Christiane Benedikte Naubert

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz


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nun ein Kurzüberblick, was Sie, lieber Leser, nachfolgend vorfinden werden (im Original hat der Roman von 1789 704 Seiten, diese Seiten haben allerdings nur die Größe der heutigen Norm A6):

      Christiane Benedikte Naubert stellt im Roman „Elisabeth Erbin von Toggenburg“ in Briefform bzw. als Aufzeichnungen das Leben von adligen und nichtadligen Frauen der Schweiz vor. Da die Form des Briefromans zu ihren Lebzeiten sehr verbreitet war (man denke an Goethes Werther), nutzt auch Naubert in einigen ihrer Romane diese Form als Stilmittel.

      Der Roman wird von Naubert ursprünglich in einem einzigen Band veröffentlich, spätere Nachdrucke machen daraus 2 Teile. Das Werk gliedert sich in insgesamt 7 Abschnitte, es wird der Zeitraum ab zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts bis erste Hälfte des 15. Jahrhunderts umspannt, eingebettet in eine Rahmenhandlung. Die Rahmenhandlung umfasst die letzten Lebensjahre der Gräfin Elisabeth von Toggenburg (gestorben 1446) nach dem Tod ihres Gatten, des letzten Toggenburger Grafen Friedrich VII. (gestorben 1436).

      Abschnitt 1 hat einen einleitenden Briefwechsel zum Inhalt. Die Personen, die nach dem Tod des letzten Toggenburgers eine Rolle spielen, werden eingeführt, Elisabeth, ihr Bruder, sowie der Abt von Churwalden und ein weiterer Geistlicher.

      Abschnitt 2 (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) beschreibt in Aufzeichnungs-Form das Leben der Noria Venosta, um 1284 verheiratet mit Graf Walter von Vaz. Ebenfalls eine Rolle spielen die Adelsfamilien von Rapperswil und von Homburg. Als wichtige Schweizer Bürgerin wird Mechthild, die spätere Frau des Werner Staufacher aus Steinen, hier aktiv tätig.

      Ein kurzes Brief-Wechsel-Intermezzo beendet diesen Abschnitt, bei welchem die nächste Hauptfigur, Adelheit von der Wart, eingeführt wird, sowie die Briefschreiberin von Abschnitt 3, die Äbtissin von Basel.

      Abschnitt 3 (Ende 13. Jahrhundert bis Anfang 14. Jahrhundert) lässt die Äbtissin von Basel das Leben der Adelheit von Wart als Bericht schreiben, in einem Brief an Noria.

      Abschnitt 4 (erste Hälfte des 14. Jahrhunderts) stellt das Leben von Ursula und Kunegunde aus der Linie der Vazer, Enkelinnen des oben erwähnten Walter von Vaz, in den Mittelpunkt – hier spielt eine weitere Schweizer Bürgerin, Armgart aus Alzelen, eine wichtige Rolle, Tochter Heinrichs von Melchthal, spätere Ehefrau des Baumgarten, außerdem wird Wilhelm Tell bereits erwähnt. Abschnitt 4 ist als Briefwechsel zwischen diesen Frauen, Ursula, Kunegunde und Armgart, sowie der hochbetagten Noria Venosta geschrieben.

      Teil 2 der Nachdrucke des Romans (wie erwähnt, die Ausgabe 1789 hat keine zwei Teile) beginnt mit der Fortsetzung des 4. Abschnitts, eine ungenannte Nonne – deren Identität später aufgeklärt wird - beschreibt, wie das Leben von Ursula, Kunegunde und Armgart weiterging und wie aus den erstgenannten die Gräfinnen von Toggenburg bzw. von Werdenberg-Sargans werden.

      Außerdem finden wir hier das Geschehen um Wilhelm Tells Apfelschuss, seine Flucht und die Ermordung Geßlers.

      Der kurze Abschnitt 5 beinhaltet Briefe zur Rahmenhandlung - Elisabeth von Toggenburg kommentiert die erstaunliche Geschichte ihrer Vorfahrinnen.

      Abschnitt 6 handelt in der ersten Hälfte 15. Jahrhundert, also hundert Jahre später. Es ist der Bericht des Abts von Churwalden über – so ist der Abschnitt überschrieben – die Ungenannten, Berta und Marie. Natürlich stammen sie auch aus der Adelslinie, die oben begonnen wurde, doch bis sich dieses aufklärt, braucht es seine Zeit. Schließlich hatten die LeserInnen von Christiane Benedikte Naubert durch das Fehlen von abendlichen Fernsehprogrammen viel mehr Zeit, sich der verwickelten Lektüre über das Schicksal ihrer Heldinnen zu widmen.

      Auch im Abschnitt 6 sind die freien Schweizer Bürgerinnen und Bürger wichtige Handlungsträger.

