(TPG) von 1997 heißt, zu diagnostizieren. Der Patient stirbt letztlich erst durch die Hand des Chirurgen nach Entnahme der Organe und Abstellen der Beatmung.
In einem anderen Formular, keineswegs so geheim wie die Todesbescheinigung, geht man noch einen Schritt weiter und verzichtet selbst auf den Begriff »Hirntod«, sondern spricht vom »Tod«. Dabei handelt es sich um den offiziellen »Organspendeausweis« mit Aufdruck des Bundesadlers, herausgegeben von der »Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung« BZgA im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Dort heißt es im Kleingedruckten auf der Rückseite: »Für den Fall, dass nach meinem Tod eine Spende von Organen/Geweben zur Transplantation in Frage kommt, erkläre ich: …«
Obwohl der Begriff »Hirntod« im TPG nicht zu finden ist, wohl aber der Begriff »Leichnam« nach erfolgter Organentnahme (§ 6 Abs. 2 TPG), hat er durch die amtliche Todesbescheinigung, nicht nur eine folgenschwere Konsequenz für die ungeschützten sterbenden Patienten, sondern auch für Angehörige, wenn sie Ihre Zustimmung zu einer Organentnahme verweigern, dennoch den Wunsch haben, den Patienten weiter intensivmedizinisch betreuen zu lassen, wie folgendes Beispiel zeigt.
WER ZAHLT, WENN DER HIRNTOTE WEITERLEBT?
Dabei handelt es sich um seltenen Fall und eine komplizierte Rechtslage. Da der Hirntod als der Tod des Menschen gilt und dieser auch auf der Todesbescheinigung eingetragen wird, erlischt damit das Vertragsverhältnis mit der Krankenversicherung des so zu Tode definierten Patienten. Das bestätigte dem Verfasser auch der GKVSpitzenverband mit den Worten: »Die Zuständigkeit der Krankenkasse endet mit dem Hirntod, so wie Sie auch geschrieben haben. Danach beginnt die Zuständigkeit des Transplantationsgesetzes.
Wird ein Mensch (potenzieller Organspender) im Hinblick auf eine mögliche Organspende im Krankenhaus nach seinem Tod (Hirntod) weiter versorgt, ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) für die Vergütung zuständig. Das Krankenhaus kann seine Leistung mit der DSO über die vereinbarten Pauschalen abrechnen.
Wenn aber der Patient einen Widerspruch dokumentiert oder die Angehörigen eine Organentnahme verweigern und der Patient nach dem »Hirntod« weiterlebt, können Angehörige zur Kasse gebeten werden, da offenbar kein Kostenträger mehr zur Verfügung steht – und das kann, wie bereits geschehen, sehr teuer werden.
In einer TV-Dokumentation der Fernsehjournalistin Silvia Matthies, ausgestrahlt im Bayerischen Rundfunk am 11. 06. 2012, 23:34 Uhr, wird ein solcher Fall vorgestellt. Auf der Sendungshomepage heißt es u. a:
DER FALL EINER FALLE
»Das Drama beginnt, als Horst L. (Name dem Autor bekannt) seine goldene Hochzeit feiert. Beim abendlichen Festessen verschluckt er sich, durch Luftnot kommt es zum Herzstillstand, der 73-jährige muss reanimiert werden. Horst L. kommt – künstlich beatmet – auf die Intensivstation. Sein Zustand ist lebensbedrohlich, eine Prognose aber schwierig.« Der Patient wird an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gemeldet, ohne das Wissen der Ehefrau und unter Verzicht ihrer Zustimmung eine Hirntod-Diagnose durchgeführt. Als der Oberarzt der Intensivstation die Ehefrau schon am nächsten Morgen vor die Alternative stellt: Abbruch der künstlichen Beatmung oder Organspende ist sie entsetzt und lehnt ab, Denn ihr Mann hatte einen ausgeprägten Lebenswillen und sie wollte alles für ihn tun. In dieser Ausnahmesituation wehrt sich die Ehefrau gegen die Einstellung der Therapie und unterschreibt unter Druck ein Schriftstück, in dem ihr – quasi als Sanktion – die Behandlungskosten ab dem Zeitpunkt der Hirntod-Diagnose aufgebürdet werden. Das könnte man als einen Fall einer Falle bezeichnen.
In der Folge kommt es weiter zu einem Nervenkrieg zwischen dem Intensivarzt und der Familie. Schließlich drängt der Arzt darauf, dass das Betreuungsgericht das Abstellen der künstlichen Beatmung verfügt. Doch der Richter lehnt ab. Über 20 Tage lebt Horst L. weiter an der Beatmung bis er schließlich wirklich stirbt.
