ihn belehrt, dass die flachen Sandbänke vor der Küste es kaum zuließen, ungeschoren bis an den Strand zu kommen. Und der Schiffer wusste das sicherlich auch.
Zur Beschleunigung der Fahrt wurden alle Segel gesetzt, das schwer angeschlagene Schiff nahm Fahrt auf die Küste auf. Mit klammem Herzen standen die Männer an Deck und starrten auf die Brandungswellen, die sich höher und höher aufbauten, um dann mit unbeschreiblichem Lärm auf den Strand zu donnern.
»Ob wir das überleben?«, fragte der Matrose, der die Befürchtungen der Mannschaft als einziger aussprach.
»Wenn wir bis an den Strand kommen, sind wir gerettet«, sagte der Zimmermann.
Mit seiner schweren Wasserladung lag die Brigg recht tief, zu tief, um über die Sände hinweg zu kommen. Hundert Meter vor der rettenden Küste stieß das Schiff inmitten einer furchtbaren Brandung auf Grund. Durch den schlagartigen Stillstand des Schiffes stürzten die Männer zu Boden. Im gleichen Augenblick knallte es über ihnen laut und scharf. Das waren die Segel, die jetzt zum Land hinflogen.
Steuermann Kolmorgen rappelte sich als Erster auf. Er blickte nach achtern und erstarrte. Eine Grundsee hatte sich hinter ihnen aufgebaut, nahm an Mächtigkeit zu und überragte schließlich das Schiff. Sie knallte gegen das Heck der Luna und hob es an. Der Segler stieg höher und höher, die Männer mussten sich festhalten, um nicht noch einmal nach vorne zu fallen.
Dann war die See unter dem Schiff hindurchgelaufen. Das Achterschiff rauschte das Wellental hinunter und krachte auf den Meeresboden. Holz splitterte, das schwere Ruderblatt schoss aus dem Wasser, wie von einer Kanone abgefeuert. Es flog hoch in die Luft, fiel mit einem schrillen Pfeifton wieder herunter und blieb senkrecht im Deck stecken. Gleichzeitig wurden die Männer mit Gischt überschüttet, die ihnen jegliche Sicht nahm.
Steuermann Kolmorgen wischte sich das Salzwasser aus den Augen und blickte wieder nach achtern. Erschreckt rieb er sich noch einmal die Augen, doch der Anblick veränderte sich nicht: Wo das Heck der Luna hätte sein müssen, war nur noch ein Gewirr aus geborstenem Holz und verbogenem Relingsgestänge. Das Rettungsboot war in zwei Teile gebrochen, die Reste schaukelten in ihren Aufhängungen.
Wieder wälzte sich eine Grundsee heran. »Alle Mann in die Masten!«, brüllte der Steuermann.
Die Aufforderung wäre nicht nötig gewesen. Die Seeleute rannten bereits über das Hauptdeck, vorbei an dem aufgespießten Ruderblatt, und hetzten die Wanten hinauf, als wären sie vom Teufel verfolgt.
Sie waren tatsächlich vom Teufel verfolgt, von einem Seeteufel. Diesmal lief die Welle nicht unter dem Schiff hindurch, diesmal fiel sie mit der Gewalt von Hunderten von Tonnen über die kleine Brigg her. Donnernd schlugen die Wassermassen an Deck, bis zur Saling hinauf spritzte die See, die Masten schwankten von einer Seite zur anderen. Die Welle hob das Schiff vom Grund hoch, schwenkte es parallel zur Küste, setzte es dann wieder mit einem schrecklichen Krachen auf dem Meeresgrund ab.
Steuermann Kolmorgen starrte vom Mast herab auf das Toben der Elemente. Es schien ihm, als wäre die Luna verschwunden, nur die beiden Masten ragten noch über die Brandungswelle hinaus. Einen Augenblick später zog das Wasser weiter Richtung Strand und gab das Schiff frei. Doch wie sah die Brigg jetzt aus: Das Deck war geborsten und die Aufbauten weggerissen. Wer es bisher nicht hatte wahrhaben wollen, sah es jetzt überdeutlich: Die Luna war zum Wrack geworden.
Neben sich hörte der Steuermann ein Fiepen, wie von einem Hund, der alleingelassen worden war. Er blickte auf den Mann, der in den Wanten hing wie ein nasser Sack.
»Was ist los mit Ihnen, Zimmermann?«
»Es ist aus mit uns. Wir machen es nicht mehr lange. Jetzt holt uns der Teufel.«
»Reißen Sie sich zusammen! Es ist doch nicht Ihre erste Strandung.«
»Nein, die dritte. Aber mit jedem Mal werden die Nerven dünner.«
»Noch sind wir nicht tot. Bestimmt kommen bald Leute, die uns retten werden.«
Es waren tatsächlich Helfer am Strand, doch die kümmerten sich nicht um die Luna. Sie hatten genügend mit der Rettung der Besatzung eines anderen Schiffes zu tun, das kurz zuvor gestrandet war.
