Chemotherapie zieht mir ständig die Augen zu“, jammerte der Freund. Dann begann er zu schnuppern. „Ich weiß nicht, aber hier riecht es plötzlich so streng nach Fisch. Bist du das, Gordon? Und warum hast du nur die Unterwäsche an?“, forschte er.
Der lachte nur. „Das kann gut sein. Ich war in einem Fischteich baden und zwar mit einer Nonne zusammen.“
„Wie hast du denn das fertiggebracht? Ist sie freiwillig mitgegangen? Und warum habt ihr ausgerechnet einen Fischteich ausgewählt?“, überhäufte ihn Brandon mit Fragen.
„Weil uns ein Hornissenschwarm dazu zwang, blieb uns keine andere Wahl“, erklärte Gordon.
„Dann ist ja alles klar“, antwortete er trocken.
„Nur, sie konnte nicht schwimmen und wäre mir beinahe ertrunken und dann kam das Schlimmste noch. Sie reagierte auf die Stiche allergisch“, erläuterte der Freund die Situation.
„Also kein romantisches Bad? Wie schade. Aber weißt du, was du tun könntest?“, lockte ihn Brandon.
„Was denn?“ Gordon glaubte an einen Tipp, wie er schneller mit Melissa zusammenkam. Neugierig neigte er seinen Kopf ihm zu.
„Du könntest dich mal duschen. Du stinkst wie ein ganzer Fischkutter“, kam die Antwort.
„Ja, da hast du allerdings auch Recht“, lachte er. „Vielleicht wäre es ja möglich mit diesem Gestank deine Krebszellen abzutöten. Dann würde ich mit Vergnügen täglich in die Brühe springen.“
Brandon rang sich ein Lächeln ab. „Das wäre perfekt. Ich würde den Fischgestank vorziehen und auf die Chemotherapie verzichten, denn kotzen muss ich auf beide. Nur der Fischgestank ruiniert meine inneren Organe nicht. Gordon!“, es klang sehr dringlich. „Den Eimer bitte!“, bat er seinen Freund. Schnell hielt er ihm den Eimer vor sein Gesicht.
„Bin ich das jetzt mit dem Fisch oder immer noch deine Chemotherapie?“, vergewisserte er sich.
„Ich fürchte beides“, antwortete Brandon ihm.
Als es ihm etwas besser ging und der Patient erschöpft in seinen Kissen lag, entsorgte Gordon den Inhalt des Eimers und begab sich anschließend ins Bad um zu duschen.
Nach der Dusche kam der Freund zu ihm zurück. Brandon lag erschöpft in den Kissen. Gordon erhob sich und wollte sich leise aus dem Zimmer schleichen. Doch da rief ihn Brandon plötzlich zurück.
„Gordon, warte noch einen Moment. Ich muss dir noch etwas sagen: Sollte ich in den nächsten Tagen sterben, dann musst du die Rose-Bud-Bank und ihre sechs Filialen übernehmen. Ich möchte nicht, dass sie zersplittert werden. Ich habe dich als alleinigen Haupterben in meinem Testament einge…“
Weiter kam er nicht. Da fiel ihm der Freund ins Wort. „Bist du verrückt geworden? Ich habe noch niemals etwas mit einer Bank zu tun gehabt, außer, wenn ich jeden Monat mein Gehalt abgehoben habe. Wie kommst du darauf, dass ich sie übernehmen soll? Ich habe keinen blassen Schimmer von Bankgeschäften. Wie soll ich das machen?“
„Du bekommst die Hilfe von zwei Managern“, entgegnete Brandon ganz gelassen. „Und was du sonst noch tun musst, steht alles im Testament. Ich musste mich damals auch da hinein arbeiten. Ich war ja auch nicht als Erbe vorgesehen. Und so, wie ich dich kenne, schaffst du das genauso. So, und jetzt lass mich etwas schlafen. Ich bin ziemlich erschöpft“, verabschiedete er ihn.
Melissa öffnete die Augen, als Christin zurückkam.
„Wie geht es dir?“, erkundigte sich die Freundin.
„Es ist schon wieder besser“, antwortete Melissa.
„Puh, du stinkst abartig, wie ein altes Fischweib“, stellte Christin fest.
„Ich habe ja auch in einem Fischteich gebadet“, klärte sie sie auf.
„Und darauf bist du stolz? Komm, ich lasse dir ein Bad ein. Dort kannst du auch deine Haare waschen.“ Schon verschwand sie im Nebenzimmer.
