Harry Kämmerer

Dunkle Seite - Mangfall ermittelt


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      „Na dann. Auftrag erledigt. Los, ab die Post!“

      „Und wir lassen den hier einfach liegen?“

      „Ja, wo denn sonst?“

      „Ich mein, weil da gestern schon der andere rumgelegen ist. Das schaut doch komisch aus?“

      „Ist halt eine gefährliche Gegend. Unfallschwerpunkt, haha.“

       Wer seid ihr? Kennen wir uns?

       Ich würde gern mitlachen. Kann nicht.

       Alles zerfließt in Schmerz. Und Schwarz. Ich, ich, ich …

      „Ich schau mal, was er dabeihat. Seinen Geldbeutel braucht der doch jetzt nicht mehr?“

      „Hey, Alter, sind wir Leichenfledderer? Nein, sind wir nicht. Wir sind Ehrenmänner.“

      „So, und was war mit der Tasche von dem Typen gestern?“

      „Da war eine Knarre drin. Die kannst du doch nicht einfach auf der Straße liegen lassen. Stell dir mal vor, Kinder finden die und ballern dann rum?“

      „Ja, an dir ist ein Pädophiler verloren gegangen.“

      „Du sagst es. Jetzt lass uns abhauen, bevor hier in Schlafcity doch noch jemand aufwacht und auf die Straße schaut.“

      Sie gehen zurück zu ihrem Wagen. Mit leisem Sirren gleitet der Toyota davon.

      „Der Prius macht einen Superjob!“

      „Ja, diese Elektromotoren sind voll der Fortschritt. Krasser Überraschungseffekt. Und mit 50 hast du schon ordentlich Bums. Sind echte Waffen, diese Hybridkisten.“

      „Aber die Frontscheibe hätte er uns nicht einhauen brauchen.“

      „Ist doch egal. Die Mühle kommt ja eh in die Presse.“

      „Wie, du willst die Kiste wegschmeißen?“

      „Ja, logisch. Keine Spuren. Wir machen das wie besprochen. Wir nehmen den Wagen auseinander, schrotten die Karosserie und verscherbeln den Rest als Ersatzteile. Und vorher noch alles dampfstrahlen.“

      „Wenn du meinst. Weißt du noch, wie wir damals den Buick hergenommen haben?“

      „Anfängerfehler. Zu laut. Musst du den richtigen Moment ganz genau abpassen. Bei hohem Tempo. Damals hat der Heini es ja auch noch geschnallt und dreht sich um. Hat uns gesehen. Zu spät allerdings. Was mich am meisten gewundert hat: dass an der Kiste so viel kaputtgeht. Ist doch ein Riesenauto, voll massiv. Das war echt blöd. Du darfst für so was keine Mühle nehmen, an der dein Herz hängt. Schon weil du so schwer Ersatzteile kriegst. Hätten wir die Lichter nicht mehr bekommen, wären wir den Buick vielleicht gar nicht mehr losgeworden.“

      „Ach, der Buick. Schöne Zeit. Wobei unser Mustang auch ein geiler Schlitten ist.“

      „Also, die roten Ledersitze sind nicht wirklich meins.“

      „Mann, Junge, das ist Vintage. So was wird heute gar nicht mehr hergestellt.“

      „Meinst du, das war ein Fehler, dass wir damals den Buick verkauft haben? Also, wenn da jemand doch mal das Nachforschen anfängt. Können da noch Spuren dran sein?“

      „Nach zwei Jahren! Nie im Leben! Und ich hab für den Tag ein Alibi. Du auch. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass nach zwei Jahren da noch irgendwas kommt? Unfall mit Fahrerflucht – so was passiert doch andauernd. Sogar die Aktion gestern hat keine große Welle gemacht. Ich hab zumindest nichts gehört.“

      „Da machst du es dir ein bisschen einfach. Die Polizei ermittelt garantiert wegen Fahrerflucht.“

      „Ja klar. Aber die werden doch nicht ausgerechnet uns auf dem Schirm haben. Wie denn?“

      „Zeugen?“

      „Und wenn – die Kennzeichen sind geklaut. Das führt zu nichts.“

      „Na hoffentlich. Und jetzt brauch ich was zum Essen. Ich hab voll Kohldampf.“

      „Später. Zuerst bringen wir die Karre heim, waschen sie und nehmen sie auseinander. Oder wir nehmen uns unterwegs noch was mit. Beim Burger King in Riem.“

