losfuhren. Trotz der Klimaanlage im Auto machte Gordon eine Pause zwischen der einen Fahrstunde. Er parkte das Fahrzeug nahe einem der großen Fischteiche, die es in dieser Gegend reichlich gab. Sie suchten sich einen Baum mit einer ausladenden Blätterkrone, unter dem sie eine Decke ausbreiteten und ihr Lunchpaket auspackten. Anfangs saßen sie sich noch etwas scheu gegenüber, doch mit der Zeit rückte Gordon immer näher zu seiner Begleitung hin.
„Wir arbeiten tagtäglich zusammen, könnten wir das Sie nicht weglassen und zum Du übergehen?“, wagte er einen kleinen Vorstoß.
„Von mir aus schon“, stimmte Melissa zu. „Aber“, warnte sie ihn. „Lass es die Oberin nicht wissen und auf Station sollten wir das auch vermeiden, denn dort gibt es zu viele Ohren, die es der Mutter melden könnten.“
„Die Oberin ist meine Tante“, informierte er sie.
„Oh, das wusste ich nicht“, antwortete sie und es bildeten sich ein paar kleine, argwöhnische Falten auf ihrer Stirn.
„Keine Angst, ich will dich nicht verpfeifen, weil du so bereitwillig das Du anwenden willst“, lächelte er.
Er schenkte ihr noch etwas Wasser in den Becher. Inzwischen saß er ihr so nahe, dass er sie hätte berühren können.
„Also.“ Er hob seinen Wasserbecher. „Dann Prost, auf das Du“, lachte Gordon und küsste sie sanft auf die Wange. Hm, dachte er, eine Haut wie Seide. Das verlangt nach mehr.
Er stand auf und packte die leeren Schüsseln ins Auto, als er bemerkte, dass Melissa plötzlich wie wild um sich schlug. Da sah er eine dunkle Wolke vom Baum herunterkommen.
„Hornissen!“ Mit einem Schlag erkannte er die großen Insekten. Er rannte zu ihr, packte sie etwas unsanft am Arm und riss sie mit sich.
„Komm! Schnell! Ins Wasser!“, schrie er.
Zusammen sprangen sie in den Teich, wo sie untertauchten. Unter Wasser verlor er ihre Hand. Gordon zählte fünf Sekunden, dann tauchte er vorsichtig auf und entdeckte die Insektenwolke bereits am anderen Ufer. Nur Melissa blieb verschwunden.
„Mein Gott, sag bloß, sie kann nicht schwimmen“, murmelte er vor sich hin, um gleich darauf hinab zu tauchen. Im trüben Wasser des Fischteichs fand er sie bewegungslos am Grund liegen. Er nahm sie an den Armen und holte sie zur Oberfläche. Mit einigen Schwimmstößen brachte er sie ans Ufer. Leblos lag sie auf dem Gras. Er zählte drei Hornissenstiche im Gesicht, einen am Hals und zwei an der rechten Hand. Mit geübten Griffen pumpte er ihr das verschluckte Wasser heraus, doch es kam kaum etwas.
„Melissa, komm, wach auf!“, rief er voller Verzweiflung und klopfte ihre Wangen. Er fühlte ihren Puls, der nur so dahin raste. Die Stiche schwollen enorm an, besonders am Hals und über dem Auge. Plötzlich kam ihm die Erkenntnis: Insektengiftunverträglichkeit.
Er nahm sie auf seine Arme und brachte sie so schnell er konnte zum Auto. Er legte sie daneben ins Gras. Aus seinem Notfallkoffer holte er ein Gegenmittel und spritzte es ihr.
Sogar der Hals begann innen anzuschwellen, so dass sie nur schwer Luft bekam. Nach zwanzig Minuten öffnete sie endlich ihre Augen.
„Oh, Melissa, hast du mir einen Schreck eingejagt. Ich dachte, es wäre alles zu spät. Hast du die Insektengiftallergie schon länger?“, informierte er sich.
„Ja, eigentlich schon solange ich mich zurückerinnern kann. Ich glaube mit fünf Jahren begann es“, antwortete sie leicht undeutlich. Ihr fiel es schwer zu denken, da sie sich wie nach einer Narkose fühlte.
„Und dann wirst du auch gleich noch von sechs Hornissen gestochen. Mich haben nur zwei erwischt, wahrscheinlich schmecke ich ihnen nicht“, lachte der Arzt erleichtert. „Du wirst jetzt sehr müde werden auf das Medikament, dass ich dir gespritzt habe, Melissa, aber das macht nichts. Überlass’ ruhig alles mir.“
Sie bekam nur noch die Hälfte mit, denn sie schlief sofort ein.
So, was als nächstes? überlegte er. Ja, natürlich, sie mussten schleunigst aus den nassen Sachen heraus, denn an ihrer beider Kleidung hatten sich über und über grüne Algen aus dem Fischteich geheftet. So konnten sie beide nicht ins Auto steigen. Brandons nobles Fahrzeug würde für immer verdorben sein und vor allem nach Fisch stinken.
