des Rates zu Leipzig von Oswald aus dem Winkel, 3. Februar 1612.
1534 lag die Grundherrschaft über Panitzsch beim Rittergut Taucha, von dem es die Herren von Bünau auf Brandis kauften und in ihr bereits 1516 erworbenes Rittergut Cunnersdorf eingliederten. Aufgrund der hohen Verschuldung war diese Adelsfamilie jedoch bald zum Verkauf des Rittergutes gezwungen. Starkes Interesse bekundete der Leipziger Rat, dem schon andere ländliche Güter und verschiedene Ortschaften außerhalb seiner Stadtgrenzen gehörten. Schon 1601 ließ Leipzig einen „Anschlag“ (Schätzung) über das stark belastete Cunnersdorf anfertigen. Nach längeren Verhandlungen über den Kaufpreis und die Ablösung der bestehenden Schulden kaufte der Leipziger Rat im August 1607 das Rittergut Cunnersdorf mit dem Ort Panitzsch „mit Zinsen und allen Gerichten“ vom vormaligen Besitzer Oswald aus dem Winkel auf Brandis. Als Kaufsumme verzeichnen die Leipziger Stadtkassenrechnungen rund 18.500 Gulden Nürnberger Währung (= 14.095 Meißnische Gulden). Den Kauf der Merseburgischen Güter schloss der Rat ab, ohne sich an die früher übernommene Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des Domkapitels zu halten, zu dessen Lehnsgebiet auch Cunnersdorf gehörte. Und so führte die unberechtigte Belehnung des Leipziger Rates mit dem gesamten neu erworbenen Besitz durch den Landesherrn zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Domkapitel in Merseburg. Ob es allein an der Versicherung des Leipziger Bevollmächtigten lag, „daß man nur aus Unwissenheit versäumt habe, die Erlaubnis einzuholen“ und um „nachträgliche Genehmigung“ bat, ist fraglich. Die Quellen halten nur die tatsächliche Belehnung mit „dem Gut Cunnersdorf samt den Gerichten oberst und niederst über Hals und Hand in Cunnersdorf und Panitzscher Mark sowohl im Dorf Panitzsch auch das Kirchenlehen daselbst...“ urkundlich fest. Zum neuerworbenen Gut gehörten „etwa 170 Acker Feld, stattliche Teiche und Triftrechte auf beiden Fluren“. Panitzsch mit seinen 36 Nachbarn (davon sechs Pferdner) das größte Dorf im Umkreise, trieb den Ratsbesitz weiter nach Osten. Die meisten Dörfer an der Parthe gehörten jetzt mit voller Gerichtsbarkeit der Stadt Leipzig“, stellte Werner Emmerich in seinem Buch zum ländlichen Besitz des Leipziger Rates 1936 fest.
Die Erwerbung von Panitzsch und Cunnersdorf fiel in eine Zeit der umfassenden Rittergutsankäufe durch den Rat der Stadt Leipzig, beginnend mit dem Erwerb der Lehnsherrschaft über das Rittergut Taucha im Jahr 1569. Mit der Ratslandstube entstand eine einzigartige städtische Verwaltungsstelle für die eigenen „Land- und Rittergüter“. In den für die Stadt Leipzig ausgestellten Besitzurkunden, den Stadtkassenrechnungen bzw. den Unterlagen der Landstube bzw. des Ratslandgerichtes finden sich zahlreiche Belege zu den Bewohnern des Ortes Panitzsch, zu Besitz- und Abgabeverhältnissen sowie zu juristischen Auseinandersetzungen der Bewohner untereinander oder mit Nachbargemeinden wegen Grundstücksgrenzen oder des Wegerechts.
Aus dem ländlichen Besitz standen dem Rat der Stadt Leipzig als Grund- und Gerichtsherr eine Reihe von „Erträgnissen“ in Form von Geld- und Naturalleistungen, darunter Getreide, Hühner, Lämmer oder Brotlieferungen, zu. Für Panitzsch ist beispielsweise überliefert, dass ein „Nachbar“ zwei Gulden und fünf Groschen zahlen musste sowie ein Huhn abzuliefern hatte. Allerdings waren die Dorfbewohner nicht allein gegenüber dem Grundherrn abgabenpflichtig, sondern ebenso gegenüber dem Pfarrer („Pfarrlehn“) sowie dem Schullehrer (Schullehn). Von persönlichen Frondiensten waren die Bewohner der Leipziger Ratsdörfer allerdings befreit.
Die Landerwerbungen brachten dem Leipziger Rat nicht immer den erhofften wirtschaftlichen Gewinn. Schon 1610, also kurz nach dem Kauf von Cunnersdorf und Panitzsch, zeichneten sich finanzielle Schwierigkeiten ab, die schließlich während des Dreißigjährigen Krieges aufgrund der hohen Kriegskontributionen 1625 ihren Höhepunkt erreichten. In Panitzsch selbst entstanden durch die Truppendurchzüge, Einquartierungen und Plünderungen große Schäden. Als Ausweg blieb dem Leipziger Rat schließlich nur die Wiederveräußerung von Besitzungen möglichst gegen Barzahlung. Als dies nicht gelang, verpfändete der Rat 1627 fast alle Rittergüter und acht Ortschaften, darunter nicht zuletzt Taucha und Cunnersdorf mit Panitzsch an den vom Landesherrn eingesetzten Finanzkommissar David von Döring. Der Leipziger Rat verlor damit fast vollständig die Kontrolle über die verpfändeten Güter.
