Tommy Krappweis

Ghostsitter


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nicht, was das T in meinem Namen bedeutet; ich fand alles hinter dem T so bescheuert, dass ich die anderen Buchstaben verklagt habe.«

      Der Anwalt grinste breit, was durch den schwarzen Schnurrbart noch breiter aussah, und ließ dabei die ebenso dichten Augenbrauen über dem runden Brillengestell hüpfen. Offensichtlich war das als eine Art Witz gemeint gewesen, aber Tom war viel zu überfordert, um zu lachen.

      Herr Feuerflieg zuckte mit den Achseln: »Wenn du das nicht witzig fandest, was ist damit?« Und er zog eine wirklich selten dämliche Grimasse, die Tom so niemals an einem Anwalt vermutet hätte. Unwillkürlich prustete er los, und auch Oma musste bei dem Anblick kichern. Nur Welf blieb völlig regungslos, als wäre ihm schon das Konzept von »lachen« völlig fremd.

      Herr Feuerflieg bemerkte das sehr wohl und verharrte einen etwas zu langen Moment mitsamt seiner Grimasse direkt vor Welf. Schließlich räusperte er sich und brummelte, während er sich wieder hinter seinen Schreibtisch zurückzog: »Entweder hat der keinen Humor, oder er bewegt sich nur, wenn man ihm einen Euro in den Hut wirft.«

      Oma lachte: »Wir kennen Welf nun schon sehr, sehr lange, aber ich glaube, wir beide haben noch nie miterlebt, dass er über einen Witz lacht.«

      Und wenn, dann bricht er einem fast die Schulter, dachte Tom, denn er spürte nach wie vor die Stelle, auf die der muskulöse Kerl zweimal wuchtig draufgehauen hatte.

      Der Anwalt bedeutete ihnen, Platz zu nehmen, und drückte dann auf eine Taste, die vor ihm in die Tischplatte eingelassen war. Tom hörte, dass vor der Tür ein Summton ertönte, und sofort trat der Assistent wieder ein.

      »Will jemand vielleicht einen Kaffee? Tee? Limo, Wasser, Cola? Nein? Gut, dann holen Sie uns vier Cheeseburger und werfen sie bitte direkt in den Müll, ich vertrag den Käse nicht.«

      Der Assistent nickte, als hätte der Anwalt gerade tatsächlich etwas Sinnvolles gesagt, und zog sich durch die Doppeltür zurück. Kaum war die leise ins Schloss gefallen, zog der Anwalt einen Stapel Papier aus einer der Schubladen.

      »Na, dann wollen wir mal …«, sagte er und begann, das oberste Blatt mehrfach zu falten. Im Nullkommanichts hatte er einen Papierflieger gebastelt, selbigen geworfen und dabei zugesehen, wie dieser sofort einen Bogen nach unten beschrieb und nur dreißig Zentimeter weiter neben dem Papierkorb landete. »Gestern hab ich reingetroffen, bitte glaubt mir – wo waren wir? Ach ja, das Testament, wo hab ich nur mein Hirn.«

      Vermutlich beim Naseputzen ins Taschentuch geblasen, dachte Tom und sah dem quirligen Mann dabei zu, wie er suchend verschiedene Akten und Schubladen öffnete und sich dann mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug.

      »Ich Dummerchen«, sagte er, bückte sich, hob das Papierflugzeug auf, entfaltete es, strich es glatt und begann zu lesen: »Ich, Heinrich Balthasar Röschenberg, versichere kraft dieses Dokuments, dass ich die nun folgenden Zeilen im vollständigen Besitz meiner geistigen Kräfte verfasst und unterzeichnet habe. Als Zeuge fungiert mein langjähriger Anwalt und Freund Rufus T. Feuerflieg, der alles Mögliche bezeugen würde, wenn ich ihm dafür mehr als fünf Euro biete.«

      Der Anwalt sah kurz auf: »Fünf Euro? Das waren noch Zeiten, heute bezeuge ich alles für drei fünfzig.«

      Doch bevor irgendwer lachen – oder Welf genervt schnauben – konnte, fuhr Herr Feuerflieg bereits fort: »So vermache ich nun, im Falle meines Ablebens, die gesamten Ersparnisse dem Ziehsohn meiner über alles geliebten Schwester Käthe, Tom Röschenberg. Zum Zeitpunkt, da ich dieses Testament verfasse, beträgt die Summe auf dem Schweizer Bankkonto …«

      Der Anwalt schluckte. Dann sah er noch einmal genauer hin, als hätte er Schwierigkeiten, die Zahl zu entziffern. Schließlich legte er das Blatt vor sich hin und nahm einen Finger zu Hilfe, um die Nullen einer langen Zahl nachzuzählen. Tom blickte zu seiner Oma, die schaute aber nur gebannt auf den Finger des Anwalts, welcher nicht aufhören wollte, Stelle für Stelle nach rechts über das Papier zu wandern.

