Wolfram Letzner

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands


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von einer „Vorburg“ und einer „Hauptburg“ zu sprechen. Der Aushub diente zur Aufschüttung eines ebenfalls 4 m hohen Walls. (Abb. 13) Zu den steil abfallenden Seiten des Sporns fanden sich wohl nur Palisaden. Bei der Suche nach einem Tor im äußeren Wall wurden die Archäologen nicht fündig, doch ein entsprechender Zugang zur Siedlung muss hier bestanden haben. Im inneren Wall hingegen wurden zwei sehr unterschiedliche Tore gefunden: ein aufwendiges Kammertor mit Einbauten und ein ganz einfaches Tor. Außerdem war dieser Wall durch einen zusätzlichen Turm gesichert.

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      Insgesamt fanden die Ausgräber über 50 Gebäude. Dabei wurden in der „Vorburg“ eine Reihe kleinerer Gebäude beobachtet. Diese waren entweder ebenerdig oder in den Boden eingetieft. Ein ganz anderes Bild zeigte hingegen die Innenbebauung der „Hauptburg“: Hier konnten ein großes Pfostenhaus (8 x 13 m), zahlreiche ebenerdige Speicherbauten (3 x 4 m) und Grubenhäuser ausgegraben werden. Außerdem entdeckte man rund 600 Gruben, die unterschiedliche Zwecke erfüllten. Dabei gab es solche, die in der Mitte einen Pfosten besaßen, der auf eine Überdachung schließen ließ. Sie wurden daher als Speichergruben interpretiert, die den von Tacitus beschriebenen entsprechen. Dazu kamen noch kleinere Funde unterschiedlicher Art.

      Das große Pfostenhaus ließ natürlich die Frage nach der Nutzung offen, da es schon aufgrund seiner Größe ein Alleinstellungsmerkmal besaß. Weil man in der Nähe Spuren von Tier- und Menschenopfern fand, schlossen die Ausgräber schnell auf eine kultische Verwendung. Diese Deutung mag aus den Zeitumständen heraus opportun gewesen sein. Eine nicht minder plausible, damals aber vielleicht nicht politisch korrekte Interpretation könnte sein, hier den Sitz eines „Stammesfürsten“ zu sehen.

      Ein großer, unbebauter Platz im Zentrum der „Hauptburg“, den man bei Ausgrabung nachweisen konnte, könnte dann vielleicht auch mit kultischen Handlungen verbunden gewesen sein, wäre aber auch durchaus als Versammlungsplatz zu deuten.

      Als die Archäologen im Jahr 1980 abrückten, war von den Ausgrabungen nicht mehr viel zu sehen. Nur der Wall zwischen Vor- und Hauptburg, den man mit der Grabenverfüllung wieder aufgebaut hatte, zeugte von deren Tätigkeiten. Diese unbefriedigende Situation führte dazu, dass schon 1984 die Ortsgruppe des Kulturbundes, einer dem Staat nahestehenden Organisation, damit begann, erste Rekonstruktionen vorzunehmen.

      Nach dem Ende der ehemaligen DDR entstand der Verein „Funkenburg e. V.“, der in den folgenden Jahren die Chance nutzte, umfassende Rekonstruktionen an Ort und Stelle durchzuführen und so die Grabungsergebnisse durch Rekonstruktionen bis 1999 zu visualisieren. Es entstand ein eindrucksvolles Freilichtmuseum, bei dem das Wallsystem mit den Toren, das große Pfostenhaus sowie eine Reihe von kleineren Gebäuden die Möglichkeit bieten, Geschichte hautnah zu erleben.

       www.funkenburg-westgreussen.de

      Literatur

      S. Barthel, Rekonstruktion einer germanischen Burganlage in Westgreußen, Lkr. Sondershausen, Ausgrabungen und Funde 39, 1994, 238–246; S. Barthel, D8 Westgreußen, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 504 f.

      Keine andere Schlacht als die im Teutoburger Wald hat die Gemüter der Deutschen seit mehr als 2000 Jahren so bewegt. Arminius, der Held dieser Schlacht, wurde seit dem späten 18. Jh. zur Symbolfigur für eine deutsch-nationale Identität und einen Nationalstaat. Einen Schönheitsfehler hatte die Geschichte aber: Man wusste nicht, wo dieser heroische Kampf stattgefunden hatte. Erst seit gut 20 Jahren neigt die Forschung dazu, das Schlachtfeld im niedersächsischen Kalkriese, nördlich von Osnabrück zu lokalisieren.

      [14] Bramsche/Kalkriese – Eine Schicksalsstunde der Deutschen?

