und nach der Volksbildung eingegliedert und verlor als eigenständiger Bereich an Bedeutung. Bereits das erste Jugendgesetz reduzierte 1949 die Aufgaben der Jugendhilfe und überantwortete sie der FDJ. Hierdurch wurden die Wohlfahrtsverbände aus der Jugendhilfe vollständig verdrängt. Die Verordnung über die Mitarbeit der Bevölkerung auf dem Gebiet der Jugendhilfe unterstützte ab 1953 den Ausbau ehrenamtlicher Strukturen durch die Gründung lokaler Jugendausschüsse und die Umsetzung von Jugendhilfe durch befähigte Laien (vgl. Hering, Münchmeier 20052). Mit dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem (Bildungsgesetz) wurde 1965 die Einordnung der Jugendhilfe in den Bereich des Ministeriums für Volksbildung vollzogen. Familiengesetzbuch und Jugendverordnung 1965/66 konsolidierten den Vorrang der Familienerziehung vor staatlichen Sozialisationsinstanzen (vgl. Hering, Münchmeier 20052).
In den 60er Jahren ließen sich Unterstützungs- und Sanktionsstrukturen gegen Jugenddelinquenz und -verwahrlosung und politische Sanktionen gegen die zunehmende Orientierung von Jugendlichen an westlichen Subkulturen immer weniger voneinander unterscheiden. So wurde die zwangsweise Unterbringung in Jugendwerkhöfen auch als Sanktionsinstrument für politisch Missliebige genutzt.
Nach dem Fall der Mauer 1989/90 unterschieden sich die Jugendhilfestrukturen in den westlichen und östlichen Bundesländern erheblich. Während im Westen als Folge der Kritik der Heimerziehung Alternativen zu familienersetzenden Maßnahmen gesucht und die familienunterstützenden und -ergänzenden Hilfen ausgebaut wurden, existierten im östlichen Teil Deutschlands weiterhin rigide, rein anpassungsorientierte Formen der Heimerziehung. Die Ausrichtung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes auf wohlfahrtsstaatliche Elternunterstützung zugunsten der Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen hatte im östlichen Teil Deutschlands kein Vorbild. Allerdings führte die Traditionslosigkeit in den östlichen Bundesländern teilweise zu neuen und flexibleren Lösungen, die im Westen aufgrund der vorgegebenen Organisationsstrukturen so selbstverständlich nicht möglich waren.
Vom Jugendwohlfahrtsgesetz bis zum Kinder- und Jugendhilfegesetz
Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wurde in der ersten Novelle des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG) 1953 das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz ähnlich wie in der sowjetisch besetzten Zone und späteren DDR zunächst praktisch reinstalliert.10 Erst mit der zweiten Novelle 1962 wurde ein ausdifferenziertes Spektrum an Jugendhilfeangeboten angelegt. Der Begriff Fürsorge wurde beibehalten. Das JWG von 1962 unterschied Jugendhilfe mit Anordnungscharakter (Fürsorgeerziehung – FE) von Jugendhilfe als freiwillige Erziehungshilfe (Freiwillige Erziehungshilfe – FEH). Die Erziehungsbeistandschaft löste die Schutzaufsicht ab. Nach § 6 und § 7 JWG hatten [23] hierbei Minderjährige einen eigenen, von den Eltern oder Erziehungsberechtigten unabhängigen Rechtsanspruch auf Jugendhilfe. Für seelisch behinderte junge Menschen waren keine eigenen Rechtsansprüche enthalten und die Hilfen für junge Volljährige waren im Vergleich zum späteren Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) eingeschränkt.
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz wurde 1990 verabschiedet und im ehemaligen Staatsgebiet der DDR schon ab 1990 umgesetzt, in den alten Bundesländern erst ab dem 1.1.1991.
Im Unterschied zum JWG bezieht sich das KJHG auf Kinder und Jugendliche, also junge Menschen jeden Alters. Seiner Formulierung und Verabschiedung gingen sehr grundsätzliche juristische, fachliche und ethische Diskussionen voraus, die mit der parallel stattfindenden sogenannten Professionalisierungsdebatte eng verwoben waren. Die Professionalisierungsdebatte wurde um eine eigenständige professionelle Identität Sozialer Arbeit in Abgrenzung zu den klassischen Professionen geführt. Sie thematisierte das Verhältnis zwischen den Adressatinnen und Adressaten und den Fachkräften, die gesellschaftlichen Aufgaben des Berufs, seine wissenschaftliche Fundierung, die professionellen Methoden und den Wahrheits- und Wirkungsbegriff Sozialer Arbeit (vgl. Schone, Schrapper 1988, Urban 2004). Das KJHG sollte die Forderungen an den Sozialstaat nach mehr Demokratie, Partizipation und Autonomie der Individuen manifestieren und gleichzeitig die methodischen Antworten einer sich als eigenständige Profession verstehenden Sozialen Arbeit abbilden. Diese programmatische Haltung wurde über die Jugendhilfe hinaus für andere Arbeitsfelder prägend. Das wird an folgenden Elementen des KJHG deutlich:
■ Ein Rechtsanspruch auf Unterstützung, der die Kontroll- und Eingriffsorientierung des JWG vollständig ablöst: Die im KJHG angebotenen sozialen Dienstleistungen sollen soziale Härten kompensieren und damit staatliche Eingriffe weitgehend verzichtbar machen.