      Was ist das für eine Zahl! Oh Mann, was geht hier ab!, schrie Tom innerlich, während er sich bemühte, äußerlich halbwegs ruhig zu wirken. Kurz dachte er, er bekäme das ganz gut hin. Doch dann bemerkte er, wie sein linkes Bein hektisch auf und ab federte. Tom versuchte krampfhaft, die Beinmuskulatur zu entspannen, erreichte damit aber nur einen noch höheren Verkrampfungsgrad. Sein Bein wippte nun wie wild rauf und runter. Und gerade als er dachte, er würde jede Sekunde zitternd vom Stuhl fallen, meldete sich der Anwalt mit einem weiteren Räuspern.

      »So, bitte anschnallen und die Gurte festziehen, wir starten. Und hier noch ein Sicherheitshinweis: Die Schwimmwesten unter den Sitzen taugen auch in aufgeblasenem Zustand nur begrenzt als Fallschirm. Liebe anwesende Angehörige und Freunde von Heinrich Balthasar Röschenberg, der hier anwesende Tom Röschenberg wird an seinem 18. Geburtstag erben: zehn Millionen achthunderteinundreißig … äh … tausendfünfhundertsechsundsiebzig Euro und vierundachtzig Cent.«

      Oma juchzte laut, und sogar Welf sog hörbar Luft durch die Zähne. Dafür war Toms Mund schlagartig so trocken wie eine Tüte abgelaufene Haferflocken.

      »W… was?«, war das einzige Wort, das Tom herausbrachte.

      Der Anwalt verdrehte die Augen und machte sich noch einmal daran, die lange Zahl zu entziffern. »Ähm, sagte ich eben zehn Millionen achthunderteinundreißigtausendfünfhundertsechsundsiebzig Euro und vierundachtzig Cent?«, fragte er schließlich in die Runde, und die anderen drei nickten langsam. Sogar Onkel Welf. »Tja, tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber ich habe mich vertan.« Der Anwalt schüttelte den Kopf, und Tom rutschte das Herz in die Hose und runter bis zum großen Zeh, wo es aufgrund des Platzmangels ganz besonders heftig pochte. »Es sind nur … ähm … zehn Millionen achthunderteinundreißigtausendfünfhundertsechsundsiebzig Euro und achtundvierzig Cent. Zahlendreher im Centbetrag, ich bin untröstlich.«

      Alle atmeten tief durch, und Oma flüsterte: »Meine Nerven, meine Nerven …«

      Da ließ sich Onkel Welf vernehmen, zunächst durch ein seltsam hustendes Grummeln, das für Tom klang, als würde sich ein Braunbär räuspern. Dann sprach Welf mit seiner Sandpapierstimme: »Das war aber nicht alles, oder? Da steht noch mehr.«

      Der Anwalt nickte eifrig: »Oh ja, natürlich steht da noch mehr. Das wäre ja ein ziemlich langweiliges Testament, wenn es damit schon erledigt wäre, nicht wahr? Ich lese mal weiter vor, wenn’s recht ist.«

      Toms Herz war gerade wieder auf dem Weg nach oben gewesen, um entspannt dort weiterzupochen, wo es hingehörte. Doch als der Anwalt nun weiterlas, fühlte es sich für Tom so an, als hätten sich Herz und Hirn zusammen in eine Achterbahn gesetzt und im Voraus bezahlt für fünfzig Runden ohne Notstopp.

      »Ich verfüge außerdem, dass Tom Röschenberg der vorher benannte Betrag nur dann ausgezahlt wird, wenn er auch den Rest meines Erbes annimmt und die Bedingungen erfüllt, die daran geknüpft sind.«

      BedingungenBedingBedingDingDingDing, hallte es in Toms Kopf, als wäre er ein Glockenturm.

      »Tom muss bis zu seinem achtzehnten Geburtstag als Besitzer und Direktor der Schreckensfahrt durch die Lande ziehen und sich so des Erbes würdig erweisen. Nur wenn die Schreckensfahrt danach noch besteht und erfolgreich weiter betrieben werden kann, darf Tom einen Nachfolger bestimmen, und das Erbe wird an ihn ausbezahlt.«

      Tom saß da und fühlte sich wie ein lebendig gewordenes Fragezeichen. Oma, der Anwalt und Welf sahen ihn an, als erwarteten sie irgendeine Form von Reaktion. Na, die hatte er parat.

      »Ähm … Schreckensfahrt!?«, stieß Tom hervor und starrte ziemlich erfolgreich zu allen dreien zurück, obwohl sie in verschiedenen Richtungen saßen.

      »Ach so«, lachte Oma. »Entschuldige bitte, das konntest du ja nicht wissen. Schreckensfahrt ist der Name von Onkel Heinrichs Geisterbahn.«

       Kapitel 4: