Richard Fuchs

Die Hirntod-Falle


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unterschreiben oder nicht?«

      Richard FuchsDüsseldorf, November 2017

      ORGANE LEBENDIGER PERSONEN ALS LEBENSWICHTIGE GESUNDHEITSRESSOURCE

      Nach unserer Auffassung scheint es ganz natürlich, zu sagen, dass die Organe lebendiger Personen lebenswichtige Gesundheitsressourcen sind, die wie alle anderen lebenswichtigen Ressourcen gerecht verteilt werden müssen. Wir können uns daher gezwungen sehen, darauf zu bestehen, dass alte Menschen getötet werden, damit ihre Organe an jüngere, kritisch kranke Personen umverteilt werden können, die ohne diese Organe bald sterben müssten. Schließlich benutzen die alten Menschen lebenswichtige Ressourcen auf Kosten von bedürftigen jüngeren Menschen.8

      Im Kielwasser der globalen bioethischen Debatte entstand die Bioethik-Konvention des Europarats (Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin). Sie erhielt 1999 Rechtskraft durch die Unterzeichner-Länder Slowakei, Slowenien, Griechenland, San Marino und schließlich von Dänemark als ausschlaggebendem Land. Kritisiert wurde nicht nur Artikel 17,2 (fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen), sondern auch Artikel 20 (Entnahme regenerierbarer Organe und Gewebe vom selben Personenkreis). Dass Dänemark der Konvention zugestimmt hat, war kein Zufall. In Dänemark erfuhr bereits 1994 der Blick auf den Menschen als Material, über das disponiert werden kann, in der damaligen bioethischen Debatte eine weitere Eskalation. Peter Sandoe, Senior Research Fellow an der Universität Kopenhagen und Vorsitzender der Dänischen Tierethik-Kommission, wie Klemens Kappel, Mitglied der bioethischen Forschungsgruppe der Universität Kopenhagen, schrieben den oben zitierten beitrag in der Zeitschrift »Bioethics«.

      „SURVIVAL LOTTERY“ – ÜBERLEBEN DURCH RECYCLING VON ORGANEN

      Großbritannien verdanken wir die Einführung des Begriffs Utilitarismus. Der britische Jurist und Philosoph Jeremy Bentham, (1748 – 1832) veröffentlichte 1789 seine berühmt gewordene Schrift, „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“. Bentham gilt neben John Stuart Mill (1806 – 1873) als Urheber des klassischen Utilitarismus (Nützlichkeitslehre), nach dem es Ziel des Staates sein sollte, „für das Glück der größten Zahl“, zu sorgen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Verwirklichung dieses Konzepts, dem „größten Glück für die größte Zahl“ zu Lasten von einzelnen Menschen geht. Der Utilitarismus Benthams übte großen Einfluss auf das Denken des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf die nicht auf Religion fußende Sittlichkeitslehre. Kurz vor der Julirevolution fand z. B. unter den Kommunisten das Nützlichkeitsprinzip Benthams großen Anklang.

      Ganz im Sinne der Nützlichkeitslehre entwarf der britische Medizinethiker John Harris 1975 sein Konzept „Survival Lottery“. In diesem Gedankenexperiment stimmt jeder seiner eigenen Tötung für den Fall zu, dass mit seinen Organen das Leben von mindestens zwei Menschen gerettet werden kann. Dieses Verfahren weist das Ergebnis auf, dass die Menschen im Durchschnitt länger leben, da im Bedarfsfall mit einem Leben mindestens zwei andere verlängert werden können. Wer sich in der Survival Lottery-Gesellschaft dem per Computer bestimmten Los seiner Tötung, die ja dem Fortleben von zwei anderen Menschen dienen soll, entzieht, den muss man, sagt Harris, folglich einen Mörder nennen. Diese Sichtweise scheint dem britischen Gesundheitsministerium nicht ganz fremd zu sein. Dort bezeichnet man die menschlichen Organe als „nationale Ressource“. Ein Spendenverweigerer bereichert sich demzufolge, negativ, am Volksvermögen. In Deutschland wird ebenfalls durch Termini wie „Gemeinschaftsaufgabe der Bevölkerung“ oder Versorgungsauftrag der Ärzteschaft“ suggeriert, Organspende sei sozialpflichtig. In Kanada, Belgien und den Niederlanden ist man dem von Harris erdachten Konzept mit der Vereinbarkeit von Euthanasie und Organspende bereits ein Stück näher gekommen.

