Hardy Kettlitz

Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters


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100 of His Most Celebrated Tales, Dark Carnival und The Small Assassin; dt. »Die Lächelnden«)

      Diese Geschichte ist ein kurzes Psychogramm des Mörders Mr. Greppin, der die Stille seines Hauses über alles liebt.

      Zwei Wochen zuvor kam er nach Hause und verkündete den Familienmitgliedern – Tante, Onkel und deren Kindern –, dass er bald heiraten werde. Die puritanische Familie nahm die Nachricht nicht mit Begeisterung auf und glaubte Mr. Greppin noch nicht einmal. Greppin wurde wütend und wollte die griesgrämige Familie endlich einmal zum Lächeln bringen.

      Jetzt, zwei Wochen später, sitzen immer noch alle am Esstisch, sprechen aber nicht mehr mit Mr. Greppin. Sie sitzen einfach nur bewegungslos da und lächeln. Schließlich kommt die Polizei und findet Mr. Greppin, dem langsam klar wird, dass er niemals heiraten wird, inmitten seiner Familie. Und sie sehen das künstliche Lächeln der Leute unterhalb des Kinns – die aufgeschlitzten Kehlen.

      Die Geschichte ist ungewöhnlich grausam, allerdings beschäftigt sich Bradbury nicht mit dieser Grausamkeit, die erst im letzten Absatz der Geschichte klar wird, sondern vielmehr mit der kruden Gedankenwelt des Mr. Greppin, dem es offenbar sehr wichtig ist, dass das Haus besonders still ist, und der über den Hass auf seine Familie nachdenkt.

      (zusammen mit Leigh Brackett; Sommer 1946 in PLANET STORIES, in keinem Sammelband, 1989 in Echoes of Valor II, Hrsg. von Karl Edward Wagner; dt. »Die Venus-Hexe«)

      Diese Novelle ist ein romantisches Abenteuer, dazu gedacht, die Augen von zwölfjährigen Jungen zum Leuchten zu bringen und ihnen bunte Träume zu bescheren. Das Besondere an diesem Text von beinahe Romanlänge ist, dass er in Zusammenarbeit mit Leigh Brackett entstand. Erzählt wird von Hugh Starke, einem kleinen Gauner, der einen Geldtransport überfallen hat, nun auf der Flucht ist und mit seinem Schiff auf der Venus abstürzt. Als er nach langer Ohnmacht wieder zu sich kommt, befindet er sich in einem fremden Körper. Er ist nicht mehr der schmächtige kleine Gauner, sondern ein hünenhafter Recke mit stahlharten Muskeln, der Conan genannt wird. Allerdings hat dieser Conan außer der Statur mit dem Howard’schen Helden nichts gemein. Starke liegt in Ketten und muss feststellen, dass der ehemalige »Bewohner« seines neuen Körpers als Verräter gilt. Nach und nach erfährt er vom Krieg zwischen Crom Dhu, dem Reich, für das Conan unter der Führung von Faolan kämpfte, und Falga. Die mächtige Widersacherin ist Rann, die Hexe, die auch über ausreichende Kräfte verfügt, um Starke in einen anderen Körper zu versetzen. Rann versucht, die Kämpfer weiter zu entzweien. Starke kann fliehen und erreicht den Roten Ozean der Venus, den auch später Eric John Stark durchqueren wird (einer der Serienhelden von Leigh Brackett). Da dieser Ozean aus atembaren Gasen besteht, kann sich Starke darin frei bewegen. Er begegnet den Hirten, fremdartigen Wesen, die die Macht besitzen, Tote für kurze Zeit zum Leben zu erwecken. Sie schmieden einen teuflischen Plan: All die gefallenen Helden des Krieges sollen scheinbar unversehrt in ihre Heimat zurückkehren, und wenn sie dort von den arglosen Verwandten aufgenommen werden, ihre Heimatstädte verwüsten. Starke muss mitansehen, wie Falga untergeht. Als sich die Armee der Zombies Crom Dhu nähert, gelingt es ihm, den Plan zu durchkreuzen und dabei die Hexe Rann zu besiegen. In dem Bewusstsein, dass außerhalb der Venus Raumschiffe fliegen und eine moderne Welt existiert, bleibt er gern beim Venusvolk, denn er hat dort als Held seinen Platz gefunden.

      Die Geschichte beinhaltet eine Menge Versatzstücke klassischer Fantasy und kann als typisches Beispiel für Sword & Sorcery gelten. Sie ist handlungsreicher als die meisten anderen Brackett-Geschichten, allerdings für Ray Bradbury vollkommen untypisch. Brackett hatte die erste Hälfte der Erzählung geschrieben, jedoch aufgrund anderer Projekte keine Zeit, sie zu beenden, und fragte Bradbury, ob er Lust dazu hätte. Er hatte.

