er sehr hilfsbereit.
Er wünschte allen eine Gute Nacht und begab sich nach oben in sein Bett. Doreen dachte ihm das Nebenzimmer von Melissa zu, das ebenfalls mit einer Verbindungstür ausgestattet war. Er fühlte sich nach der Aufregung heute am Tag todmüde und schlief auch sofort ein.
Doch nach einer halben Stunde wurde er von Melissas unruhigem Schlaf geweckt. Ihre Schreie drangen zu ihm, da die Türe offen stand. Leise schlich er sich in den angrenzenden Raum und machte das Nachtlicht an.. Sie musste wohl einen Alptraum haben, weil sie so wild um sich schlug. Er beugte sich über sie und bekam prompt eine Ohrfeige ab. „Au!“, rief er und schüttelte seinen Kopf, während er ihre Hände einfing. Leise redete er sie an. „Melissa, Melissa, wach auf. Du hast einen Alptraum. Sei still, du weckst ja das ganze Haus auf.“
Sie schlug die Augen auf und ließ ihre Hände fallen. Mit einem Mal flossen die Tränen.
„Dieser Traum kommt immer wieder. Ich habe ihn heute wohl schon zum vierten Mal geträumt. Die Hornissen greifen mich pausenlos an. Ich höre sogar ihr Brummen“, erklärte sie ihm völlig aufgelöst. „Sag, habe ich dich vorhin etwa geschlagen?“, wollte sie wissen und blickte ihn mit großen erschrockenen Augen an.
„Das war nicht schlimm. Wie du siehst, sitzt mein Kopf noch auf den Schultern“, scherzte er. „Soll ich bei dir bleiben?“, begann er vorsichtig.
„Ja, bitte, bleib bei mir“, schluchzte sie. „Und wenn ich dich wieder schlage?“, warnte sie ihn.
„Dann werfe ich dich aus dem Bett!“, drohte er ihr.
Rasch schlüpfte er unter die Decke des linken freien Bettes. Er nahm ihre Hände in die seinen und wartete, bis sie sich beruhigt hatte. Mit der Zeit verebbten die Tränen und sie hörte auf zu schluchzen. Sie fühlte die Wärme seiner Hände und seines Körpers. Vorsichtig zog er sie in seine Arme. Sie hörte sein Herz im gleichmäßigen Takt schlagen und legte ihren Kopf vertrauensvoll an seine Schulter. Mit einem Handgriff machte er das Nachtlicht aus. So schliefen sie beide ein. In dieser Nacht kehrte kein Alptraum mehr zurück. Sie fühlte sich bei ihrem Lebensretter vollkommen sicher und geborgen.
Am nächsten Morgen, als sich alle am Frühstückstisch versammelt hatten, schlug Gordon vor: „Ich bleibe heute bis Mittag bei Brandon, damit Christin auch ein paar Stunden für Melissa Zeit hat.“ Er wandte sich an die Ordensschwester. „Geht es dir auch wirklich wieder gut, Melissa?“ In diesem Moment achtete er gar nicht auf die Anrede „Schwester.“
„Mir geht es sehr gut“, antwortete sie lachend und ihre Augen glänzten, als sie ihn ansah.
Christin versorgte zuerst ihren Patienten und brachte ihm sein Frühstück. Während sie ihm beim Essen half, blinzelte er sie von der Seite her an. „Wo kommen denn plötzlich all die Klosterschwestern her? Ist hier irgendwo ein Nest?“, erkundigte er sich.
„Ja, im Heilig Geist Kloster. Dort finden Sie mindestens noch weitere zweihundert ihrer Art“, antwortete die Pflegerin.
„Zweihundert? Was tun die alle dort?“, wunderte er sich.
„Sie arbeiten und beten“, klärte ihn Christin auf. „Sie betätigen sich im Krankenhaus, in der Kinderklinik, in der Apotheke, im Waisenhaus, in der Küche, in der Wäscherei und sie pflegen die alten Menschen.“
„Ich habe mir noch nie um dieses Kloster Gedanken gemacht. Sind dort alle Schwestern so jung und hübsch wie Sie?“, musste er unbedingt erfahren.
Christin musste schlucken. Ein Kompliment von ihm? wunderte sie sich. „Nein, wir sind ein gemischter Haufen von Ordensschwestern von achtzehn bis siebzig Jahren, wobei letztere nicht mehr zum Dienst eingeteilt werden“, teilte sie ihm mit.
„Die bringen Sie aber bitte nicht alle hierher“, forderte er.
„Nein, natürlich nicht. Ich werde nur Melissa ab und zu treffen. Sie ist meine beste Freundin, seit ich geboren wurde“, ließ sie ihn wissen.
