mühsame (Ab-)Schreiben mit der Hand konnte die steigende Nachfrage nach Lektüre auf Dauer nicht befriedigen. Die Erfindung des Bedruckens von Papier mit beweglichen Metalllettern durch Johannes Gutenberg um 1450 ermöglichte es, Texte zu „setzen“ und beliebig oft mechanisch in identischer Form zu vervielfältigen. Gegen Ende des 15. Jh. existierten in ganz Europa Druckwerkstätten (Offizinen). Die zwischen 1454 und dem 31. Dezember 1500 mit beweglichen Lettern gedruckten Einblattdrucke und Bücher (Inkunabeln, Wiegendrucke) waren in Format, Typografie und Illustration vom Erscheinungsbild mittelalterlicher Handschriften geprägt. Die Produktion auch deutscher Bücher stieg bis 1523 auf 944 Exemplare. Neue Textsorten wie gedruckte Flugblätter und Flugschriften sind Vorformen der Zeitungen und Vorläufer der Massenmedien.
In der zweiten Hälfte des 20. Jh. brachte die Erfindung und weite Verbreitung des Computers eine der Erfindung Gutenbergs vergleichbare mediale Wende auf der Grundlage elektronischer Datenverarbeitung. Mit Hilfe des Computers seit den 1970er-Jahren, des Internets und des World Wide Webs seit den 1980er-Jahren sind die Herstellung, massenhafte Verbreitung und Speicherung von Texten in uneingeschränktem Maß möglich. Neue Textsorten wie E-Mail, Newsletter, Chat (und Chatroom), Tweet u.a.m., die sich von den Texten in den Printmedien erheblich unterscheiden, sind entstanden. Die Digitalisierung ganzer Bücher und mittelalterlicher Handschriften ist in vollem Gang. Die Digitalisate werden online gestellt und sind jederzeit und überall mit Hilfe des Computers aufrufbar. Damit schließt sich der Kreis zum Beginn der Überlieferung deutscher Texte im 8. Jh. – Zur Anwendung der Computer-Technik bei der Erforschung der Historischen Valenz vgl. Kapitel E.4.
Die Textüberlieferung im Wandel der Medien am Beispiel von Otfrids Otfrid von Weißenburg Evangelienbuch Otfrid von Weißenburg
Die als Codex Vindobonensis (V) bezeichnete Handschrift des EvangelienbuchsOtfrid von Weißenburg von Otfrid von WeißenburgOtfrid von Weißenburg wurde zwischen 863 und 871 im Skriptorium des Klosters Weißenburg unter der Aufsicht und mit eigenhändigen Korrekturen Otfrids hergestellt. V diente im dritten Viertel des 9. Jh. als Vorlage für die zweite – ebenfalls in Weißenburg hergestellte – Handschrift, den Codex Palatinus (P). In Freising entstand am Anfang des 10. Jh. die dritte Handschrift (F) und in Fulda in der zweiten Hälfte des 10. Jh. die nur fragmentarisch erhaltene Handschrift (D), beide kopiert von V. Der Codex Vindobonensis gilt als Haupthandschrift. Sie ist bis 1480 als Teil der Weißenburger Klosterbibliothek nachgewiesen, wurde aber, nachdem sie zwischenzeitlich in das Kloster St. Martin in Sponheim verbracht worden war, 1576 als Handschrift der Wiener Hofbibliothek geführt. 1560 fertigte Achill Pirmin Gasser in Augsburg eine Abschrift der Handschrift P an, nachdem P an Ulrich Fugger verkauft worden war. Als Druck erschien 1571 in Basel eine von Matthias Flacius Illyricus veranlasste Gesamtausgabe des Evangelienbuchs. Im 19. Jh. entstanden mehrere kritische (gedruckte) Textausgaben des Evangelienbuchs, zuerst die von Eberhard Gottlieb Graff unter dem Titel „Krist“ 1831 herausgegebene („mit einem Facsimile ieder der drei Handschriften“), dann die von Johann Kelle (1856‒1881) und Oskar Erdmann (1882), auf der Grundlage von V, und Paul Piper (1882) auf der Grundlage von P. Die Handschrift F wurde erst im Jahr 2000 durch Karin Pivernetz ediert. Eine Faksimile-Ausgabe der Wiener Handschrift wurde unter Mitwirkung von Hans Butzmann im Vierfarbendruck 1972 in Graz gedruckt. Eine nach den Handschriften V, P und D getrennte Neuedition des Evangelienbuchs gab Wolfgang Kleiber (2004 und 2006) im Druck heraus. Die Neuedition wird mit Mängeln der älteren Editionen, Neufunden zur Handschrift D und Konsequenzen aus der Autopsie der Wiener Handschrift begründet. Wichtiges Editionsprinzip ist die Vermeidung von Normalisierungen, moderner Zeichensetzung, Lesehilfen usw. zugunsten einer originalnahen, handschriftgetreuen Textwiedergabe. Das Ende der Textgeschichte des Evangelienbuchs ist vorläufig erreicht, seit die in der Universitätsbibliothek Heidelberg lagernde Handschrift P als digitale Kopie2 und die Handschrift F als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek3 verfügbar sind.