      (Sommer 1946 in PLANET STORIES)

      Dies ist die allererste Geschichte, die später in den Episodenroman The Martian Chronicles aufgenommen wurde, und sie erschien in der gleichen Ausgabe von PLANET STORIES wie »Lorelei of the Red Mist«. Die Geschichte bildet dabei eines der letzten Kapitel im Roman. Lesen Sie dazu das Kapitel 4.1.

      (Juli 1946 in AMAZING STORIES, enthalten in S is for Space; nicht auf Deutsch)

      Es gibt eine gleichnamige Geschichte, die in The Cat’s Pajamas enthalten ist. Beide Erzählungen wurden um die gleiche Zeit geschrieben. Bradbury gefiel der Titel so gut, dass er ihn zweimal verwendet hat.

      Obwohl diese Erzählung nie nachgedruckt wurde, ist sie trotzdem die Vorlage für einen Spielfilm, der im Jahr 2008 gedreht wurde (siehe Kapitel 12.2).

      (Juli 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Stories of Ray Bradbury und The Small Assassin; verändert enthalten als Kapitel 10 in Dandelion Wine; dt. »Die Nacht«)

      Die Geschichte spielt 1927 in einer kleinen Stadt, und die Hauptperson ist ein achtjähriger Junge. Er wird von seiner Mutter ausgeschickt, um Eiscreme zu holen. Nachdem er heimgekehrt ist und andächtig seine Portion gegessen hat, wird es langsam Nacht. Vater ist noch nicht zu Hause, aber auch sein zwölfjähiger Bruder Skip ist nicht vom Spielen heimgekehrt. Die Mutter macht sich Sorgen und nimmt ihren Jüngsten mit, um Skip zu suchen. Die beiden erreichen eine Schlucht, die sehr gespenstisch ist, und sie befürchten, dass Skip etwas Schreckliches zugestoßen sein könnte. Doch zum Glück kommt ihnen der große Bruder zusammen mit zwei Freunden quer durch die Schlucht entgegen. Er bekommt von der Mutter Prügel angedroht, aber schließlich kehren alle wieder heim, und der Vater ist inzwischen auch eingetroffen. Alles ist wieder gut.

      Die Szene in der Schlucht ist Bradbury ganz außerordentlich gut gelungen. Sie ist unheimlich und geradezu beängstigend. Besonders intensiv wirkt die Geschichte, weil sie in der zweiten Person Singular geschrieben ist. Der Anfang der Story lautet: »Du bist ein Kind in einer kleinen Stadt. Du bist, um genau zu sein, acht Jahre alt, und es wird spät des Nachts.« Später hat Bradbury die Geschichte umgeschrieben. Sie war dann nicht mehr in der Du-Form verfasst, und der Autor hat sie als zehntes Kapitel in den Roman Dandelion Wine integriert. Trotzdem ist sie in ihrer ursprünglichen Form in drei Erzählungsbänden nachgedruckt worden, und das zu Recht.

      (Pseudonym William Elliot; August 1946 in THE CALIFORNIAN, enthalten in Quicker than the Eye; dt. »Auf dem elektrischen Stuhl«)

      Diese Geschichte spielt auf dem Jahrmarkt unter Schaustellern. Eine Frau lässt sich Abend für Abend von ihrem Mann auf einen elektrischen Stuhl fesseln und wird dann unter Strom gesetzt. Ein junger Mann taucht mehrere Abende nacheinander im Publikum auf, offenbar hat er sich in die Frau verliebt. Doch der Ehemann nimmt Rache an beiden.

      Hier verarbeitete Bradbury eigene Erlebnisse aus seiner Kindheit, als ihn Jahrmärkte nicht nur faszinierten, sondern ihm auch Angst machten.

      (Erstveröffentlichung als »The Creatures that Time Forgot«, Herbst 1946 in PLANET STORIES, enthalten in: R is for Rocket und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Achttagemenschen«)

      Auf einem fremden Planeten leben Wesen, die offenbar von auf dieser Welt gestrandeten Menschen abstammen. Nach vielen Generationen haben sie zwar die Fähigkeit der Telepathie entwickelt, jedoch leben sie im Schnitt nur acht Tage. Aufgrund dieser kurzen Lebensspanne haben sie keine Möglichkeit, sich mit anderen Dingen als dem Überlebenskampf zu beschäftigen. Die Geschichte erzählt den Lebensweg von Sim, der nach seiner Kindheit entdeckt, dass es Wissenschaftler gibt, die sich mit der Herkunft der Menschen und dem sagenumwobenen Raumschiff beschäftigen. Sim gelingt es, zusammen mit seiner Freundin Lyte das Raumschiff zu erreichen, und er entdeckt, dass man innerhalb des Schiffs viel länger überleben kann als in der Außenwelt.