entgegen, rannte im Vorbeigehen fast den alten Kopierer um, blieb mit dem Oberkörper auf ihm liegen.
Schlaf … Nein, geht jetzt nicht! Ich kannte den Tanz: Ich gegen mich! Los, Alter, an die Arbeit!
Im Büro lag eine neue Akte auf meinem Tisch, dick und schmutzig. Beim lustlosen Durchblättern stellte ich fest: ein Komplex alter Industrieanlagen. Meine Güte, was für einen Mist bekomme ich hier noch auf den Tisch? Markus? Ja – was ist denn? Abwechslung tut gut – Ha-ha! Scherzkeks. Aber mal im Ernst, Markus – hier hast du doch etwas, das dich ablenkt! Ich blätterte herum, versuchte, mir eine erste Meinung zu bilden. In mir wollten die Dinge nicht mit, aber ich setzte mich mal wieder durch. Bitte, es geht doch!
Mittag! In der Kantine gab es Linsen mit Speck, Seelachs mit Salat und Bratwurst, geröstete Kartoffelscheiben mit Speck und Zwiebeln. Ich entschied mich für Fisch – leichte Kost.
Im Fahrstuhl traf ich Jansen. „Blume, Ihre Arbeit war gut.“
Was, loben kann der auch?
„Das Haus Petach in der Wandlitzer Allee wird demnächst übrigens versteigert. Dem Termin am 24. Mai im Rathaus Pankow wohnen Sie dann bitte bei.“
Ich verstand noch nicht, wollte nicht begreifen. „Mein Haus soll versteigert werden?“
Jansen nickte, der Fahrstuhl hielt.
Er war weg. Markus, das ist nicht dein Haus! Erzähl mir nicht solch einen Schmarren! Pass auf deine Worte auf, sie könnten dich Kopf und Kragen kosten! Wieso, hört doch eh keiner!
Ich konnte mich nicht mehr von meinen Gedanken lösen. Mein gefangenes Ich spielte verrückt. Ich suchte einen Ausweg, um an mein Ziel zu gelangen. Ich dachte und plante. Ohne Wissen der anderen schmiedete ich einen Plan, der meiner Seele Rettung versprach – aber auch die Büchse der Pandora öffnete.
Ich machte mich an die Arbeit: Kommando WA 32. Ich hatte nun zwei Aufgaben zu bewältigen – eigentlich drei. Wieso drei, Markus? Erstens das neue Arbeitsgebiet, dann die WA 32 (was mich besonders berührte) und dann – mich selbst! An der letzteren Baustelle bist du nicht ganz schuldlos, mein Kleiner. Ich bin nicht dein Kleiner, ich bin ich selbst.
*
Das Nachtschwimmen im schweißnassen Nachtlager zog mich wieder in seinen Bann. Innere Kämpfe durchschüttelten mich. Ich suchte einen Weg aus meinem Schlamassel, aber fand nicht die Tür mit dem grünen Licht – überall nur Dunkelheit, die vom Nebel durchzogen wurde. Die Menschen aus dem alten Haus, ihre Gesichter – fragend sahen sie mich an und verstanden doch nicht. Schloss ein Nachtkreis sich um meine Seele?
Jeden Morgen fühlte ich die Schwäche eines alten Mannes, der seinen Körper sucht, ihn zusammensetzt wie ein Puzzle, dessen Teile er in der Nacht verloren hat. Wenn ich nicht Prinz und meine Freunde im Haus gehabt hätte, wie wäre es mir wohl ergangen? Wahrscheinlich wie im Mischwerk eines Betonwagens!
Am Abend, nachdem ich eine Runde im Park gegangen war, führte mein Weg mich in den zweiten Stock. Ich klingelte; es dauerte etwas, bis Erika öffnete.
„Hallo, Markus, wie schön, Sie zu sehen!“
Prinz begrüßte seine Freundin herzlich.
„Los, kommt rein in die gute Stube!“
Tee trinkend erzählte ich ihr von meinen Sorgen der Nacht. Es sprudelte wie ein Wildbach aus mir heraus und ich sah Erikas Augen durch die dicken Brillengläser leuchten. Sie war jetzt mit im Boot – ich war erleichtert, meinen Seelendruck verringert zu haben. Sofort ging es mir besser. Nachdem ich alles erzählt hatte, schwiegen wir.
„Wie wollen Sie das denn bewerkstelligen, ohne erwischt zu werden, Markus? Eine verdammt knifflige und zugleich auch spannende Aufgabe! Markus, Markus, nehmen Sie sich da nicht etwas zu viel vor?“
„Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich kann und will nicht als Versager meiner Seelenwanderung dastehen!“
„Seelenwanderung, aha. Auf mich können Sie jedenfalls zählen.“
Ein mutiger Entschluss meiner alten Dame!