Inzwischen waren auch die Masten der Luna kein sicherer Zufluchtsort mehr. Jedes Mal, wenn eine Welle das Wrack anhob und dann wieder auf den Meeresboden setzte, lockerten sie sich mehr und mehr in ihrer Verankerung. Sie, die einst fest und sicher gestanden hatten, schwankten jetzt von einer Seite zur anderen. Sie schwankten inzwischen so stark, dass sich die Leute eisern festhalten mussten, um nicht wie reife Pflaumen in die tosende See geschüttelt zu werden.
»Was sollten wir machen? », brüllte der Schiffer von der anderen Seite des Mastes zum Steuermann hinüber. »Wir können uns nicht mehr lange halten.«
Wilhelm Kolmorgen antwortete nicht. Er horchte auf den Sturm, der durch die Takelage jaulte, er blickte auf seine klammen Finger, die schon ganz weiß waren von der Anstrengung des Festhaltens, er fühlte die Kälte des Wassers, das sie ständig überschüttete und das ihn bereits vollständig durchnässt hatte. Und er sah den flackernden Blick des Schiffsführers, seine Angst und die Verzweiflung. Jetzt hat ihn die See geschafft, dachte Wilhelm Kolmorgen erschrocken, der Verlust seines Schiffes hat ihm den Rest gegeben, vielleicht auch die Sorge um seine Leute.
»Ich weiß es nicht«, rief er zur anderen Seite hinüber.
Der Schiffer wollte antworten, doch in diesem Augenblick prallte wieder eine Brandungswelle gegen das Wrack. Als die See weitergezogen war, rief der Schiffer seine Anweisungen in den Wind: »Wir können uns nicht mehr halten, Leute. Springt über Bord und schwimmt an Land.«
»Zu früh!«, schrie Steuermann Kolmorgen zurück.
»Wer gibt hier die Befehle?«, schimpfte der Schiffer.
Die Leute waren unschlüssig. Sie blickten zwischen ihren Vorgesetzten hin und her. Schließlich wandten sie sich an den Zimmermann, denn der war der Fachmann für alles, was mit Holz und Schiffbau zu tun hatte, sein Wort war jetzt entscheidend. Der Zimmermann löste seine verkrampften Hände von den Webleinen und hangelte zum Schiffer hin.
»Die Luna geht zum Teufel, sie ist kein sicherer Ort mehr«, kreischte er. »Ich gehe in die See.«
Das war das Zeichen, sich zum Sprung bereit zu machen. Zwei der Seeleute hatten jedoch Bedenken, sie suchten sich einen Platz in der Nähe des Steuermanns.
Der Schiffer zielte mit dem Finger auf das kleine Grüppchen, seine Stimme schnappte fast über. »Ich befehle Ihnen zu springen!«
»Nein, ich bleibe hier«, widersprach der Steuermann trotzig. »Solange ich noch Holz unter meinen Füßen spüre, bleibe ich.«
Nun gab es nichts mehr zu sagen. Der Kapitän löste seine Hände von den Wanten, kletterte zum Deck hinunter, hangelte auf den Bugspriet hinaus und ließ sich in die Brandung fallen. Der Zimmermann, zwei der Matrosen und der Leichtmatrose folgten ihm, ohne zu zögern.
Die drei Männer in den Wanten verfolgten mit bangen Blicken den Weg ihrer Kollegen. Die hatten bereits die Hälfte der Strecke zum Strand zurückgelegt, als sie von einer Brandungswelle hochgehoben wurden.
»Ich hätte auch springen sollen«, sagte einer der Matrosen, »dann wäre ich jetzt in Sicherheit.«
Keiner der Männer konnte sich mit weiteren Erörterungen aufhalten, denn der nächste Brecher rollte bereits heran. Er traf die Brigg auf der Seite und drückte sie platt aufs Wasser. Die Schiffbrüchigen wurden wie reife Äpfel aus dem Mast geschüttelt. Steuermann Kolmorgen fiel in das eisige Wasser, er ruderte mit den Armen, spürte einen Gegenstand, griff instinktiv danach. Mit beiden Händen klammerte er sich an das Seil, während das Wasser an ihm vorbeiströmte und an seinen Kleidern zerrte. Auch die beiden anderen hatten nach dem Tau gegriffen wie nach einem Rettungsanker. Doch von Rettung konnte keine Rede sein. Der nächste Brecher schlug das Wrack in Stücke, überall schwammen plötzlich Deckteile, Planken und Balken. Der Steuermann erkannte die einmalige Gelegenheit. Er ließ das Seil los und zog sich auf ein