einen Alleinvertretungsvertrag für deren Stahlprodukte ausgehandelt. 1872 erwarben sie das Puddlings- und Walzwerk Bruckbacherhütte bei Waidhofen/Ybbs und 1894 das Gussstahlwerk in Kapfenberg. Bis 1875 waren auch die jüngeren Brüder Otto und Friedrich als zusätzliche Gesellschafter eingetreten. 1899 wurde das Unternehmen, inzwischen weltberühmt für seine Edelstahle und Schmiedeprodukte, in eine AG umgewandelt. Mit Friedrich Böhlers Tod im Jahre 1914 endete die eigentliche Geschichte von Böhler als Familienunternehmen. In der Hyperinflation nach 1918 geriet das Unternehmen immer mehr in den Einflussbereich des Deutschen Stahlvereins. Der starke Mann im Unternehmen war bis 1938 der von Friedrich Böhler eingesetzte Otto Friedländer, dem dieser mehr vertraute als seinen Neffen, der aber wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten sofort entfernt wurde. Gleichzeitig war dies das Ende der Familiengesellschaft. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs, vor der endgültigen Verstaatlichung, war die Familie Böhler nur mehr mit etwa 8 Prozent beteiligt.169
Krupp ist auch in Österreich ein klingender Name. Die österreichischen Krupp waren zwar nicht so reich wie ihre deutschen Verwandten. Bertha Krupp hatte 1910 das höchste Einkommen Deutschlands. Arthur Krupp lag in der österreichischen Einkommensskala nur an dreißigster Stelle. Sein Einkommen von 906.012 Kronen war nur ein Zwanzigstel der Einkünfte von Bertha Krupp. Hermann Krupp, der Sohn von Friedrich Krupp und jüngere Bruder von Alfred Krupp, war 1843 nach Österreich gekommen, um hier seine neue Technik des Walzens von Besteck zu etablieren. Er tat sich mit Alexander Schoeller zusammen. Krupp brachte die Technik, Schoeller das Kapital. Die beiden waren zu je 50 Prozent am neuen Unternehmen beteiligt. Zu den Kunden des gewalzten, silberähnlichen und relativ billigen Bestecks zählten Hotels, Eisenbahnverwaltungen und Schifffahrtslinien. Der Ruhm des Unternehmens stammte aber weniger von den billigen Massenwaren als von den hochwertigen und hochpreisigen Essbestecken, wie sie zum Beispiel Kaiserin Elisabeth für ihr Korfuer Achilleon bestellt hatte. Arthur Krupp war von seiner Mitwelt für einen Geldverdiener von nahezu amerikanischem Zuschnitt gehalten worden. Er trieb in seiner Blütezeit den Aufwand eines Nabobs. Sein Geltungsbedürfnis war groß, wenn auch altruistisch. Seine Bautätigkeit, seine überbordenden Feste und Einladungen und seine Jagdleidenschaft lagen in „einer großzügig angelegten Natur“ seines Charakters begründet.170 Schon in der Wirtschaftskrise des Jahres 1900 geriet die Berndorfer Fabrik trotz ihres äußeren Glanzes in eine schwere Zahlungskrise, in der Friedrich Alfred Krupp, der seine Beteiligung erhöhte, dem österreichischen Vetter noch einmal aushalf.171 Nach 1901 steckten bereits namhafte Summen aus Essen im Berndorfer Unternehmen. 1915 musste das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden: Arthur Krupp verfügte über 17 Prozent, die Essener Krupp über 20 Prozent; 47 Prozent war der Anteil der Credit-Anstalt, der Rest entfiel auf die übrigen Familienangehörigen.
Arthur Krupp verstand sich wie seine deutschen Verwandten als patriarchalischer und sozial engagierter Unternehmer. Wie in Essen sollte auch in Berndorf eine Musterstadt entstehen. Mit Blick auf das Unternehmen und die Stadt ließ er seine repräsentative Villa errichten. Für die Arbeiter und Angestellten gab es werkseigene Wohnhäuser und ein neobarockes, von den renommierten Theaterarchitekten Helmer und Fellner errichtetes Arbeitertheater, für die Schüler 1909 zwei Schulen mit den Klassenzimmern in den wichtigsten Kunststilen vom alten Ägypten bis zum napoleonischen Empire – mit etwa 3 Millionen Kronen die teuerste Schulausstattung der Welt –, für den Gottesdienst eine neugotische evangelische und eine neubarocke katholische Kirche, für die Verköstigung eine Ausspeisungshalle für mehr als 1.000 Personen, für die Versorgung eine Konsumanstalt mit Fabriksökonomie, Bäckerei, Schweinemastanstalt und Meierei mit mehr als 250 Kühen sowie Schlachthaus und Wurstfabrik. Haus- und Firmenarchitekt war der dem Späthistorismus verpflichtete Ludwig Baumann. Krupp hielt nichts von modernen Architekten wie Adolf Loos oder Otto Wagner und auch nichts von moderner Demokratie. Sein Führungsstil war autoritär. An der Spitze des Unternehmens müsse einer stehen, der „rücksichtslos den Leuten die Schädel an einander schlägt“.172 Nach dem Zerfall der Monarchie und der Umstellung auf Friedensproduktion kamen immer mehr wirtschaftliche Schwierigkeiten. So zog sich Krupp langsam aus seinem Imperium nach Wien und in die Natur in seinem Jagdgebiet in der Walster zurück. Erst 1936 kehrte er nach Berndorf zurück, wo er 1938, wie auf seiner Todesanzeige zu lesen stand, „reich an Erfolgen und reich an Kummer und Sorgen“ verstarb.
