Jahre später über die Genfer Verhandlungen sprach, erklärte er triumphierend: »Wir hatten Tsien Hsue-shen zurückgewonnen. Allein das hat die Gespräche gelohnt.«9
Abb. 13. Nationale Zeitungen wie die »Oakland Tribune« berichteten über Tsiens Verhaftung und die Verhandlungen in Genf.
Was Tsien bei seiner Rückkehr nach China mitbrachte, war nicht nur sein umfassendes Wissen über die Bemühungen der USA, Raketen- und Jetantriebsprogramme zu entwickeln, es waren auch seine Kenntnisse der bahnbrechenden Forschungen Nazi-Deutschlands an Fliegenden Untertassen sowie der amerikanischen Studien über nach dem Absturz geborgene außerirdische Fluggeräte.
Es lohnt sich, einmal über die außergewöhnlichen Umstände zu spekulieren, die zu Tsiens Ausweisung geführt haben, und darüber, ob es eine verborgene Gruppe oder einen Geheimdienst gab, die dieses traurige Ergebnis bewusst herbeiführte. Es gibt drei Szenarien, die berücksichtigt werden sollten. Erstens führte nach der vorherrschenden Ansicht eine Kombination aus unglücklichen Zufällen, dem Einsetzen des McCarthyismus, Rassendiskriminierung und einem erstaunlich schlechten Urteilsvermögen von Einwanderungs- und FBI-Beamten dazu, dass Tsien gezielt aus seiner Wahlheimat vertrieben wurde. Im Grunde war es also nichts als Zufall und Pech.
Eine zweite Möglichkeit besteht jedoch darin, dass ein versteckter langfristiger Plan China helfen sollte, die technologische Lücke zur UdSSR und zu den Vereinigten Staaten zu schließen, damit China eines Tages diesen Supermächten in Bezug auf ihre globale Vorherrschaft Konkurrenz machen könnte. Dieses Szenario hat historische Wurzeln: Eine mächtige Gruppe versteckter Kontrolleure – auch bekannt als Deep State oder Illuminati – hat rivalisierende Zentren globaler Macht aufgebaut, um sie gegeneinander auszuspielen und so Krieg, Armut und Hungersnot auf der ganzen Welt aufrechtzuerhalten.
Dieser Standpunkt spiegelt sich am besten in dem Buch Die Götter von Eden – eine neue Betrachtung der Menschheitsgeschichte von William Bramley wider, der die Menschheit über viele tausend Jahre hinweg als von einer finsteren Gruppe von Außerirdischen, die er »die Wächter« nennt, manipuliert sieht.10 Diese Gruppe betrieb Tsiens unglückliche und umstrittene Abreise aus den USA, um ihn dazu zu bringen, all seine geheimen Informationen mit einem totalitären Staat zu teilen, der zu einer Atommacht werden wollte. Das Ziel Chinas war es, so schnell wie möglich militärischen und technologischen Gleichstand mit den USA zu erreichen, um die beiden Länder in einen künftigen apokalyptischen Krieg zu treiben. Diese pessimistische Variante verleiht Tsien die Rolle eines unwissenden Handlangers in einem Langzeitplan des Deep State.
Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass es eine nichtmenschliche planetare Intelligenz gibt, die versucht, ein Gleichgewicht zwischen den Großmächten herzustellen, um den globalen Frieden, die Gleichheit und den Überfluss zu fördern. Dieser Standpunkt spiegelt sich in der Arbeit von James Lovelock und seiner Gaia-Hypothese wider, die erstmals in seinem einflussreichen Buch Gaia – A New Look at Life on Earth (»Gaia – ein neuer Blick auf das Leben auf der Erde«, nicht auf Deutsch erschienen) erklärt wurde.11 Lovelock glaubt, dass »Homöostase«, also Gleichgewicht, ein planetarischer Prozess ist, der einsetzt, wenn Gaia – die Seele der Erde – fühlt, dass sie auf kritische Weise aus dem Gleichgewicht geraten ist. Während Lovelock glaubt, dass Homöostase ein mechanischer Selbstregulierungsprozess ist, der auf Makroebene zwischen lebenden Organismen und ihrer anorganischen Umgebung abläuft, könnte ein solcher Prozess aber genauso durch eine nichtmenschliche Intelligenz enormen Ausmaßes herbeigeführt werden, die auf Mikroebene daran arbeitet, die menschlichen und planetarischen Angelegenheiten zu führen.
Letztere Perspektive spiegelt sich am besten in der Arbeit des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) wider, der behauptete, ein »Weltgeist« (Zeitgeist) leite die menschlichen Angelegenheiten durch »Personen der Weltgeschichte«, so dass die Menschheit mit wachsendem Selbstbewusstsein zu einer kollektiven Manifestation des Absoluten Geistes wird.12 Dies ist die optimistischste der drei Möglichkeiten, die die außergewöhnlichen Umstände hinter Tsiens Ausweisung erklären und ihn zu einer welthistorischen Figur macht, deren Aufgabe es war, einen Planeten ins Gleichgewicht zu bringen, der lange Zeit von westlichen Mächten und Materialismus dominiert wurde. Tsiens Beteiligung an der Errichtung Geheimer Weltraumprogramme sowohl in den USA als auch in China wäre damit Teil des Plans einer höheren Intelligenz, um dem Planeten mehr Harmonie und eine tiefere Manifestation des »Absoluten Geistes« zu verleihen.
Abb. 14. Matroschka-Puppen bieten Erklärungen für Tsien Hsue-shens Verhaftung und Abschiebung aus den USA (1950-1955).
War Tsien das unglückliche Opfer von Zufallsereignissen? War er eine Marionette, die von einer finsteren Gruppe globaler Kontrolleure manipuliert wurde? Oder war er eine »Person der Weltgeschichte«, die von einem planetarischen Zeitgeist ausgewählt wurde, um Frieden und Harmonie auf globaler Ebene zu erreichen? Es ist durchaus möglich, dass alle drei Erklärungen zutreffend sind, wie hier am Beispiel der Matroschka-Puppe gezeigt wird, bei der hinter der offensichtlichsten Erklärung als Zufall noch erheblich tiefere Erklärungen zu finden sein könnten.
Anmerkungen
1Iris Chang, Thread of the Silkworm, p. 149.
2Ebd., p. 150.
3Ebd., p. 151.
4John Pomfret, The Beautiful Country and the Middle Kingdom: America and China, 1776 to the present; Henry Holt & Company 2016; pgs. 401-402.
5Iris Chang, Thread of the Silkworm, p. 157.
6Ebd., p. 166.
7Ebd., p. 188.
8Ebd., p. 188.
9Ebd., p. 189.
10 William Bramley, Gods of Eden; Avon Books 1989; p. 38. – Dt. Ausgabe: Die Götter von Eden, In der Tat Verlag, Peiting 1995.
11 James Lovelock, Gaia: A New Look at Life on Earth, Oxford University Press 1979. – Auf Deutsch liegt in der Bibliothek der Nachhaltigkeit ein faszinierender Nachfolgetitel des Autors vor: Das Gaia-Prinzip, die Biographie unseres Planeten, oekom Verlag, München 2021, mit einer Einführung von Ugo Bardi; die Übersetzung beruht auf The Ages of Gaia, einem Buch von 1988, das auf Deutsch erstmals im Verlag Artemis & Winkler, Zürich/München 1991, erschien.
12 Siehe »Georg Wilhelm Friedrich Hegel«, https://plato.stanford.edu/entries/hegel/ (aufgerufen am 4.11.2019)
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