Während Melissa in der Wanne saß, bezog Christin das Bett frisch und legte ihr ein Nachthemd von sich auf das Kopfkissen. Anschließend riss sie die Fenster auf, um den ekelhaften Geruch nach altem Fisch aus dem Zimmer zu vertreiben. „Ich komme mir vor wie auf dem Fischmarkt“, murmelte sie vor sich hin.
Nachdem Melissa wieder im Bett lag, wollte Christin wissen, wie sich das Ganze zugetragen hatte, vor allem konnte sie sich keinen Reim auf die seltsame Bekleidung machen.
„Wir mussten vor einem Hornissenschwarm flüchten und sprangen in unserer Not mitsamt unserer Kleidung in einen Fischteich und auf dem schwammen obenauf eine Menge Algen. Außerdem weißt du ja, dass ich nicht schwimmen kann. Wenn mich Gordon nicht herausgeholt hätte, wäre ich entweder ertrunken oder von den Insekten zu Tode gestochen worden“, erklärte ihr die Freundin. Dabei rutschte ihr der Vorname ihres Oberarztes unbewusst heraus.
Aha, sie nennen sich bereits beim Vornamen, registrierte Christin. Wenn das mal gut geht!
„Ach ja, mein Habit befindet sich noch im Auto. Wenn du ihn vielleicht waschen könntest?“, bat Melissa sie. „Aber Vorsicht, er stinkt genauso.“
„Aber ja, das mache ich doch gern für dich. Hauptsache du wirst wieder gesund“, versicherte ihr die Freundin. Sie reichte ihr ein Glas kaltes Wasser.
„Eines würde mich schon interessieren“, begann Christin vorsichtig. „Wer hat dich in das Nachthemd gekleidet?“
„Der Oberarzt hat mir ein Gegenmittel gespritzt, worauf ich sehr müde wurde.“ Sie kehrte wieder zu der konventionellen Anrede zurück. „Ich kann dir nur sagen, ich weiß von gar nichts mehr. Ich hatte einen regelrechten Filmriss. Aber da wir nur zu zweit unterwegs waren, kann es nur er gewesen sein. Aber ich denke, dass ich ihm vertrauen kann. Schließlich lag hier ein Notfall vor. Er arbeitet seit zwei Wochen bei mir in der Kinderklinik als Oberarzt. Alle Kinder lieben ihn und das nach so kurzer Zeit.“ Energisch rubbelte sie mit dem Handtuch ihre Haare trocken.
„Was meinte der Oberarzt vorhin, als er sagte: „Immer wenn ich eine Nonne im Auto habe, geschieht etwas?“, wollte Melissa wissen. „Ich habe das so im Halbschlaf mitbekommen.“
„Als er mich hierher fuhr, landeten wir während eines schweren Gewitters in einem Schlammloch und zwar so, dass sein Auto nur noch Schrottwert hatte“, erklärte Christin lachend.
Gordon ging doch noch in die Küche hinunter zu dem Hausmeisterehepaar.
„Was möchtest du essen?“, ermunterte ihn Doreen.
„Ein Apfel genügt mir“, antwortete er und nahm sich einen vom Obstteller.
„Du bringst uns lauter hübsche Mädchen ins Haus“, sprach ihn Richard an. „Nur dumm, dass alle Ordensschwestern sind.“
„Ich glaube kaum, dass sich das als ein großes Problem herausstellt, wenn sie mal angebissen haben“, erwiderte Gordon und versenkte seine Zähne herzhaft im Apfel.
„Deine Tante wird nicht so sonderlich begeistert sein, wenn du ihr die besten Schwestern wegnimmst. Am Ende entlässt sie dich wieder“, gab der Hausmeister zu bedenken.
„Ich will nicht alle, Richard. Eine genügt mir voll und ganz. Vor allem, wenn es die richtige ist“, antwortete er.
„Und welche von den beiden ist es? Die weiße oder die hellbraune?“, erkundigte sich der Hausmeister neugierig.
„Die Hellbraune“, ließ Gordon ihn uneingeschränkt wissen.
„Hab ich es mir doch gedacht. Wer nichts essen kann, der ist verliebt“, bestätigte Richard und lachte in sich hinein. „Na, dann halt dich mal ran, Junge. Du bist schließlich schon dreiunddreißig Jahre alt und eine Nonne aus ihrem Kloster loszueisen wird bestimmt nicht so einfach sein“, lachend klopfte er Gordon auf die Schulter. „Nicht, dass du dann schon graue Haare hast, bis es dir gelungen ist, sie davon zu überzeugen, dass ein Liebesleben besser ist als das Klosterleben.“
Das Hausmeisterehepaar