2a zeigt die Einordnung des DVG im Policy-Zyklus, wie sie an dieser Stelle im vorherigen Jahrbuch 2020 dargestellt wurde.
2.2 Heuristische Einordnung und Beibehaltung der Perspektive
Die Analyse des DVG hatte im Hinblick auf die Anbindung der Gesundheitsfachberufe bereits im letzten Jahr drei Aspekte freigelegt, die eine kurzfristige und unkomplizierte Integration der sonstigen Leistungserbringer an das Gesundheitsdatennetz problematisch erscheinen lassen:
1. Entwicklung eines Prüf- und Vergabeverfahrens des elektronischen Heilberufeausweises für sonstige Leistungserbringer
Anders als die approbierten Gesundheitsberufe verfügen die Gesundheitsfachberufe i.d.R. nicht über eine zentrale Berufsgruppenorganisation, eine Kammer oder eine vergleichbare Selbstverwaltungsstruktur. Dieser Umstand erschwert die Zentralisierung der Qualifikationsprüfung zur Berufsausübung, die eine formale Voraussetzung für die Vergabe eines Berufsausweises darstellt.
2. Fehlende technische Lösung für einen mobilen Zugriff auf die Telematikinfrastruktur
Die aktuell existierende Hardwarearchitektur sieht lediglich einen stationären Einsatz an einem festen Ort (z. B. Praxis) vor. Dieser technische Umstand erfüllt nicht die praktischen Erfordernisse der meisten Berufsgruppen, die durch das DVG für die Einbindung in die TI benannt wurden. Insbesondere die freiberuflichen GeburtshelferInnen und die PflegerInnen erbringen ihre Leistungen meistens im häuslichen Umfeld der Leistungsempfänger. Aber auch viele Tausend Leistungserbringer im Bereich der „Homecare“ Versorgung erbringen ihre Leistungen dezentral und mobil. Da der Zugriff auf die digitalen Patientendaten bzw. die Eingabe neuer Informationen in der bestehenden TI-Logik das Einstecken eines Authentifizierungsnachweises des Leistungserbringers und der Gesundheitskarte des Leistungsempfängers zur gleichen Zeit (bzw. nacheinander) erfordern, wird für die systemkonforme Integration der sonstigen Leistungserbringer eine mobile Zugriffstechnologie zwingend benötigt.
3. Identifikation der Zugriffsrechte
Der Mehrwert der Telematikinfrastruktur für Patienten und Leistungserbringer steht und fällt wahrscheinlich mit der Sinnhaftigkeit des „feingranularen“ Zugriffsrechtekonzeptes. Der bessere patientenbezogene Informationsfluss zwischen dem Patienten und dem beteiligten Leistungserbringer bringt das wesentliche Potenzial zur Optimierung der Versorgungsqualität mit sich. Durch die verlässliche Verfügbarkeit der Daten und ein sinnvoll abgestimmtes Zugriffsrechtekonzept auf die wichtigsten Patientendaten zur richtigen Zeit am richtigen Ort kann die Versorgungsqualität und die Patientensicherheit deutlich verbessert werden.
2.3 DVG-Folgegesetze
Das DVG beantwortete im Hinblick auf diese detaillierten Umsetzungsaspekte noch nicht alle Fragen in Gänze. Um einige Lücken zu schließen, brachte das Bundesgesundheitsministerium im Laufe des Jahres 2020 das DVG-Folgegesetz mit dem Namen „Patientendateschutzgesetz (PDSG)“1 in den Bundestag ein. Das Gesetz wurde nach intensiven Beratungen zügig verabschiedet und ist dann mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt im Oktober 2020 in Kraft getreten. Aktuell liegt schon das 3. Digitalisierungsgesetz, das „Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege“ (DVPMG), als Referentenentwurf vor. Eine entsprechende Einordnung in die hier gewählte analytische Heuristik, wird in der folgenden Abbildung vorgenommen. In der Logik des Policy-Zyklus-Modells können PDSG und DVPMG bereits als Instrumente der Nachsteuerung durch Schärfung einzelner Regulierungssachverhalte und durch Konkretisierung verstanden werden. Angepasste Fristen oder Reihenfolgen in der Umsetzung (z. B. der Berufsgruppenintegration in den Kreis der TI-Teilnehmer) können in diesem Sinne als „Policy-Lernen“ auf Seiten des Gesetzgebers verstanden werden.