      DER UNSTILLBARE BEDARF AN ERSATZORGANEN

      Wann immer in Medien, in der Werbung der Bundeszentrale für öffentliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag des Bundesgesundheitsministerium, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), in sogenannten Aufklärungs-Proschüren der gesetzlichen Krankenkassen für Organspende geworben wird oder am Tag der Organspende, heißt es unverdrossen: soundsoviel Menschen sind in einem Jahr auf der Warteliste gestorben – in Deutschland sollen es 2016 über 900 Patienten gewesen sein. Diese Sprachregelung soll an das schlechte Gewissen derjenigen appelieren, die noch keinen Organspende-Ausweis unterschrieben haben. In Wirklickeit handelt es sich aber dabei um Menschen, die als Folge ihrer Krankheit gestorben sind, nicht selten an Krankheiten, die selbst verursacht wurden, im schlimmsten Fall auch an iadrogenen Erkrankungen, also an ärztlichen Behandlungsfehlern. Krankeiten als Folge von Suchtmittelmissbrauch durch Alkohol, Nikotin, Tabletten, harten Drogen oder Zivilisationskrankheiten durch Zuckerkonsum, denaturierter, vitalstoffarmer Industriekost, werden in Zukunft weiter zunehmen und damit einen unstillbaren, immer weiter steigenden Bedarf an Ersatzorganen erzeugen. Ein Teil des Bedarfs ist den Re-Transplantationen geschuldet nach Abstoßung des transplantierten Ersatzorgans.

      Jedes Jahr sterben laut Statistisches Bundesamt in Deutschland pro Jahr 110.000 Menschen infolge von Nikotinkonsum, davon 3.300 Passivraucher. Rauchen kann Ursache für Lungenkrebs, auch andere Krebsarten sein, für Atemwegserkrankungen oder Herz/Kreislauf-Beschwerden. Nikotintote führen bei den insgesamt rund 890.000 Sterbefällen in Deutschland die Statistik an, gefolgt von Todesfällen durch Alkoholkonsum mit fast 15.000 Todesfällen durch 7.812 Leberschädigungen pro Jahr und zwei Dutzend weiterer alkoholbedingter Todesursachen. Da die Daten durch Auswerten von Todesbescheinigungen erhoben werden, ist mit einer noch größeren Dunkelziffer zu rechnen. Eine Studie der Universität Greifswald aus dem jahr 2002 geht von 80.000 alkoholbedingten Todesfällen aus.

      Laut Urteil des Bundesgerichtshofs Leipzig, muss nun ein Alkoholker nicht einmal trocken sein, um einen Anspruch auf eine frische Ersatzleber zu haben. Eine Wartezeit von einem halben Jahr Abstinenz sei wegen des verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatzes verfassungswidrig – so die Richter.

      Zucker pur oder in Süßgetränken und eine Unzahl von Nahrungsmitteln kann offiziell per Gerichtsbeschluss als Schadstoff bezeichnet werden. Auf das Konnto der neun Millionen an Diabetes in Deutschland erkrankten Menschen (davon 95 % an Diabetes Typ 2 (Altersdiabetes) gehen jährlich 24.000 Todesfälle. Diese ernährungsbedingte Volkskrankheit mit Übergewicht als Begleiterscheinung wird weiter zunehmen, wie auch der Tablettenmissbrauch. In Deutschland zählt man 2 Millionen Tablettensüchtige und 58.000 Todesfälle jahrlich bedingt durch Einnahme falscher Medikamente und deren Wechselwirkung. Die Folge sind Magen-Darm-Blutungen, Leberversagen, Nierenschäden Herzinfarkt. In machen Fällen könnte da ein Ersatzorgan helfen.

      Was liegt da näher, als nach neuen Gruppen sogenannter »Organspender« zu fahnden, wie im Eingangskapitel oben bereits geschildert. Während des Gesetzgebungsverfahrens der Novelle des Transplantationsgesetzes (TPG) wurde von interessierten Kreisen z. B. eine gesetzlich geregelte Widerspruchslösung als eine Möglichkeit gefordert, um das Aufkommen an Ersatzorganen zu erhöhen. In Großbritannien nimmt man dagegen den Ganzhirntod nicht so genau und erhöht damit so die Zahl sogenannter Organspender.

      ORGANENTNAHME NACH AKTIVER STERBEHILFE

      Eine weiere Option zur Organgewinnung soll sein, Menschen zu bestimmen, deren entscheidende Teile ihres Gehirns intakt sind und die ohne technische Unterstützung atmen können. Sie würden solange als tot gelten, wie sie keine bewussten Gedanken mehr haben. Indem man die Definition des Todes ein wenig erweitert, hätten Transplantationsmediziner Zugang zu einem erheblich umfangreicheren Spender-Pool als derzeit und könnten zahllose Leben retten wie es immer wieder heißt.

      Würden Praktiken anderer Länder nicht Gefahr laufen, Nachahmer im Medizinbetrieb auch in Deutschland zu finden, müsste man man folgenden Bericht aus Kanada nicht unbedingt zur Kenntnis nehmen. Schließlich ist das Hirntod-Konzept in Deutschland auch ein Import aus Übersee, damals made in USA.

      ORGANEXPLANTATIONEN VON EUTHANASIERTEN PATIENTEN IN KANADA – AUCH IN DEN NIEDERLANDEN UND BELGIEN

      Indem sie sich auf das neu eingeführte Gesetz berufen, haben Transplantationschirurgen in Kanada Dutzenden von Euthanasie-Patienten die Organe entnommen. Nach Angaben der »National Post« haben 26 Menschen, die durch eine tödliche