3. Bibliografie der wichtigsten Grammatiken und Wörterbücher der deutschen Sprachperioden
3.1 Althochdeutsch
Grammatik:
Wilhelm Braune (2018 [1886]): AlthochdeutscheAlthochdeutsch Grammatik. Band I: Laut- und Formenlehre. 16. Auflage. Tübingen; Richard Schrodt (2004): Althochdeutsche Grammatik. Band II: Syntax. Tübingen.
Wörterbücher:
AlthochdeutschesAlthochdeutsch Wörterbuch (1968ff.). Auf Grund der von E. v. Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearbeitet und herausgegeben von Elisabeth Karg-Gasterstädt/Theodor Frings u.a. Berlin (bis 2020 sind 7 Bände erschienen, Band VII: O‒R). (= AWB) Digital zugänglich.
Rudolf Schützeichel (2006): AlthochdeutschesAlthochdeutsch Wörterbuch. 6. Auflage. Tübingen.
3.2 Altsächsisch
Grammatik:
Johan Hendrik Gallée (1993 [1891]): AltsächsischeAltsächsisch Grammatik. 3. Auflage. Tübingen.
Wörterbuch:
Heinrich Tiefenbach (2010): AltsächsischesAltsächsisch Handwörterbuch. Berlin/New York.
3.3 Mittelhochdeutsch
Es existiert keine umfassende grammatische und lexikografische Darstellung des Frühmhd. und des Spätmhd. Die mhd. Grammatiken konzentrieren sich auf das klassische Mhd.
Grammatiken:
Hermann Paul (2007 [1881]): MittelhochdeutscheMittelhochdeutsch Grammatik. 25. Auflage. Tübingen.
Thomas Klein/Hans-Joachim Solms/Klaus-Peter Wegera (2018): MittelhochdeutscheMittelhochdeutsch Grammatik. Teil II: Flexionsmorphologie. Tübingen; dies. (2009): Mittelhochdeutsche Grammatik. Teil III: Wortbildung. Tübingen.
Wörterbücher:
Georg Friedrich Benecke/Wilhelm Müller/Friedrich Zarncke (1854‒1861): MittelhochdeutschesMittelhochdeutsch Wörterbuch. 3 Bände. Leipzig. (= BMZ) Digital zugänglich.
Matthias Lexer (1872‒1878): MittelhochdeutschesMittelhochdeutsch Handwörterbuch. 3 Bände. Leipzig. (= ML) Digital zugänglich.
Kurt Gärtner/Klaus Grubmüller/Karl Stackmann (Hg.) (2006‒2012): MittelhochdeutschesMittelhochdeutsch Wörterbuch. Stuttgart (bis 2020 ist 1 Band erschienen, Band 1: a–êvrouwe). (= MWB) Digital zugänglich.
3.4 Mittelniederdeutsch
Grammatik:
Agathe Lasch (1974 [1914]): MittelniederdeutscheMittelniederdeutsch Grammatik. 2., unveränderte Auflage. Tübingen. Digital zugänglich.
Wörterbuch:
Karl Schiller/August Lübben (1875‒1881): MittelniederdeutschesMittelniederdeutsch Wörterbuch. 6 Bände. Bremen.
3.5 Frühneuhochdeutsch
Grammatiken:
Virgil Moser (1929‒1951): FrühneuhochdeutscheFrühneuhochdeutsch Grammatik. Band I,1 und 3. Heidelberg.
Hugo Moser/Hugo