Die Intensiv-Behandlung des durch die Hirntoddiagnose für tot erklärten Patienten kosten »nach seinem Tod« 26.500 Euro (pro Tag etwa einen Tausender). Dafür kommt nun kein Kostenträger mehr auf. Die Familie verweigert zunächst die Zahlung und zieht vor das Landgericht Mainz. Wegen der zu erwartenden hohen Anwalts- und Gerichtskosten lassen sich die Kläger schließlich auf einen Vergleich ein, 10.000 Euro in Raten zahlen zu müssen. Auch diese Summe überfordert die Familie. Schließlich milderte das Ergebnis eines Spendenaufruf von KAO (Kritische Aufklärung über Organtransplantation) die finanzielle Belastung.
Dass ein hirntoter Patient u. U. noch weiterlebt – und das ist nicht ungewöhnlich – zeigt ein aktueller tragischer Fall einer 13-jährigen hirntoten Patientin in Kalifornien, die über zwei Jahre lang durch künstliche Beatmung am Leben erhalten wurde.12
Wer einer solchen Hirntod-Falle entkommen will, dem sei geraten, in seiner Patientenverfügung ausdrücklich einer Hirntod-Diagnose zu widersprechen. Sie ist u. U. schmerzhaft, kann, wie das beschriebene Beispiel zeigt, zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Ein weiteres gravierendes Problem besteht außerdem bei der spendezentrierten Lebensverlängerung darin, dass sie in seltenen Fällen zur Ausbildung eines appalischen Syndroms (Wachkoma) führen kann, indem der Patient wieder selbstständig atmen und schlucken kann.
Sollte unter Verzicht einer schriftlichen Einwilligung des Patienten oder der Zustimmung eines Betreuers dennoch eine Hirntod-Diagnose durchgeführt werden, bleibt der Klageweg gegenüber den Ärzten oder der Klinik. Denn jeder ärztliche Eingriff erfordert eine Information über die Folgen des medizinischen Eingriffs und eine Zustimmung des Patienten oder dessen Betreuer. Wird darauf verzichtet, handelt es sich um den Straftatbestand einer Körperverletzung.
IST DIE »HIRNTOD«-DIAGNOSE SCHMERZHAFT?
»Unsere Schwestern haben einen Riesenschreck bekommen, als sie von Patienten, die nach den Hirntodkriterien definitiv tot waren, beim Kopfkissenbetten umarmt wurden.«
Detlef B. Linke (1945 – 2005), Die Welt, 05. 09. 1995/Linus Geisler, Ausschussdrucksache des Deutschen Bundestages 13/114, S. 36 – 43.
Ist die »Hirntod«-Diagnose schmerzhaft? Bevor diese Frage beantworten werden kann, stellt sich zunächst eine andere heikle Frage – nach der Erlaubnis des Machbaren.
Präfinale Spenderkonditionierung
Eine Hirntoddiagnose wird in der Regel im Interesse Dritter gestellt. Das wurde im Zusammenhang mit der Novelle des Tranplantationsgesetzes von 201213 wiederholt gefordert, damit mehr Organe beschafft werden. Die Hirntoddiagnose berührt aber den Straftatbestand einer Körperverletzung, es sei denn, der Patient hat in einem einwilligungsfähigen Zustand nach vorheriger Aufklärung ihr zugestimmt. Erschwerend kommt hinzu, der Patient muss, um eine solche Diagnose zu ermöglichen, konditioniert werden und zwar in einem Zustand, in dem er rechtlich gesehen noch als lebend gilt. Erst nach abgeschlossener Hirntoduntersuchung und wenn das Hirntodprotokoll vollständig ausgefüllt ist, gilt der Patient als tot, obwohl sein Zustand sich in der Regel nicht verändert hat.
Während der Dauer der zeitlich getrennten zweimaligen Hirntoddiagnose muss auf die Behandlung des Patienten mit Schmerz-, Beruhigungsmitteln und Muskelrelaxantien verzichtet werden, wohl wissend, dass der Patient unter Umständen Schmerzen erleidet. Diese Situation wäre beispielsweise vorstellbar bei einem verunglückten Motorradfahrer, der als potenzieller »Organspender« geeignet erscheint. Dann hätte der Patient womöglich nicht mehr die Chance auf eine Behandlung, die seinem Wohl dient. Bei bloßem Verdacht auf Hirntod würde dann schon auf Schmerzmittel verzichtet, unabhängig davon, ob der Verletzte Schmerzen leidet oder nicht. Der fachliche Hintergrund ist, dass die zuvor genannten Arzneimittel abgebaut sein müssen, bevor eine Hirntoddiagnose gestellt wird. Anderenfalls wäre das Ergebnis der Diagnose gefälscht. Auch nach den Richtlinien der Bundesärztekammer müssen Medikamentenwirkungen zur Durchführung einer Hirntoddiagnostik ausgeschlossen sein.
Der Verzicht auf Schmerzmitteltherapie bei bloßem Verdacht auf Hirntod ist nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch zu bewerten. Ärzte, die auf Schmerzmitteltherapie im Interesse Dritter, zugunsten einer reibungslosen zeitnahen Organentnahme verzichten, verletzen damit sträflich ihre ärztliche Fürsorgepflicht