Hartmut Finger

Dahlen - Kleine Stadt mit Geschichte(n)


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      Aus Funden wie auch aus schriftlichen Überlieferungen erfahren wir, dass die hier lebenden germanischen Stämme schon Handel betrieben. Es wurde mit tierischen Produkten – Häuten, Pelzen – und auch mit Bernstein gehandelt. Verbreitet war vor allem der Handel mit Kriegsgefangenen.

      Über die Handelsbeziehungen mit den Mittelmeerländern wurde auch praktisches Wissen importiert. So führte die Verarbeitung des Eisens recht bald zu einer Blüte des Schmiedehandwerks in unserer Heimat. Im Gegensatz zur Bronzeherstellung, die nur von wenigen Spezialisten an ausgewählten Orten durchgeführt wurde, fand die Eisenherstellung eine wesentlich größere Verbreitung. Das belegen Funde an zahlreichen Orten. Die benötigten Rohstoffe dafür konnte und kann man auch heute noch überall in den Talniederungen als Raseneisenerz an der Oberfläche finden. Die Versorgung der für die Produktion benötigten Holzkohle war beim Waldreichtum unserer Region sicher auch kein Problem. So fand man in unserer Nähe Plätze, wo man Eisen produziert hat. An der Döllnitz bei Leuben (in der Nähe von Oschatz) wurden mehrere sogenannte Rennöfen, in denen Eisen geschmolzen wurde, nachgewiesen. Gleichzeitig mit der Technologie der Eisenherstellung entwickelte sich das Schmiedehandwerk. So schmiedeten unsere Vorfahren zum Beispiel hochwertige Schwerter, deren Knäufe oft mit Elfenbein, Gold oder Bernstein verziert waren.

      Rekonstruktion der Arbeitsweise mit einem Rennfeuerofen; vom Rösten des herausgebrochenen Raseneisenerzes (2) bis zum Verdicken des Eisens (10) (n. Jöns 1993)

       Eisenschlacke von Leuben: ein Überbleibsel der vorgeschichtlichen Eisenverhüttung

      Cäsar (100–44 v.u.Z.), der römische Feldherr und Eroberer, welcher sich auch als Geschichtsschreiber hervortat, berichtete um 50 v.u.Z., dass die Germanen nicht vollkommen sesshaft gewesen wären. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu Cäsars weiteren Angaben, denn er schreibt weiter: „Der Ackerbau sei bei ihnen nur primitiv entwickelt. Sie lockern den Boden nur etwas auf und bebauen ihn nur zwei Jahre hintereinander. Danach lassen sie das Land brach liegen und bebauen neuen Boden. Die Germanen kennen kein Privateigentum von Grund und Boden. Der Boden ist Eigentum der ganzen Sippe, und dementsprechend werden die Felder gemeinsam bestellt und abgeerntet. Ebenso werden die Felderträge auch gleichmäßig verteilt.“ Wer Ackerbau betreibt, muss aber zwangsläufig sesshaft sein. Cäsar berichtet weiter, dass die Grundnahrungsmittel nur zu einem geringen Teil vom Ackerbau kämen. Das Sammeln, die Jagd und eine entwickelte Viehzucht (Weidewirtschaft) bildeten die Basis für die Ernährung. Die Tierhaltung ermöglichte bereits eine kontinuierliche Versorgung mit Milch, Käse und Fleisch.

      Dass die hoch entwickelte römische Lebensart aber doch einen Einfluss auf die eher einfache Lebensweise der Germanen ausübte, zeigt sich, wenn man die Berichte des römischen Schriftstellers Tacitus, der 100 Jahre nach der Zeitenwende lebte, liest. Er berichtet, dass die Germanen sesshaft seien und ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Ackerbau bestreiten. Damit wird die Sesshaftigkeit der Germanen noch einmal bestätigt, wobei wir jedoch registrieren, dass in den 150 Jahren von Cäsar bis zu Tacitus, der Feldbau die Weidewirtschaft als Haupternährungsquelle abgelöst hat. Das ist historisch gesehen eine kurze Zeitspanne für eine derartige Veränderung. Es gab aber weiterhin kein Privateigentum an Grund und Boden. Das Land war immer noch Gemeineigentum der Sippen und Stämme, und ebenso wurde es gemeinsam bearbeitet. Aber auch Cäsar berichtete schon, dass die Erträge nicht grundsätzlich gleichmäßig verteilt wurden. Einige „Würdenträger“ bekamen ganz offensichtlich größere Anteile zugesprochen. Es hatte sich also schon ein Stammes- oder Sippenadel herausgebildet. Ein Teil der germanischen Adeligen ließ die mühsame Feldarbeit von Kriegsgefangenen bzw. von Sklaven durchführen.