      Abschnitt 7 beschließt – wiederum mit einem Briefwechsel – das glückliche Ende. Interessanterweise ist nicht jede/ r der Beteiligten wirklich glücklich, aber das ist bei Naubert nun einmal so – nah am Leben heißt auch nah am Tod.

      Im Nachwort dieser Neuauflage wird Bezug genommen auf die von Naubert geschickt in die Handlung verwobenen Überlieferungen der Schweizer Geschichte und auf Inspirationen, die ihr großer Roman auf andere Schriftsteller, darunter auf Friedrich Schiller, hatte.

      Leipzig, im März 2015 Sylvia Kolbe

       Von der Herausgeberin an den Roman angefügt: eine Übersicht zu historischen Personen und ihren Orten.

       Außerdem in Fußnoten Ort- und Wort-Erklärungen – letzteres soll dem Verständnis historischer Wortbedeutungen etc. dienen (genutzt wurde u. a. das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm als Online-Ausgabe sowie Wikipedia – Die freie Enzyklopädie).

       Die Fußnoten von C. B. Naubert sind in Unterscheidung dazu - wie im Original - mit *) versehen.

       Meinen Eltern, Evelyn und Dieter Hess, mit Liebe und Dank!

       Erster Abschnitt.

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       Briefe.

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       Konrad, Abt von Churwalden, an Elisabeth, verwittwete Gräfin von Toggenburg.

      Der Entschluss, die Thränen über den Hinschied eures Gemahls im Kloster zu verweinen, ist edel und des erlauchten Geschlechts, zu welchem ihr euch zählt, würdig. O Muster weiblicher Treue! nach Jahren fließen diese Zähren3 noch so heiß als am ersten Tage! O Frau ohne gleichen! welche Tugend ist, deren Grund man nicht in einem Herzen, wie das Eurige, suchen könnte! welche Ueberwindung ist so groß, deren ihr nicht fähig wäret! – Sich in der Blüthe des Lebens den Freuden der Welt und den Blicken von tausend Anbetern entreissen, um bey der Asche eines bejahrten Gemahls die einsamen Nächte zu verwachen, den Reizen der Hoheit entfliehen, um im Staube an den Altären für seine Seele zu beten, welche Verleugnung! welche That, die dadurch den Gipfel der Größe erreicht, daß nicht Liebe den Grund derselben ausmachte; wie hätte Liebe für den sechzigjährigen Friedrich in dem Herzen der blühenden Elisabeth wohnen können, welche höchstens kindliche Ehrfurcht gegen ihren Wohlthäter fühlen konnte! – O Elisabeth! ist auch euer Wittwenstand der einige Grund eurer Flucht ins Kloster?

       Elisabeth an Konrad.

      Das letzte Wort eures Schreibens beantworte den Zweifel. Ja, Friedrich war mein Wohlthäter, dies ist die Ursach, warum meine Thränen um ihn nach Jahren noch so heiß fließen, als am ersten Tage; aber ob die Trauer um ihn es allein war, was mich ins Kloster trieb. – O Konrad, ihr hattet nicht nöthig die Wahrheit aus meinem Herzen herauszuschmeicheln, brauchtet es nicht, mich Muster weiblicher Treue und Frau ohne Gleichen zu nennen, um mir das Geständniß zu entlocken: Nein, Friedrichs Tod war nicht das einige, was mich das Kloster wählen ließ, und es vielleicht zu meinem immerwährenden Aufenthalte machen könnte. O viel, gar viel liegt schwer auf diesem Herzen! Dinge, wovon euch nur der geringere Theil bekannt ist; und doch auch dieser kann es euch begreiflich machen, warum ich die Welt fliehe und Erleichterung in der Einsamkeit suche. O Konrad, Konrad! wollte Gott es wär wahr, daß keine Ueberwindung so groß sey, welche man mir nicht zutrauen könnte! Ich fühle es, große Ueberwindungen stehen mir bevor, zu welchen ich noch wenig Neigung in meinem Herzen fühle, zu denen ich mich durch Gebet und Klosterstille bereiten muß.

       Konrad an Elisabeth.

      Ich weiß nicht, auf welche Ueberwindung ihr anspielet, die euch zu schwer fallen könnte. Zeitliche Güter sind nichts in euren Augen; wie dann, wenn nun auch in Zukunft Großmuth oder Gerechtigkeitsliebe euch hierin ein kleines Opfer abfordern sollte? könnte dies euch Schmerz oder langes Ueberlegen kosten? Elisabeth brauchte nicht Erbin von Toggenburg zu werden, um groß und reich zu seyn; das Glück bedachte sie, ohne die Vorliebe ihres Gemahls, reichlich genug, um ihr ein Beyspiel der Verleugnung, das sie der Nachwelt