      „Also, ich mag lieber zum Macky. Vom Burger King hört man ja immer so Sachen. Von wegen: Hygiene und so.“

      „Du und Hygiene …“

      „Das sagt genau der Richtige! Das mit dem Klo gestern war schon grob.“

      „Ich war in Eile.“

      „Du bist immer in Eile. So schwer ist das mit der Bürste nicht. Also, was essen wir?“

      „Scheiß auf Hamburger! Ich mag eh lieber ein Schinkenbrot. Mit Gurke. Haben wir noch Gurken zu Hause?“

      „Immer doch. Denn: Ein Leben ohne Gurken …“

      „… ist kein Leben.“

      Ohne Seele

      Der Schrottplatz Reitberger am Kiesgrund in Aschheim hat schon bessere Tage gesehen. Eine postapokalyptische Idylle, ein chaotischer Traum in Rost. Die Brüder Augustin und Franz Reitberger betreiben den Laden, ein altes Familienunternehmen, das ihnen die Eltern hinterlassen haben, die bei einem Autounfall – wie sonst? – ums Leben kamen. Mama hatte im Betrieb immer für Ordnung gesorgt. Jetzt nicht mehr. Vor vielen Jahren gehörte die Kiesgrube auch noch zum Geschäft. Bis ein plötzlicher Wasser-einbruch das Business mit dem Kies unattraktiv machte. Jetzt befindet sich neben dem Schrottplatz ein zwei Quadratkilometer großer Baggersee, der mit seinen alten Förderanlagen die Dorfjugendlichen anlockt, die von den hohen Auslegern der Bagger in die Tiefe springen. Die Schilder am Zaun mit Zutritt streng verboten werden geflissentlich ignoriert, was Franz und Augustin aber ebenfalls ignorieren. Da sind sie tolerant. Gesetze sind schließlich da, um gebrochen zu werden. Was auch daher rührt, dass sie sich nicht nur auf das legale Gewerbe mit dem Schrotthandel konzentrieren. „Breit aufstellen“ ist ihre Devise. Die beiden sind buchbar für jegliche Art von Job. Bis hin zum Auftragsmord. Was sie jedoch niemals so nennen würden. „Unfall mit Fahrerflucht“ ist ihre Spezialität. Doch das machen sie eher selten. Bevorzugt übernehmen sie seriöse Jobs im Sicherheitsbereich. „Fahren & Schützen“ lautet der Slogan für ihre Fahrdienstleistungen plus. Der Schrottplatz ist ihre bürgerliche Fassade und manchmal durchaus ein einträgliches Nebeneinkommen, vor allem, wenn sie für Leute mit zu viel Geld Amischlitten instand setzen und durch den TÜV bringen.

      Augustin gähnt, als er zusieht, wie Franz im Schein der Autolichter das große Vorhängeschloss am Torgitter des Schrottplatzes löst. Die Torflügel machen furchterregende Geräusche beim Öffnen. Das tun sie jedes Mal. Wie das Gähnen eines Dinosauriers. ‚Müsste man mal ölen‘, denkt Augustin – wie jedes Mal. Fast lautlos rollt der Hybridwagen auf das Gelände. Mit ungutem Quietschen schließt Franz die Torflügel hinter ihm. Augustin fährt den Wagen in die Halle.

      „Muss das wirklich noch heute sein?“, fragt Franz.

      „Logisch. Stell dir vor, es gibt doch irgendwelche Zeugen und die Polizei steht morgen Früh bei uns auf der Matte, dann schaut das voll blöd aus, wenn die Karre noch da ist.“

      „Aber die Nummernschilder sind doch geklaut. Wie sollen die uns denn finden?“

      „Franz, bau einfach den Motor raus und hau den Rest in die Presse. Dann ist das erledigt und wir müssen uns keinen Kopf machen.“

      „Findest du nicht, du übertreibst? Die Scheibe ist kaputt. Sonst ist der Wagen doch astrein. Einmal sorgfältig dampfstrahlen und das war’s.“

      „Nein, das Zeug ist hartnäckig. Am Ende sind da noch Knochensplitter oder Hirnmatsche in den Kühlrippen. Siehst du ja nicht gleich. Außerdem riecht das ungut, wenn es heiß wird. Jetzt mach schon!“

      Franz sieht zu dem silbernen Mustang hinüber und ist froh, dass sie ab morgen wieder