      Tacitus berichtet weiter, dass die Germanen ihre Felder mit Mergel1 oder kalkhaltigem Boden düngten. Auch der eiserne Pflug hatte schon Eingang in die Landwirtschaft gefunden. Angebaut wurden vor allem unsere heutigen Getreidesorten, aber auch Erbsen, Linsen, Bohnen, Möhren, Flachs, Hanf und Mohn. Das einzige Obst, das die Germanen kannten, waren Wildäpfel. Das Anpflanzen von Steinobst wurde erst nach und nach von den Römern übernommen, ebenso der Anbau von Weinstöcken, der sich sehr rasch im jetzigen Deutschland ausbreitete. Was wiederum einen Hinweis auf den kulturellen Austausch zwischen Germanen und den westlich des Rheins herrschenden Römern gibt. Von Tacitus erfahren wir zudem, dass die Hauptnahrungsmittel der Germanen nun neben Milch, Käse und Fleisch auch Hafergrütze und Butter sind sowie ungesäuerte Brotfladen, die auf heißen Steinen gebacken wurden. Ihren Durst löschten die Germanen hauptsächlich mit einem aus Gerste, Weizen oder Hafer gebrauten bierähnlichen Getränk. Der viel besungene Met wurde aus Honig und Wasser bereitet. Andererseits aber lernten die Römer Butter erst durch die Germanen kennen.

      Die Germanen, die aus der bereits hier lebenden bronzezeitlichen Bevölkerung hervorgegangen sind, waren ebenfalls sesshaft. Sie errichteten viereckige Holzhäuser, deren Ritzen sie mit Lehm ausfüllten, bzw. eine Art Fachwerkbau, deren Gefache mit einem meist lehmverschmierten Weidengeflecht ausgefüllt waren. Städte bildeten sich jedoch noch nicht heraus. Die Siedlungen waren einzelne Höfe oder Dörfer, die oft zum Schutz vor wilden Tieren umzäunt wurden. Als Sicherung gegen Überfälle feindlicher Stämme errichtete man auch Pfahlbauten auf dem Wasser.

      Im Allgemeinen wird immer noch an dem Irrglaube festgehalten, dass zwischen Rhein und Elbe nur undurchdringlicher Urwald vorherrschte. In vielen Regionen dominierten zum Beispiel Buchenwälder, die aber kaum dichten Bewuchs unter ihren Baumkronen zulassen. Zudem gab es auch zahlreiche offene Landschaften. Gerade durch diese Gegenden in den germanischen Siedlungsgebieten zogen sich schon in vorrömischer Zeit Handelswege. Diese waren allerdings nicht befestigt. So gab es zum Beispiel die „Bernsteinstraße“, die von der Ostsee zur Adria führte oder auch den „Hellweg“, der vom Niederrhein zur Elbe lief. Auch die zahlreichen Flüsse wurden als Transportwege genutzt. So ist es kein Wunder, dass, nachdem die Römer bis zum Rhein vorgedrungen waren, sich auch ein reger Handel mit den östlich des Rheins lebenden Völkern entwickelte. Römische Kaufleute drangen weit in germanisches Gebiet vor und kamen die Elbe und Saale aufwärts auch in unsere Heimat. Die Germanen bezogen von den Römern vornehmlich Metallgegenstände, Wein, Glasgefäße, Schmuck, Stoffe sowie Waffen. Dafür lieferten sie vor allem Kriegsgefangene, Felle, blondes Frauenhaar und Gänsefedern neben Honig und Bernstein. Durch den Handel kamen aber auch verbesserte Technologien wie zum Beispiel in der Eisenverarbeitung nach Germanien.

      Bei der nun eingeleiteten gesellschaftlichen Arbeitsteilung war es insbesondere das Schmiedehandwerk, das bei den Germanen in hohem Ansehen stand. Einen Hinweis darauf geben noch heute die Sagen von „Wieland dem Schmied“ und die „Siegfriedsage“, in denen das Schmiedehandwerk eine besondere Geltung erfährt2. Bei Ausgrabungen sind vor allem Hämmer, Ambosse, Feilen und Zangen gefunden worden. Diese Gegenstände lassen erkennen, dass die germanischen Schmiede umfangreiche Fertigkeiten beim Gießen, Schmieden, Nieten, Stanzen, aber auch beim Löten und Gravieren, hatten. Das Schmiedehandwerk war zu jener Zeit „die Hochtechnologie“, wie wir das heute bezeichnen würden.

      Auch das Handwerk der Töpferei war, wenn zunächst noch ohne Töpferscheibe, bei den Germanen weit verbreitet. Privateigentum gab es, wenn man einmal von Waffen, Schilden und persönlichem Schmuck absieht, nach wie vor nicht. Die Kleidung der Germanen bestand, wie in den letzten Jahren Ausgrabungen von Moorleichen zeigten, hauptsächlich aus gewebten und oftmals auch bunt gemusterten Stoffen. Felle und Leder wurden ebenso weiterhin verwendet.

      Kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, so traten die Germanen in Sippen- oder Stammesverbänden auf. Diese hatten sogar Bestand, wenn sie für die Römer in einer Auxiliareinheit (Hilfstruppe) kämpften. Bei wichtigen Ereignissen, wie zum Beispiel Eheschließungen oder auch Gerichtsverhandlungen, waren alle Sippenangehörigen anwesend. Die Frauen der Germanen nahmen eine geachtete Stellung ein. Die Angehörigen einer germanischen Sippe verfügten alle über die gleichen Rechte. Das wenige Eigentum was die Germanen besaßen, wurde, wenn es nicht als Grabbeigabe Verwendung fand, vom Vater auf den Sohn vererbt. Das änderte sich auch nicht, als privates Eigentum mehr und mehr zur Regel wurde.

      Der