinterlassen zu haben. Kurz darauf wird ihm klar, dass er von dem Ermordeten durch mehrere Räume geführt wurde und sich nicht mehr erinnern kann, was er alles berührt hat. Und so wird sein Putzen zur Besessenheit. Der Titel der Geschichte bezieht sich darauf, dass der Mann sogar die Wachsfrüchte ganz unten in einer Zierschale putzt, obwohl er diese unmöglich berührt haben kann. Im Laufe der Erzählung putzt er diese Früchte, die als Symbol für seine wachsende Besessenheit stehen, noch dreimal. Schließlich putzt er auch alle Wände und Möbelstücke.
Die Geschichte endet damit, dass er am nächsten Morgen von der Polizei auf dem Dachboden gefunden wird, als er gerade damit fertig geworden ist, alte Koffer und Gerümpel zu putzen.
Die Erzählung ist beeindruckend, obwohl man die Pointe bereits im Verlauf der Geschichte ahnt. Bradbury muss sie selbst sehr gut gefallen haben, denn sie wurde bereits 1953 in seinen Erzählungsband The Golden Apples of the Sun aufgenommen. Außerdem wurde sie 1988 für THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt. Die Hauptrolle spielte der sehr überzeugende Michael Ironside, den man sonst aus Dutzenden Action- und Horrorfilmen sowie den Fernsehserien V – DIE AUSSERIRDISCHEN BESUCHER KOMMEN, SEAQUEST, ANDROMEDA und SMALLVILLE kennt. Den Ermordeten spielt Robert Vaughn, ebenfalls ein sehr bekanntes Hollywood-Gesicht, das in Dutzenden Spielfilmen und Serien zu sehen war.
Bradbury hat auch später noch Kriminalgeschichten und sogar einige Kriminalromane wie Death is a Lonely Business (1985), A Graveyard for Lunatics (1990) und Let’s All Kill Constance (2002) geschrieben, sein Schaffen für die Mystery-Pulps endete jedoch 1948. Als er ab 1950 seinen Durchbruch als Bestsellerautor erlebte, konnte er seine Erzählungen an besser zahlende Magazine verkaufen.
3. – Der Durchbruch als Magazinautor
3.1 – Erzählungen 1946
Im Jahr 1946 konnte Bradbury nicht nur Geschichten an die Pulpmagazine verkaufen, sondern auch mehrfach an die großen , überregionalen Zeitschriften, die nicht nur von Phantastik-Fans gelesen wurden.
»The Traveller«
(März 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country, From the Dust Returned und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Reisende«)
Diese Geschichte wurde ein halbes Jahrhundert später in den Roman From the Dust Returned integriert. Lesen Sie dazu Kapitel 9.1.
Vier Erzählungen aus der ersten Jahreshälfte von 1946 wurden später in keinem Sammelband nachgedruckt und auch nicht ins Deutsche übersetzt: »Final Victim« (zusammen mit Henry Hasse; Februar 1946 in AMAZING STORIES), »Defense Mech« (Frühjahr 1946 in PLANET STORIES), »Rocket Skin« (Frühjahr 1946 in THRILLING WONDER STORIES) und »Her Eyes, Her Lips, Her Limbs« (Pseudonym William Elliott; Juni 1946 in CALIFORNIAN).
»The Miracles of Jamie«
(April 1946 in CHARM, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales und Long After Midnight; dt. »Die Wunder des Jamie«)
Jamie Winters kann Wunder bewirken, zumindest glaubt er das. Er wünscht sich etwas, zum Beispiel dass seine Mannschaft in der Schule gewinnt, und das passiert auch. Wenn ein Wunsch mal nicht funktioniert, dann glaubt Jamie, dass er sich insgeheim das Gegenteil gewünscht hat, und findet eine Rechtfertigung dafür. Die anderen Kinder bewundern ihn für seine Unerschrockenheit, auch wenn er niemandem von seinen geheimen Kräften erzählt hat. Jamies Mutter jedoch ist schwer krank. Als es ihr besonders schlecht geht, wirkt Jamie wieder ein Wunder, nämlich dass seine Mutter gesund wird. Doch als er nach Hause kommt, liegt sie gerade im Sterben. Nach dem Tod der Mutter ist Jamie wie ausgewechselt, ein vollkommen anderer Junge. Denn er weiß, dass er seine Fähigkeit verloren hat.
Eine sehr traurige Geschichte über die Machtphantasien kleiner Jungen, die früher oder später immer zerstört werden.
»One Timeless Spring«
(13. April 1946 in COLLIER’S, enthalten in Long After Midnight; dt. »Zeitloser Frühling« bzw. »Ein zeitloser Frühling«)
Der zwölfjährige Douglas ist sich sicher, dass seine Eltern und seine Lehrer ihn vergiften wollen, und er fürchtet nun den Verlust seiner Kindheit. Seine Eltern geben ihm regelmäßig Essen, und Douglas weiß, dass er durch das Essen wächst und bald kein Kind mehr sein wird. Die Lehrer in der Schule geben ihm Wissen, wodurch seine kindlichen Träume in den Hintergrund geraten und er sich mit Problemen der Erwachsenen auseinandersetzen muss. Als das Mädchen Clarisse ihn in einer malerischen Schlucht zum ersten Mal küsst, weiß Douglas, dass er endgültig verloren ist. Und es ist ihm ab diesem Zeitpunkt egal, denn jetzt gibt es Clarisse.
Eine romantische Geschichte über das Erwachsenwerden, die Angst vor dem Verlust der Kindheit und den Zauber des ersten Kusses.
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