      Niedersachsen

      Furor Teutonicus – der historische Hintergrund

      Germanien, ein römisches Trauma? Blickt man auf die römische Geschichte, so zeigt sich, dass es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Konflikten zwischen Rom und den Germanen gekommen war. Und diese gingen nicht immer zugunsten der Römer aus.

      Für römische Feldherren und Politiker bestand daher immer wieder der Rechtfertigungsgrund für einen Angriffskrieg und Gebietserweiterungen, man müsse der Gefahr aus dem Norden zuvorkommen. Caesars Eroberungen waren nach dessen Ermordung im Jahr 44 v. Chr. durch den folgenden Bürgerkrieg nicht ausreichend gesichert. Um 17/16 v. Chr. war es zu einer erneuten Invasion eines germanischen Stammes, der Sugambrer, gekommen, wobei eine Legion vernichtend geschlagen worden war. Der Verlust einer Legion mochte zwar bedauerlich sein, doch unverzeihbar war der Verlust des Legionsadlers, dem ein großer Symbolwert anhaftete.

      Der aus dem Bürgerkrieg siegreich hervorgegangene Augustus, der Adoptivsohn Caesars, nahm die Niederlage sehr persönlich, weil er gerade in Rom ein „Goldenes Zeitalter“ verkündet hatte. Unter anderem war es ihm gelungen, eine der größten römischen Niederlagen jüngerer Zeit diplomatisch zu relativieren. Aus Prestigegründen hatte M. Licinius Crassus (115–53 v. Chr.) in seinem Konsulat (55 v. Chr.) eine Ermächtigungserklärung des Senats durchsetzen können, die es ihm erlaubte, gegen die Parther Krieg zu führen. Das Parthische Reich, das sich über weite Teile des Nahen und Mittleren Ostens erstreckte und mit Rom um die Vormacht in der Region konkurrierte, wurde in Rom als „Erzfeind“ betrachtet. Auf seinem Feldzug verlor Crassus bei Carrhae, dem heutigen Harran in der Türkei, im Jahr 53 v. Chr. nicht nur die Schlacht, sondern auch sein Leben. Nur ein Viertel der römischen Armee konnte sich retten. Neben den gewaltigen Verlusten an Truppen war es für die Römer aber überaus schmerzlich, dass die Feldzeichen verloren gingen. Diese hatte Augustus durch geschickte Verhandlungen zurückerhalten und die Schmach der Niederlage verringert.

      Die Niederlage gegen die Sugambrer verlangte daher nach einer schnellen und harten Reaktion, wollte Augustus seine Position in Rom nicht gefährden. So ging der Kaiser von 16–13 v. Chr. nach Gallien und verlegte Truppen aus dem Landesinneren an die Rheingrenze, schon mit der Absicht, das Reichsgebiet über den Fluss hinaus auszudehnen. Eine Gelegenheit für eine militärische Intervention bot sich im Jahr 12 v. Chr., als die Sugambrer erneut in die römische Provinz eindrangen. Drusus, der Stiefsohn des Augustus, wehrte den Angriff ab und führte zwischen 11 und 9 v. Chr. drei Feldzüge durch, die bis zur Elbe und zur Weser führten.

      Nach dem tragischen Tod des Drusus, der im Jahr 9 v. Chr. vom Pferd gefallen war, übernahm dessen Bruder Tiberius das Oberkommando und konnte in mehreren Feldzügen das Land weitgehend unter römische Kontrolle bringen. In der Folge entstanden nicht nur weitere römische Feldlager, sondern es gab auch eine zivile Siedlung, Lahnau-Waldgirmes (s. S. 138f.), die man als Beleg für die Existenz einer Provinz Germania verstehen kann.

      Um das Jahr 7 n. Chr. herum wollte man von römischer Seite eine reguläre Provinz in Germanien errichten. Diese Aufgabe fiel dem P. Quintilius Varus zu, einem durchaus fähigen und verdienten Mann. Durch seine rigorosen Maßnahmen zur Durchsetzung römischen Rechts auf allen Ebenen geriet er aber in Konflikt mit den traditionellen Wertvorstellungen der Germanen. Widerstand regte sich. Der Cherusker Arminius, der in der römischen Armee als Offizier diente und Varus begleitete, machte sich diese Stimmung zunutze. Insgeheim organisierte er eine Allianz aus mehreren germanischen Stämmen, die die Römer aus der Heimat vertreiben sollte.

      Ein geeigneter Zeitpunkt fand sich im Jahr 9 n. Chr. Wie der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio (ca. 150 – ca. 235 n. Chr.) berichtete, befand Varus sich mit seinen drei Legionen auf dem Rückmarsch von der Weser in sein Winterquartier. Durch das Vortäuschen