Erschöpft schloss er die Augen. Damit beendete er sein Frühstück.
Ich weiß jetzt, dass nicht alle so jung und so wunderschön sind in diesem Kloster. Aber ich habe die hübscheste und intelligenteste Pflegerin des Vereins bekommen, überlegte er lächelnd.
Kurz danach lenkte Christin ihre Schritte mit der Freundin in den Park der Stonewalls. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und der Wind spielte leicht in den Zweigen der Weiden und Trauerbirken. Tulpen und Narzissen blühten überall und verteilten verschwenderisch ihren Duft.
„Wie geht es voran bei dir?“, erkundigte sich Melissa.
„Noch nicht so recht. Die letzte Chemotherapie hat ihn wieder weit zurückgeworfen. Wir stehen praktisch wieder am Anfang. Er ist sehr negativ gestimmt und möchte am liebsten sterben. Es ist schwer ihn umzustimmen. Ununterbrochen im Bett zu liegen ist ja auch nicht gerade aufbauend“, berichtete Christin.
„Meinst du, er schafft es?“, wollte die Freundin wissen.
„Ich hoffe es zumindest. Meine letzten beiden Patienten sind gestorben. Ich möchte auch wieder einmal ein Erfolgserlebnis verbuchen. Ich tue was ich kann, damit er überlebt“, erklärte sie. „Er hat allerdings eine äußerst aggressive Leukämie, der man mit den herkömmlichen Medikamenten schlecht beikommt.“
„Aber wenn Gott nicht will?“, gab Melissa zu bedenken.
„Ja, dann kann ich ihm nicht helfen“, antwortete Christin traurig. „Dann hat der Herr wohl anders entschieden.“
Langsam überquerten sie eine kleine steinerne Brücke.
„Ich bewundere dich. Wie hältst du es nur bei ihm aus? Ich habe gehört, dass er mehrere Pflegekräfte regelrecht vergrault hat“, erkundigte sich die Freundin.
„Ich kann nicht klagen. Bei mir hat er sich nur am Anfang etwas daneben benommen. Er nannte mich Pinguin und Nebelkrähe.“ Sie musste lächeln in der Erinnerung. „Aber diese anderen Pflegerinnen haben ihn nicht im Mindesten gepflegt. Sie nahmen ihm die Glocke weg, damit er nachts ihre Ruhe nicht störte. Dann ließen sie ihn nur auf dem Rücken liegen, so dass sich bei ihm ein sehr tiefer Dekubitus entwickelte. Kein Spezialbett wurde beantragt. Sie lagerten seine Füße nicht und ließen ihn in seinen Exkrementen stundenlang liegen. Auch das Essen schnitten sie ihm nicht. Niemand half ihm bei den Mahlzeiten. Sie ließen ihn im Dunkeln liegen und warteten praktisch nur auf seinen Tod“, erklärte Christin aufgebracht.
„Das ist ja furchtbar“, entrüstete sich Melissa.
„Jedenfalls wirft er bei mir keine Teller mit Essen an die Wand oder spuckt mir ins Gesicht“, bestätigte die Pflegerin.
„Das glaube ich dir. Du gehst mit deinen Patienten ja auch ganz anders um. Du bist Tag und Nacht immer für sie da. Habe ich Recht?“ Melissa bedachte sie mit einem Seitenblick.
„Ja, und so soll es auch sein“, bestätigte Christin.
„Und du selbst? Fühlst du dich hier wohl?“, wollte die Freundin wissen.
„Ja, das tue ich. Das Hausmeisterehepaar hilft mir, wo es nur geht. Es sind zwei nette und liebenswerte Menschen, die auch sehr an Mr. Stonewall hängen. Sie haben ihn nach dem Tod seiner Familie mit dreizehn Jahren aufgenommen wie ein eigenes Kind. Deshalb ist es auch für sie eine schlimme Sache ihn so dahinvegetieren zu sehen“, erzählte sie ihr.
Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Oh, es ist schon spät. Ich muss zurück“, erklärte sie.
„Aber es ist doch erst elf Uhr. Du hast noch eine Stunde Zeit. Gordon ist doch bei ihm. Er hilft ihm, wenn er etwas braucht. Er hat ihn zuvor doch auch schon manchmal versorgt“, widersprach Melissa.
Sie folgten einem kleinen Rinnsal, das sich durch große und kleine Steine schlängelte, bis es als Miniaturwasserfall über einen großen Findelstein hinabstürzte und als kleines Bächlein weiter plätscherte. Überall im Park wuchsen Blumen in voller Blüte, die einen betörenden Duft verbreiteten. Wer diesen Park anlegte, musste viel Fantasie gehabt haben.
„Du