Etwas umständlich entkleidete er sie. Er kannte sich schließlich nicht aus mit der Nonnentracht. Anschließend wühlte er in ihrem kleinen Koffer, in dem nur der Ersatz-Habit, etwas Unterwäsche und ein Nachthemd zu finden waren. Er entschied sich für das Nachthemd. Die Tracht erschien ihm zu kompliziert. Bei der ganzen Prozedur bemühte er sich, nicht so genau ihren Körper zu betrachten, doch er konnte sich einfach nicht beherrschen. Es war ihm unmöglich seine Augen von diesem schlanken und doch wohlgerundeten Körper abzuwenden. Als er ihr den Schleier abnahm, quollen eine Menge krauser Locken heraus, die bis zu den Schulterblättern reichten. Nanu, überlegte er, ich dachte immer den Nonnen werden die Haare ganz kurz geschnitten. Eilig hüllte er sie in das Nachthemd, um nicht länger der Versuchung zu erliegen sie dauernd anzusehen. Im Kofferraum des Wagens fand er zwei Decken. Diese breitete er auf die beiden Vordersitze. Dann packte er sie auf den Beifahrersitz, schnallte sie fest und kippte den Sitz nach hinten, damit sie halbwegs zum Liegen kam. Nun bemühte er sich aus seinen eigenen, nassen Sachen zu kommen. Leider hatte er keine andere kurze Reservehose dabei, nur eine lange und in der würde er nur schwitzen. Gordon wählte eine Unterhose und ein Unterhemd. Das musste einstweilen genügen. Über sein Handy rief er Christin an und teilte ihr die Situation mit.
Dann setzte er sich ans Steuer und fuhr so schnell er konnte nach „Twenty-Two-Oaks.“
Dort wurde er bereits erwartet. Vorsichtig trug er Melissa hinein. Doreen zeigte ihm ein Gästezimmer. Er brachte sie hinein und bettete sie auf die rechte Seite eines Doppelbettes. Christin legte ihr sofort eine Infusion, die sie mit verschiedenen pflanzlichen Wirkstoffen versah. Melissa zitterte am ganzen Körper. Außerdem fühlte sie sich sehr heiß an. Das Fieber stieg bis zur Nacht auf 40°C. Während Gordon ihr nochmals ein Histamin spritzte, legte Christin kleine Blättchen eines speziellen Strauches, gemischt mit kaltem Quark auf die dick geschwollenen Stiche, damit die Entzündung aus dem Körper gezogen wurde. Auch Gordon bekam von ihr zwei Stück auf seine Stiche aufgelegt.
„Ihr zwei seht aus, als wenn ihr aus dem Bett kommt?“, scherzte sie.
„Ja, kann man so sagen, aber mir fehlte die Zeit mich mit komplizierten Nonnentrachten aufzuhalten. Ich musste mich beeilen. Es ist schon sehr seltsam. Jedes Mal, wenn ich eine Nonne im Auto transportiere, geschieht etwas Unvorhergesehenes“, überlegte Gordon.
„Es ist ja alles gut ausgegangen“, beruhigte die Pflegerin ihn.
Sie deckte ihre Freundin mit einer leichten Bettdecke zu.
„Gehen Sie nach unten und essen Sie zu Abend. Doreen hat schon etwas für Sie hergerichtet. Ich bleibe solange bei ihr“, bot sie an.
„Ich weiß nicht, ob ich jetzt essen kann. Der Schock sitzt noch ziemlich fest in mir“, gestand er ihr.
„Aber es geht ihr doch schon viel besser“, entgegnete Christin. Warum nur macht er sich solche Sorgen um sie? überlegte sie. Ihr Blick schweifte zu seinen Augen und da erkannte sie den Grund. Ach du meine Güte, auch das noch. Wenn sie nicht stark genug ist, werde ich meine beste Freundin verlieren, denn dann wird sie wohl eine freie Schwester werden, dachte sie traurig.
Ein anderer Gedanke schob sich davor, denn was tat sie eigentlich mit Brandon? Nämlich ganz genau das Gleiche. Sie fühlte sich auch sehr zu ihm hingezogen, mehr als ihr erlaubt war. Aber ich muss standhaft bleiben, sagte sie sich. Wenn das jede Ordensschwester so machen würde, wäre wohl bald keine Klosterschwester mehr übrig.
Da riss sie Gordon aus ihren Gedanken. „Wie geht es Brandon?“
„Noch nicht so gut. Er bekam eine neue Chemotherapie am Anfang der Woche, die ihm arg zusetzte. Die ganze Zeit konnte er vor Übelkeit nichts essen. Ich habe ihm so viel ich konnte an Infusionen gegeben. Er ist sehr schwach“, berichtete sie ihm.
Sie begleitete