■ Das Wunsch- und Wahlrecht der Adressatinnen und Adressaten bei Jugendhilfeleistungen und die Hilfeplanung als gemeinsame Planungsinstanz von Jugendamt, Leistungsträgern und Adressatinnen und Adressaten: Dem KJHG gelten gemeinsam gefundene und geplante Hilfeleistungen als besonders wirksam und nachhaltig. Dies beinhaltet eine klare Absage an das Wahrheits- und Wirkungsmodell der klassischen Professionen (vor allem der Medizin), die als expertokratisch und bevormundend kritisiert werden (Urban 2005: 27ff.).
■ Die vorrangige Ausrichtung der Jugendhilfeangebote an den Bedarfen der Adressatinnen und Adressaten sowohl auf der Ebene der individuellen Hilfen als auch auf der Ebene der Regionalplanung: Das KJHG bietet eine Liste ausformulierter Angebote. Gleichzeitig wird bei den Jugendämtern und Jugendhilfeträgern eine freie Entwicklung und Kombination neuer Angebote angeregt. Ziel des KJHG ist eine flexiblere Verzahnung der einzelnen Hilfeangebote und eine bessere Ausrichtung an den individuellen Bedarfen (Schone, Schrapper 1988: 39).
■ Eine an Kommunikation und Aushandlung orientierte institutionelle Fachlichkeit: Grundlage des KJHG ist ein diskursiver Wahrheits- und Wirkungsbegriff im Sinne von Habermas’ „Theorie des kommunikativen Handelns“ (Habermas 1981). Nicht individuelle Expertenurteile bestimmen damit die Güte des professionellen Handelns, sondern die gemeinsame fachliche Erarbeitung von Entscheidungen. Dies gilt für die Fachberatungen in Teams und bei der kollegialen Beratung wie für die[24] anschließende Entscheidung über die richtige Hilfe gemeinsam mit den Adressatinnen und Adressaten im Hilfeplangespräch.
Diese radikale Umorientierung wurde teilweise mit dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK), das zum 1.10.2005 verabschiedet wurde, zurückgenommen, teilweise weiter verfolgt.11 So wurden mit dem § 8a des KICK die Ermittlungsbefugnisse des Jugendamts und die Rechte und Pflichten zur Datenerhebung und -weitergabe von freien Trägern bei Kindeswohlgefährdung ausgeweitet. Dies geschah auch als Folge einer Reihe von Kindeswohlgefährdungsfällen mit tödlichem Ausgang in den Vorjahren (vgl. Münder, Mutke, Schone 2000). Gleichzeitig wurden die Verfahren kollegialer Beratung stärker etabliert und genauer beschrieben.
Der im KICK etablierte Kinderschutz wurde mit dem Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), das nach jahrelangen Diskussionen in den Ausschüssen endlich am 1.1.2012 in Kraft treten konnte, weiter ausgebaut und konkretisiert. Das BKiSchG etabliert sogenannte „Frühe Hilfen“, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Schwangere und Mütter und Väter von kleinen Kindern unter Einbeziehung von Familienhebammen. Darüber hinaus schreibt es einen Ausbau der Kooperation aller mit Kindern und Jugendlichen befassten Institutionen im Kinderschutzbereich vor und erleichtert die Weitergabe von Informationen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Der öffentliche Jugendhilfeträger wird in seiner Funktion als Qualitätsaufsicht über freie Träger der Jugendhilfe gestärkt. Das BKiSchG bezieht sich auf einen Qualitätsbegriff, der Kinderschutz und Partizipation gleichermaßen beinhaltet. Entsprechend wurde die Beteiligung von Erziehungsberechtigten und jungen Menschen an zahlreichen Stellen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes neu eingefügt.
Im Gegensatz zum JWG bietet das KJHG eine breite Palette an Hilfen zur Erziehung:
■ die Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII12
■ die Soziale Gruppe für Jugendliche nach § 29 SGB VIII,
■ Erziehungsbeistandschaft und Betreuungsweisung nach § 30 SGB VIII (s.u.),
■ die Sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII,
■ die Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII,
■ die Pflegefamilie nach § 33 SGB VIII,
■ stationäre Jugendhilfeangebote nach § 34 SGB VIII,
■ die intensive sozialpädagogische