Hugo Noot wurde in Löhnen bei Wesel (Nordrhein-Westfalen) geboren, kam als Handlungsreisender 1863 nach Wien und trat in die Dienste des Steyrer Gewehrfabrikanten Josef Werndl, in dessen Auftrag er Geschäftsabschlüsse in Konstantinopel tätigte und sich für Studien über die Waffenherstellung in den USA aufhielt. Gemeinsam mit Friedrich Vogel gründete er 1872 in Wartberg im Mürztal und im benachbarten Mitterdorf ein eigenes Eisen- und Stahlwerk zur Herstellung von Heeresausrüstungen. Von 1891 bis 1919 war Noot Präsident der Krainischen Eisen-Industriegesellschaft in Laibach, die nicht nur Stahlwerke in Assling (Jesenice) und Feistritz besaß, sondern in Servola bei Triest eine am Meer gelegene, moderne Hochofenanlage errichtete. Auch ein weiterer Großaktionär und Verwaltungsrat der Krainischen Eisenindustriegesellschaft, der Financier Karl von Born, war aus Berlin nach Wien gekommen.
Erst mit Blick auf die Liste der Wiener Millionäre wird deutlich, dass in Österreich mit seiner traditionsreichen Eisenindustrie der überwiegende Teil der finanziell wirklich erfolgreichen Eisen- und Metallindustriellen aus Deutschland kam, Böhler, Krupp, Noot, Born, Bleckmann, Haardt, Brevillier und Urban. Auch die Gesellschafter der Rudolf Schmidt & Co Oesterreichische Schmidtstahlwerke AG, die Feilen- und Werkzeugstahlfabrikanten Rudolf Schmidt und Hugo Rosenthal, stammten aus rheinländischen Schmiedefamilien. Anton Knips kam aus Sachsen. Zusammen mit der Altwiener Familie Krassl und der Eisenhandelsfirma C. T. Petzolt & Co führte er die Eisenwerke AG Rothau-Neudeck mit ca. 3.000 Beschäftigten. Und auch die Famile Schoeller, die ja mit ihrem Stahlwerk in Ternitz und ihrer anfänglichen Beteiligung in Berndorf mit der Eisen- und Metallindustrie eng verbunden war, stammte aus dem Rheinland. Wenn man die deutschen Wurzeln von Rothschild und Wittgenstein ebenfalls dazunimmt, kommt man zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Spitzen der österreichischen Eisenindustrie weitgehend von Deutschland geprägt waren, und das in einem so alten Eisenland wie Österreich.
Rüsten für den Krieg
Das Wettrüsten, das im beginnenden 20. Jahrhundert einsetzte, wenn auch in Österreich in geringerem Umfang als bei den übrigen europäischen Mächten, bescherte den Industriellen naturgemäß fette Gewinne, nicht nur den Waffenerzeugern und Munitionsfabrikanten, sondern auch den sonstigen Heeresausrüstern.173 Karl Škoda lenkte den von seinem Vater Emil aufgebauten Konzern immer mehr ins Rüstungsgeschäft. Er war nach Wien übersiedelt, um die Kooperation zwischen Pilsen und Wiener Neustadt zu einem umfassenden Rüstungskonzern voranzutreiben. Er baute die Škoda-Werke zur Waffenfabrik aus, fädelte eine enge Zusammenarbeit mit Austro-Daimler ein und zählt auch zu den Gründern der Oesterreichischen Flugzeugfabrik AG in Wiener Neustadt. Das spektakulärste Produkt waren die 30,5 cm großen Mörser mit den mit Radnabenmotoren angetriebenen Zugmaschinen. Nach Ende des Krieges wurde das Unternehmen in tschechisch-französischen Besitz übergeführt (Schneider-Creusot). Škoda übersiedelte ganz nach Österreich und widmete sich seinem Großgrundbesitz.174 Wie Škoda in Pilsen mit Geschützen wurde Werndl in Steyr mit Gewehren reich. Die beiden Werndl-Töchter konnten aus den Erträgen der Gewehrfabrik, die ihr Vater aufgebaut hatte, mit ihren adeligen Ehepartnern ein unbesorgtes, arbeitsfreies Einkommen genießen.
Zwischen Wien und Wiener Neustadt entwickelten sich die Zentren der österreichischen Munitionserzeugung. Viktor Alder erzeugte Granatenzünder und gilt als Erfinder der Leuchtspurmunition. Begonnen hatte sein Vater mit der Herstellung von Fliegenpapier (des sogenannten Fliegenfängers oder Insektenstreifens). Späteres Herzstück der Erzeugung von Alder waren aber die Schießbaumwolle und die Zündkapsel-Herstellung für die Hinterlader.175 Die Brüder Roth (im Wiener Slang die „Kapselroth“) waren Munitionsfabrikanten, ähnlich wie Mandl und Keller in Hirtenberg und Enzesfeld. Die Roth AG leitete für das von Hans Ritter v. Dahmen auf der Basis von Ammoniumnitrat und Aluminium erfundene Ammonal ab 1909 im Pulverwerk Felixdorf die Großproduktion in die Wege und entwickelte daraus im Ersten Weltkrieg das Toluol-Ammonal.
Aber nicht nur die Waffenproduzenten, sondern auch jene, die für die sonstige Ausrüstung verantwortlich waren, konnten sich großer Aufträge erfreuen, die Erzeuger