John Martin Littlejohn

Das große Littlejohn-Kompendium


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halten müssen. Ständige Sorge und Unterbrechungen, die Ihr Berufsleben mit sich bringt, tragen dazu bei, Ihre auf unermüdliches Studium gerichtete Aufmerksamkeit zu schwächen. Ärzte jedenfalls neigen dazu, Letzteres aufzugeben und in Routine zu verfallen – durch das Vernachlässigen des Studiums wissenschaftlicher Literatur bzw. durch hastiges Querlesen selbiger. Deshalb ist der Arztberuf der alten Schule in seinem gegenwärtigen schlechten Zustand, weil es so leicht ist, das erstbeste Medikament zu verschreiben, ohne sich mit den Details auseinanderzusetzen. Man kann ja auch offensichtliche Symptome behandeln, ohne nach deren Ursache zu fragen. Diese Tendenz offenbart jedoch nachlässige Pflichterfüllung und der Arzt entschuldigt dies mit einem Mangel an Zeit. Wir betonen hiermit, dass jeder osteopathische Arzt verpflichtet ist, die Zeit zu finden oder sich sonst die erforderliche Zeit zu nehmen, um seine Arbeit ordentlich auszuführen. Es ist ein Gebot der intellektuellen und moralischen Notwendigkeit für all jene, die ausgebildete und fortgeschrittene Osteopathen sein möchten, sich auf dem Stand der aktuellsten Literatur der Wissenschaft zu halten. Wie Bacon sagt:

      „Lesen macht einen vollständigen Menschen, Konferieren einen bereiten Menschen und Schreiben einen genauen Menschen.“

      Diese Genauigkeit ist eine der seltensten Eigenschaften beim Experten der medizinischen Diagnose. Die Medizin stellt über alle Verzweigungen des Wissens die Empfindung und den Ausdruck des Zeitalters dar. Sie umfasst nicht nur die Wissenschaft und das Wissen des Zeitalters, sondern auch das Unwissen des Zeitalters. In jeder Epoche stellen wir das Hervorragen besonderer Wahrheiten fest, das Abstrakte geht dem Konkreten voraus aufgrund der Tatsache, dass der Geist gewöhnlich in sich selbst arbeitet, bevor er auf die äußere Welt zu wirken beginnt.

      Die medizinische Wissenschaft geht nun von der Kindheit ins Mannesalter über, sie sammelt die fruchtbaren Verallgemeinerungen der Vergangenheit, um sie der induktiven Untersuchung zu unterwerfen, die zu ihrer Überprüfung notwendig ist. Bezogen auf die Osteopathie versuchen wir, eine Kunst auf eine Wissenschaft zurückzuführen. Die einzelnen Elemente werden in unseren Händen in eine zukünftige Form gebracht. Obgleich wir nur den mageren Umriss einer edleren und höheren Struktur sehen können, wird sich durch diesen Aufbau dennoch eine größere Wissenschaft erheben als irgendsonst in der vergangenen Geschichte der Medizin.

      „Dem Vater aller Zeitalter wollen wir diese Zukunft mit demütiger, doch mutiger und unbeugsamer Hoffnung verpflichten.“

      Die Osteopathie stellt für uns alle ein faszinierendes Studium dar, weil wir darin mit den Details unseres physischen und mentalen Lebens beschäftigt sind.

      DIE FUNDAMENTALEN PRINZIPIEN DER OSTEOPATHIE

      Die Bezeichnung Osteopathie wurde der neuen Wissenschaft von Dr. Still aufgrund der Tatsache verliehen, dass die Dislozierung der Knochen den ersten Platz in der Ordnung seiner Entdeckung von Ursachen oder Läsionen einnahm, welche die Krankheitszustände hervorrufen. Wie jede Bezeichnung, die einer neuen Wissenschaft verliehen wird, umfasst auch diese nicht alles, was die neue Wissenschaft beinhaltet. Doch zeigt sie den Keimpunkt an, von dem aus die neue Wissenschaft startete. Die Osteopathie stellt eine neue Sichtweise im Bereich der klinischen Wissenschaft dar. Die Praxis der gesamten Medizin wird nicht allein durch Symptomatologie und Verschreibung eines medizinischen Medikaments abgedeckt. Osteopathisch bedeutet sie die Entdeckung der Ursache bzw. Ursachen von Krankheit.

      Pathologische Zustände können wir knapp unter drei Überschriften zusammenfassen:

      (1)Dislozierungen von Knochen, Knorpel, Ligament, Muskel usf. ;

      (2)Störungen der Flüssigkeiten des Organismus, darunter des Bluts und der Lymphe sowie anderer Sekretionen des Körpers;

      (3)Störungen und Fehlanordnungen des Nervensystems, darunter der Zentren, Ganglien, Plexus und Fasern.

      Damit übereinstimmend umfasst die klinische Osteopathie:

      (1)Wissenschaftliche Manipulationen, die darauf abzielen, die Dislozierungen in den knöchernen bzw. Gewebestrukturen des Körpers anzupassen.

      (2)Wissenschaftliche Manipulationen, die dazu bestimmt sind, die Störungen im Kreislauf der Körperflüssigkeiten zu richten und ihren Normalzustand wiederherzustellen, insbesondere bei Zuständen des Bluts und Mängeln im Blutkreislauf.