Mit dem PDSG wurden insgesamt wichtige Konkretisierungen zum Konzept der Telematikinfrastruktur, ihrem Betrieb und ihren Zugriffsberechtigungen vorgenommen. Zum einen wurde durch die Einführung des § 343 in das SGB V „Angebot und Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA)“, die Rechtsgrundlage für das eigentliche Herzstück der Telematikinfrastruktur gelegt.
Dort heißt es im ersten Absatz:
„(1) Die Krankenkassen sind verpflichtet, jedem Versicherten spätestens ab dem 1. Januar 2021 auf Antrag und mit Einwilligung des Versicherten eine nach § 325 Absatz 1 von der Gesellschaft für Telematik zugelassene elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen, die jeweils rechtzeitig den Anforderungen gemäß Absatz 2 entspricht.“ 2
Zum anderen konkretisiert das Gesetz mit dem § 340 (PDSG)3 die Verantwortlichkeit für die Entwicklung und den Aufbau eines Prüf- und Vergabeverfahrens für die Ausgabe von elektronischen Heilberufe-und Berufsausweisen sowie von Komponenten zur Authentifizierung von Leistungserbringerinstitutionen der Gesundheitsfachberufe:
„§ 340 Ausgabe von elektronischen Heilberufs- und Berufsausweisen sowie von Komponenten zur Authentifizierung von Leistungserbringerinstitutionen (1). Die Länder bestimmen 1. die Stellen, die für die Ausgabe elektronischer Heilberufsausweise und elektronischer Berufsausweise zuständig sind, und … die Stellen, die bestätigen, dass eine Person … befugt ist, … einen … Berufe im Geltungsbereich dieses Gesetzes auszuüben …“ 4
Damit wurde ein zentrales Problem der Anbindung von Gesundheitsfachberufen an die Telematikinfrastruktur adressiert. Denn auf Basis des aktuellen technischen und organisatorischen Aufbaus der Telematikinfrastruktur ist der Besitz eines elektronischen Heilberufeausweises die Voraussetzung für den Zugriff auf die TI und Ihre Anwendungen. Die Vergabe der eHBA`s für Gesundheitsfachberufe bedarf allerdings eines administrativen Unterbaus, der erst noch geschaffen werden muss. Mit dem PDSG hat die Bundesregierung klar gemacht, dass hierfür die Bundesländer zuständig sind. Die Bundesländer sind bereits seit längerer Zeit zu diesem Thema im Gespräch und haben nach Inkrafttreten des PDSG die zielorientierte Abstimmung hierzu konkretisiert. Nach jetzigem Stand hat das Land NRW federführend die Koordination übernommen. Das erscheint aus einer außenstehenden Perspektive zunächst sehr sinnvoll, denn in NRW existieren schon seit Jahren Ansätze, die sich um den Aufbau des „elektronischen Gesundheitsberuferegisters“ (eGBR) drehen, an welche hier nun angeknüpft wurde.
Um dieses Ziel erfolgreich umzusetzen fokussiert das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes Nordrhein-Westfalens drei Teilziele:
1. Den Abschluss eines Staatsvertrages mit mindestens acht weiteren Bundesländern.
2. Die Entwicklung verwaltungsrechtlicher Grundlagen für den Aufbau und den Betrieb des elektronischen Gesundheitsberuferegisters.
3. Die technische Entwicklung eines elektronischen Gesundheitsberuferegisters.
Grundsätzlich soll sich aus Sicht der Gesundheitsfachberufe, das Antragsverfahren wie in Abb. 2c skizziert darstellen5.
1. Der Leistungserbringer initiiert über eine Plattform selbst den eigenen Antrag auf Aufnahme in das elektronische Gesundheitsberuferegister.
2. Über die Antragsplattform werden die Angaben zur beruflichen Qualifikation des Antragsstellers einer „bestätigenden Stelle“6 zugeordnet, welche die Eingaben des Antragstellers verifiziert bzw. falsifiziert. Im Verifikationsfall erfolgt eine Aufnahme in das elektronische Gesundheitsberuferegister.
3. Nach Aufnahme des Antragstellers in das Register wird der Antragsteller über die Antragsplattform informiert, so dass der Antragsteller über die Antragsplattform bei einem Vertrauens-Dienstanbieter (VDA) die Produktion eines elektronischen Heilberufeausweises beantragen kann.
4. Nach Produktion des eHBA stellt der jeweilige VDA den Ausweis dem Antragsteller auf einem sicheren