Schreibsprache, bewirkt.
1.3 FrühneuhochdeutschFrühneuhochdeutsch
Die Gründe, dass zwischen den Perioden Mhd. und Nhd. eine Epoche, das Fnhd., eingeschoben wird, liegen bei zwei weltgeschichtlichen Ereignissen, die für die Entwicklung der deutschen Sprache von großer Bedeutung waren: Um 1450 wurde der Druck mit beweglichen Metalllettern erfunden, und in der Folge der Reformation übersetzte Martin LutherLuther, Martin (1483‒1546) die Bibel ins Deutsche. Im September 1522 erschien seine Übersetzung des Neuen Testaments als gedrucktes Buch zur Leipziger Buchmesse. Luther legte damit und mit den späteren Bibeldrucken den Grundstein für die Herausbildung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache.5
LutherLuther, Martin selbst bekannte, dass er nach der sächsischen Kanzlei „rede“, und lenkte damit den Blick auf die Rolle der sogenannten Kanzleisprachen und ihre Wirkung als schreibsprachliche Vorbilder im 14. und 15. Jh. Ab der Mitte des 14. Jh. erhöht sich die Zahl der Texte je Textsorte, vor allem die Zahl der Gebrauchstexte, nicht zuletzt befördert durch die Verbreitung des Schreibstoffs Papier. In diesem Zusammenhang wuchs auch die Zahl der Schreib- und Schriftkundigen an. Vor allem die Kanzleien sind die Schreibstätten, wo das Schrifttum der herrschaftlichen Verwaltung durch Notare und Schreiber auch in deutscher Sprache produziert wurde. Aufgrund der zunächst nur regionalen (territorialen) Verbreitung der in den Kanzleien hergestellten Schriften entwickelten sich in den Kanzleien spätmittelalterliche Schreibdialekte. Unter ihnen kam der Schreibsprache der kaiserlichen Kanzlei eine gewisse Vorbildfunktion zu.
In der Kanzlei des späteren Kaisers Karl IV. wurden um 1350 die Ergebnisse der nhd. Monophthongierung (mhd. /ie uo üe/ > nhd. /i: u: y:/) und der nhd. Diphthongierung (mhd. /i: u: y:/ > nhd. /ei au eu/) geschrieben und erlangten Vorbildfunktion für den Schreibusus auch anderer Kanzleien. Beide Lautentwicklungen gelten als die deutsche Sprache charakterisierende Erscheinungen und werden als Hauptmerkmale genannt, durch die sich das Mhd. vom Fnhd. abgrenzt.
Die führende Rolle für die Sprachentwicklung übergaben die Kanzleisprachen im Lauf des 16. Jh. an die städtischen Druckerzentren. Es entstanden regionale Druckersprachen. Mit der gedruckten Bibelübersetzung durch Martin LutherLuther-Bibel, der sich an Tendenzen zur Bildung überregionaler deutscher Schriftlichkeit anschließen konnte, bildete sich nach 1500 eine bislang fehlende deutsche Leitvarietät aus, die auch dank der Tatsache, dass die Druckerzeugnisse einen großen Absatzmarkt brauchen, geografische Verbreitung fand, zuerst in den protestantischen, danach auch in den katholischen Herrschaftsgebieten. Nachdem der deutschen Sprache dank der Bibelübersetzung der Rang einer heiligen Sprache zuerkannt worden war, sind erste Werke der Sprachkultivierung zu verzeichnen, d.h., es entstanden grammatische Darstellungen, die auf das einheitliche Lesen und Schreiben ausgerichtet waren.
1.4 NeuhochdeutschNeuhochdeutsch
Die Abgrenzung und der Beginn der nhd. Periode der deutschen Sprachgeschichte ist nicht einheitlich. Bisweilen setzt man den Schnitt zwischen Fnhd. und Nhd. auch erst mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) an. Dies bedeutet aber, dass die Zäsur in der Mitte des 17. Jh. nicht nur die Epoche der deutschen Literaturgeschichte (Literatur des Barock), sondern auch wichtige sprachgeschichtliche Entwicklungen, die die Zeit des Barock mitprägen, auseinanderreißen würde.6 Man teilt das Nhd. beginnend mit dem Barock (17. Jh.) in drei Phasen ein:
Das Ältere Nhd.NeuhochdeutschÄlteres 1600 ‒ ca. 1800 (änhd.)
Das Jüngere Nhd.NeuhochdeutschJüngeres ca. 1800‒1950 (jnhd.)
Nhd. Gegenwartssprache seit ca. 1950 (nhd.)