      (3)Wissenschaftliche Manipulationen, die das Nervensystem mit seinen Fasern, Plexus, Ganglien und Zentren ansprechen mit dem Ziel, gestörte Nervenzustände anzupassen, das allgemeine System oder seine normalen Teile zu tonisieren, trophische Zustände der Nerven und Muskeln zu fördern und eine normale Korrelation der psychischen mit den physiologischen bzw. vegetativen Funktionen des menschlichen Systems zu stimulieren.

      Der gesamte Körper besteht aus funktioneller Aktivität. Mithin gibt es keinen Abfall oder etwas Überflüssiges – und es gibt keinen Platz im Körper für irgendeinen anomalen Zustand. Also führt die leichteste Abweichung von der normalen Struktur zu einer Störung der organischen Aktivität und kann auf diesem Weg zu unermesslichem Leid im Nerven- und Muskelsystem führen. Theoretisch geht die Osteopathie von einem Idealkörper aus, dessen knöchernes Gerüst vollkommen angepasst und fein angeordnet ist, dessen Muskeln sorgfältig an ihren Ursprüngen und Ansätzen befestigt sind, dessen Blut frei in jedem Teil jedes Organs und Gewebes zirkuliert und dessen Nervenkraft das assimilierende und lebensspendende Prinzip im gesamten Körper darstellt. Es besteht eine physiologische Sympathie zwischen allen Teilen des Körpers – und diese Sympathie beruht auf Nervenkraft. Die Gesetze der Nervenenergie stellen die Prinzipien zur Verfügung, aufgrund derer diese ununterbrochene Sympathie erhalten werden kann. Und zugleich erklären sie alle möglichen Abweichungen vom Gesundheitsstandard. Die Ordnung im System muss in Harmonie mit diesen Gesetzen wiederhergestellt werden.

      Osteopathie betrachtet den menschlichen Körper mithin als vollkommenen Mechanismus. Alle seine Teile müssen in einer harmonischen Beziehung zueinander stehen und so miteinander vereinigt sein, um eine vollkommene Einheit zu bilden. Verhält es sich anders, befindet sich der Körper in einem Krankheitszustand. Um die wissenschaftlichen Prinzipien der Osteopathie anwenden zu können, ist es notwendig, beim Behandeln einer Krankheit ein genaues Wissen über Struktur und Funktionen sowie über die Beziehungen der verschiedenen Teile dieses Mechanismus und des Mechanismus als Ganzem aus der Perspektive der Chemie, Mechanik, Anatomie, Physiologie, Psychologie sowie der morbiden Anatomie und Pathologie des Körpers, seiner Gewebe und seiner Organe zu besitzen. Nur auf diese Weise sind wir in der Lage, die Gesetze zu entdecken, welche den Normalzustand des Körpers regulieren, und die verfügbaren Ressourcen der Natur herauszufinden, welche die osteopathische Behandlung abrufen kann. Die Osteopathie erfasst jene natürlichen Heilmittel im Körper bzw. jene wesentlichen menschlichen Prinzipien, die auf der Grundlage der Mechanik anwendbar sind. Sie erfasst jene bioplasmatischen und Stoffwechselzustände, die im normalen Gleichgewicht die Grundlage der Gesundheit bilden und die Mittel zur Anpassung von Dislozierungen, Fehlanordnungen und gestörten Zuständen bereitstellen. Der Zweck Ihrer Ausbildung an dieser Schule besteht darin, dies ebenfalls zu erfassen.

      OSTEOPATHISCHE THERAPIE AUF DEM WEG

      Das grundlegende Prinzip der Osteopathie besteht darin, dass bei voller Gesundheit jedes Körpergewebe und jede Struktur ihre Rollen ohne Unterbrechung ausführen. Die Körperstruktur stellt das Gerüst dar, auf dem die anderen Körpergewebe aufgebaut und an dem sie befestigt sind. Mithin wird durch die Osteopathie das knöcherne Gerüst zum Aufbau von Orientierungshilfen für die physische Untersuchung und als Mittel verwendet, um dislozierte Teile des Körpers wiederherzustellen. Mithin werden die Knochen zur Grundlage der operativen Manipulation, sodass die osteopathische Manipulation nicht der Heilung der Knochen dient, sondern das Medium der therapeutischen Operation ebenso darstellt wie Wasser in der Hydrotherapie als Medium für Wärme und Kälte dient. Die Osteopathie erkennt das fundamentale Prinzip, dass für den gesunden oder kranken Körper keine äußere Medikation notwendig ist. Das gilt nicht für natürliche Ernährung, die erfahrungsgemäß als wesentlich für die Selbsterhaltung und die Wiederherstellung der existierenden Gewebe sowie für die Schaffung neuer Gewebe im Kontext der allgemeinen Desintegration und Auflösung des körperlichen Bioplasmas angesehen wird. Die Ernährung liefert die nutritive Grundlage für ein gesundes und kräftiges System. Dies stellt ein Grundprinzip der osteopathischen Therapie dar. Gute Nahrung in hinreichender Menge, nicht