Aufnahme aus dem alten Ortskern von Panitzsch mit einem typischen Dreiseitenhof.
Als der Finanzkommissar von Döring 1638 verstarb, nahm der Rat der Stadt Verhandlungen mit seinen Erben auf, die schließlich 1650 zum Erfolg führten. Da die Schuldsummen mit den Einnahmen fast ausgeglichen waren, stimmten die Erben der Rückgabe von Taucha mit Plösitz und Pröttitz sowie von Cunnersdorf mit Panitzsch an die Stadt Leipzig zu. Allerdings waren zwischenzeitlich Cunnersdorf und Panitzsch ohne Rechtsgrundlage durch die Döringschen Erben an Hans Ulrich von Grünroth gegeben worden. Erst nachdem der Rat 1666 die ausstehenden Schulden an Grünroth bezahlte, gehörten Cunnersdorf und Panitzsch wieder uneingeschränkt der Stadt Leipzig.
Die Gerichtsbarkeit im Rittergut Cunnersdorf sowie im Dorf und in der Flur Panitzsch für Angelegenheiten der Obergerichte (Strafgerichtsbarkeit über Kopf und Hand) und der Niedergerichte für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung lagen beim Leipziger Rat. Als Guts- und Gerichtsherr wurde der Leipziger Rat durch Beamte des Ratslandgerichts vertreten, die in Panitzsch Gerichtstage abhielten. Als Richter ernannte der Rat auf Lebenszeit Panitzscher Nachbarn, die zum Kreis der „Ansässigen“ (Landeigentümer, als Hufner oder Gutsbesitzer bezeichnete Bauern) gehörten, denen bis zu vier Beisitzer (Gerichtsschöppen) zur Seite standen. Richter und Schöppen bildeten das Ortsgericht. Die Gerichtstage fanden in der Regel in den Spätherbst- oder Wintermonaten in der Wohnstube des Ortsrichters, in der Pfarrwohnung oder in einer Schankstube statt.
Die Verhältnisse, Rechte und Pflichten der Altgemeinde waren in der vom Grundherren bestätigten Dorfordnung festgehalten. Diese wurden ursprünglich mündlich überliefert und erst seit dem 15. Jahrhundert schriftlich festgehalten. Die Dorfordnung wurde auf den jährlichen Gerichtstagen, zu denen nach festgelegtem Ritual zusammengerufen wurde, öffentlich vorgelesen und bis ins 19. Jahrhundert immer wieder den veränderten Bedingungen angepasst. Für einzelne Angelegenheiten bestand außerdem die Zuständigkeit des Königlichen Kreisamtes Leipzig als landesherrliche Unterbehörde. Nach der Umsetzung der sächsischen Justizreform von 1856 übernahm das Königliche Gerichtsamt in Taucha alle Justizangelegenheiten.
Prunkwappen der Stadt Leipzig am Altar der Panitzscher Kirche.
An das Patronatsrecht des Leipziger Rates erinnert noch heute das Leipziger Stadtwappen, das sich an der 1705 geschaffenen Altaranlage in der Kirche befindet und ebenso auf der kleinsten der drei Kirchenglocken aus dem Jahr 1756 zu sehen ist. Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch, dass vom 20. März 1697 bis zu seinem Tode am 16. Juli 1729 Magister Johann Jacob Vogel aus Leipzig als Pfarrer in Panitzsch wirkte. Bis heute ist Vogel durch sein „Leipzigisches Geschicht-Buch Oder Annales“ für den Zeitraum vom Jahr 661 bis 1714 bekannt, einem Werk, das für die Geschichte der Stadt Leipzig und deren Umgebung nach wie vor unentbehrlich ist.
Einwohnerzahlen und sozialer Status
Zunächst veränderte sich die Zahl der in Panitzsch lebenden Einwohner kaum. 1552 nennen die Quellen für Panitzsch 34 „besessene“ Mann (auch als Hufner bezeichnet), fünf Häusler (ohne Grundbesitz; sie verdienten ihren Unterhalt als Tagelöhner für die Guts- und Grundherrn, die Gemeinde oder die Pfarrei) sowie fünf „Inwohner“.
Seit dem 11. Jahrhundert entstand die Dorfflur in Hufeneinteilung. Ein Hufner war ein Bauer, der als Grundbesitz eine, mehrere oder einen Teil einer Hufe Land bewirtschaftete. Die Gesamtheit der bald alteingesessenen landbesitzenden Hufner bildete die sogenannte Altgemeinde des Dorfes. Ein Hufner war Vollmitglied der Gemeinde der Bauern, besaß Mitspracherecht in der Gemeinde und ihm stand die Nutzung des „Allgemeingutes“ (der Allmende) wie an Wegen, Wiesen oder Gewässern außerhalb der parzellierten, in Fluren aufgeteilten Flächen zu. In der sozialen Hierarchie der dörflichen Gemeinschaft standen die Hufner als Vollbauern und Besitzer eines Hofes mit Land von einer Fläche zwischen 30 bis zu 100 Morgen vor den Häuslern, die niemals Mitglied der Altgemeinde