Das Ältere Nhd.NeuhochdeutschÄlteres: Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein verwüstetes Land und brachte dem Deutschen Reich einen politischen und ökonomischen Rückschlag. Am Ende des Krieges hatte sich Frankreich als führende Macht in Europa etabliert. Der französische Hof wurde zum Vorbild der absolutistischen Territorialfürsten, was eine besonders starke Einwirkung auf die deutsche Sprache durch die Übernahme zahlreicher Lehnwörter aus dem Französischen hatte und zu der häufig kritisierten deutsch-französischen „Mischsprache“ (Alamodewesen) führte. Außer der durch die Sprachkritik angeregten Sprachreflexion bekam die deutsche Sprachkultivierung noch vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges einen weiteren Impuls. Infolge der Gründung der ersten der barocken, primär adeligen Sprachgesellschaften im Jahr 1617 durch Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen bildeten sich im 17. Jh. neue Zentren der Sprachreflexion, Sprachkultivierung und literarischen Produktion heraus. Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft war auch Martin Opitz, der mit dem „Buch von der deutschen Poeterey“ (1624) eine Literaturreform herbeiführte und einem der drei bestimmenden Prinzipien der Sprachreflexion, der Sprachschönheit, zur Geltung verhalf. Neben den Prinzipien der Sprachschönheit und Sprachreinheit beschäftigte man sich mit der Sprachrichtigkeit und der Norm einer Leitvarietät des Deutschen. Zwei weiteren Zielen, die Georg Philipp Harsdörffer im Programm der Spracharbeit formulierte, nämlich die Erarbeitung eines Wörterbuchs und einer der Sprachrichtigkeit verpflichteten, normativen Grammatik, kam man näher: Dominant war in dieser Zeit die „Teutsche Sprachkunst“ (1641) von Justus Georg Schottel; aus der theoretischen Diskussion über das Verfassen eines Wörterbuchs ging gegen Ende des Jahrhunderts das normierende Wörterbuch von Kaspar Stieler „Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs / oder Teutscher Sprachschatz“ (1691) hervor. Dass die überregionale Verständlichkeit schriftlich verfasster und öffentlicher Texte erreicht war, zeigt die Zeitungssprache. Erstmals 1609 erschienen periodische Wochenzeitungen, ab Mitte des Jahrhunderts auch erste Tageszeitungen.
Den Übergang vom 17. zum 18. Jh., dem Zeitalter der Aufklärung, innerhalb des Älteren Nhd.NeuhochdeutschÄlteres, markiert Johann Christoph Gottsched (1700‒1766), dessen maßgebliche Grammatik „Grundlegung einer deutschen Sprachkunst“ ab 1748 erschien. In seinem „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ (Leipzig 1729/1730) begründete Gottsched den Zusammenhang von Vernunft und Sprachgebrauch und setzte Maßstäbe der Sprachnorm, die im Laufe des 18. Jh. sowohl in den katholischen Regionen Süddeutschlands akzeptiert wurde als sich auch im niederdeutschen Norden als Schriftsprache (Meißnisch) ausbreitete. Dass das Hochdeutsche nun im gesamten deutschen Sprachraum Geltung besaß, ist auch den an verschiedenen Orten erscheinenden Zeitungen zu verdanken.
NeuhochdeutschKritik an der von Gottsched mit Absolutheitsanspruch vorgetragenen Sprachreform regte sich auf Seiten der Dichter. Zu nennen sind in diesem Kontext besonders Friedrich Gottlieb Klopstock (1724‒1803), Gotthold Ephraim Lessing (1729‒1781) und Christoph Martin WielandWieland, Christoph Martin (1733‒1813). Zu den Kritikern gehörte auch Johann Christoph Adelung (1732‒1806), der mit dem „Grammatisch-kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart“ (1774–1786) nicht mehr Normen setzen, sondern den tatsächlichen Sprachgebrauch (der oberen Stände Obersachsens) beschreiben wollte. Adelungs großes neues deutsches Wörterbuch wurde mit Gewinn von den Klassikern und gebildeten Bürgern benutzt.
Zwischen Älterem und JüngeremNeuhochdeutschJüngeres Nhd.NeuhochdeutschÄlteres: Die politischen und literaturgeschichtlichen Ereignisse zwischen 1789 und 1830/1832 erfordern es, dass die Sprachgeschichtsschreibung eine die deutsche Literatur und Sprache entscheidend prägende Epoche einblendet und die Epochengrenze ca. 1800 gleichsam überspringt. In den Vordergrund treten dabei die literarischen Werke der Weimarer Klassiker und der Romantiker; insbesondere geht es um die Literatursprache GoethesGoethe, Johann Wolfgang von und SchillersSchiller, Friedrich von. Wie die Klassiker verhielten sich auch die Romantiker ablehnend gegenüber der Französischen Revolution von 1789. (Als Dichter des „Sturm und Drang“ werden Goethe und Schiller auch der Periode des Älteren Nhd. zugeordnet.) Seit Beginn des 19. Jh. wird die auf der klassischen Literatursprache beruhende Norm zur Gebrauchsnorm der Schriftsprache überhaupt; eine überregional verständliche Schriftsprache ist vorhanden. Sie war die Sprache der in ganz Europa anerkannten klassischen Literatur und prägte das „bürgerliche Sprachempfinden“7 im gesamten 19. Jh.
Das Jüngere Nhd.NeuhochdeutschJüngeres: Der Tod GoethesGoethe, Johann Wolfgang von im Jahr 1832 markiert das Ende der Zeit, in der die für die deutsche