„Aber: Ein richtiger Plan muss her, junger Freund, sonst geht die Sache nicht gut aus!“
Erika besorgte einen alten Schulfreund, einen Notar, seit langem schon im Ruhestand, aber blitzgescheit. Bernstein hieß er. Wir weihten ihn ein – na ja, nicht ganz, Erika war vorsichtig. Sie sagte ihm nur das, was er wissen musste – mehr nicht.
Alles lief wie ein Uhrwerk: Ich besorgte mir von meiner Bank eine schriftliche Zusage über 200.000 Mark, und Erika steuerte 80.000 Mark als Sicherheit bei – ein toller Zug meiner Nachbarin.
*
Der 24. Mai – mein Tag war gekommen!
Im Gerichtssaal 458 füllten sich langsam die Reihen. Mein Blick schweifte in die Runde: viele Alte, wenig Junge, da und dort ein paar Anzugträger. Die Versteigerung begann. Angebot um Angebot wurde in fliegende Worte gepackt, und Schlag auf Schlag wurde der Preis nach oben getrieben.
Zwischenstand: 215.000 Mark. Die Sitzung wurde unterbrochen für eine halbe Stunde. Jetzt konnte noch schriftlich nachgeboten werden. Zweifel packten mich: Welchen Betrag würde Bernstein auf die Liste schreiben? Mein Limit hatte er, aber was würde er wirklich bieten?
Die Versteigerung ging weiter. Angebot sechs: 225.000 Mark. Ein Herr Wagner hatte Pech. Angebote 4 und 5: beide genau 245.000 Mark. Auch die hatten verloren im Kampf um mein Haus.
Angebot 3 : 255.000 Mark. Bernstein saß da, ruhig, ich in meiner inneren Aufgewühltheit glich dem Stromboli: Anspannung bis zum Hals! Atmen, Markus, jetzt nur nicht schlapp machen! Eine Stimme im Hintergrund. Verzerrt durch das Pfeifen meiner Ohren hörte ich den vorletzten Bieter: „260.000 Mark, Notar Bernstein.“
Alles verloren, Markus, Bernstein ist nicht Sieger! Ich hörte gar nicht mehr hin. Raus, nichts wie raus hier, Luft für meine Lungen! Verfluchter Mist, ich hatte verloren! Tränen der Ohnmacht in den Augenwinkeln, lief ich den Weg vom Amtsgericht zurück, allein mit mir.
*
Erika klingelte spät am Abend. Sie fragte mich, warum ich einfach aus dem Gerichtssaal abgehauen war. Den Zuschlag hatte Bernstein bekommen. Der Richter hatte die letzten beiden Namen vertauscht!
Mein Kreislauf versagte; ich musste mich abstützen. Ich hatte gewonnen, ohne es zu wissen! Wie würde man sagen: dumm gelaufen! Für 279.500 Mark bekamen wir die Bäckerei und Konditorei Petach. Die Engel der Nacht schlafen auch am Tage nicht.
Der nächste Schritt: Mein Notar reichte seinen Deal weiter an mich. Es dauerte nur noch vier Wochen, dann war ich stolzer Besitzer einer Traumimmobilie – mit allem, was dazugehört, im wahrsten Sinne des Lebens.
Die Kosten für den Umbau und die Renovierung würden noch einmal 90.000 Mark betragen, na gut, 12.000 Mark hatte ich gerade noch auf dem Sparbuch. Das reichte bei weitem nicht. Mein innerer Schweinehund verhielt sich verdächtig ruhig – die inneren Streitgespräche blieben aus.
In dieser Woche war Erika dran, sich um Prinz zu kümmern. Die Schlüssel von meiner Wohnung hatte sie. Auf der Arbeit lief alles wie immer. Meine Aufgabe, den Industriepark zu taxieren, lief seinem gewohnten Ende entgegen. Die Tage vergingen. An einem Samstag Ende Juni hatte ich alles zusammen: Mein Lebenswerk konnte beginnen!
In der Zwischenzeit hatte ich mir einen alten VW Bully gekauft, 1.850 Mark, ein Schnäppchen mit vielen Beulen, aber der Motor war noch super. Damit konnte ich Baumaterial heranschaffen.
In der ersten Juliwoche begann ich damit, den Garten in Ordnung zu bringen, alte Hecken einzukürzen oder zu beseitigen. Prinz war ein gutes Arbeitstier. Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten sah ich, wie der Berg aus Pflanzenabfällen an der Straße wuchs. Rosensträucher rauszureißen war unsere Aufgabe, nicht Prinz´ Sache; einmal zuckte er zusammen, als die Dornen seine Zunge anbohrten. Na, das war etwas für mich mit meinen dicken Handschuhen!
Der Tag war lang und hart. Müde blickten wir am Abend in die Runde. Stolz