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Die Geschichte des Dorfes Wyhlert


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STEPHAN HURST

      Die Deutschen waren sich bewusst, dass die Bedingungen für den Frieden hart sein werden. Doch der endgültige Text des Versailler Vertrages vom 17. Mai 1919 überstieg die schlimmsten Befürchtungen. Neben 14 % des Territoriums gingen dem Deutschen Reich auch die Hälfte der Eisenerzvorkommen sowie 25 % der Kohlereserven verloren. Für die Zivilbevölkerung jedoch alarmierend waren hohe Sachreparationen. So mussten beispielsweise die Hälfte des Milchviehbestandes sowie der größte Teil des modernen Lokomotivparks abgegeben werden. Am 28. Juni 1919 unterzeichnete die deutsche Delegation enttäuscht den Vertrag.

      Durch die hohen Reparationskosten von 131 Milliarden Mark an die Alliierten wurde dem Deutschen Reich 1921 eine kaum zu schulternde finanzielle Last auferlegt.

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      Landwirt Oswald Siefert 1932 in seinem Hof in der Wylerter Hauptstraße

      Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt von Mangel und Knappheit an Gütern. Da Kippenheimweiler jedoch überwiegend landwirtschaftlich geprägt war, litt die Bevölkerung bei Weitem nicht so stark an Hunger wie die Menschen in den Städten.

      Jedoch führten die hohen Jahreszahlungen an die Siegermächte zu horrend steigenden Staatsschulden und 1923 zur grassierenden Inflation. Die Geldersparnisse der Bevölkerung gingen komplett verloren.

      Erhielt Bürgermeister Johannes Weis noch im April 1923 198.848 Reichsmark an Gehalt, so waren es im Januar 1924 stattliche 103 Billionen Reichsmark. Über Nacht verlor das Geld einen Großteil seines Wertes und stellte die Wirtschaft, die Kommunen und die Bevölkerung vor große Probleme. Christel Stark berichtet über ihre Mutter, die Hebamme im Dorf war: „Also des isch nit eifach gsie. Un do het sie verzellt, no isch jo die Inflation kumme un do het sie ämol firs Geld wu sie kriägt het, grad noch ä Schächtili Schtreichholz bikumme.“

      Durch den Dawes-Plan der Alliierten 1924 zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft entspannte sich die Situation vorübergehend. In die Zeit der 1920er-Jahre fallen in Kippenheimweiler die Einweihung der neuen Glocken am 7. September 1924 sowie die Einweihung des Kriegerdenkmals bei der evangelischen Kirche 1925. Beschleunigt durch die Weltwirtschaftskrise und die stark wachsende Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich veränderten sich die Wahlergebnisse bei den Reichstagswahlen dramatisch. Zum Vergleich:

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      Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

      Signifikant war der starke Rückgang der Stimmen für die SPD, die DDP, die DNVP und die Zentrumspartei und gleichzeitig der sprunghafte Anstieg der Rechtsradikalen, insbesondere der NSDAP. Vor allem in überwiegend protestantischen Dörfern war dies ausgeprägt, da für die evangelische Bevölkerung das Wählen der (katholischen) Zentrumspartei ausgeschlossen war. Dies galt auch für Kippenheimweiler. Die zuvor an die DDP und DNVP vergebenen Stimmen wanderten zum größten Teil an die NSDAP.

      Bürgermeister von 1929–1945 war Karl Zipf. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verblieb er im Amt. Gleichzeitig begann jedoch eine Gleichschaltung der politischen Ämter bis in die kleinsten Ortschaften. Beispielhaft ist hier der Schriftwechsel der Gemeinde mit dem Badischen Bezirksamt über die Vergabe der Feldhüterstelle von Kippenheimweiler.

      Mit Brief vom 26. Januar 1934 teilte die Gemeinde Kippenheimweiler dem Bezirksamt mit:

      „Feldhüterdienst

      Dem Badischen Bezirksamt beehren wir zu berichten, dass infolge Übernahme der Waldhut Lahr-Dinglingen und Mietersheim der bisherige Forstwart und Feldhüter Baier nicht mehr in der Lage ist, den Feldhüterdienst mit zu versehen. Der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 22.01.1934 den Landwirt Julius Siefert als Feldhüter bestimmt.

      Das Bürgermeisteramt, gezeichnet: Zipf“

      Mit Brief vom 1. Februar 1934 folgte die Antwort des Bezirksamtes:

      „Antwort

      Die genauen Personalien des neuen Feldhüters sind noch anzugeben, und es ist zu berichten, ob er nach seiner bisherigen politischen Tätigkeit die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintritt.

      Bezirksamt“

      Die Antwort aus Kippenheimweiler kam umgehend am 14. Februar 1934:

      „Dem Badischen Bezirksamt beehren wir obigen Betreffs zu berichten, dass im Feldhüterdienst eine Änderung eingetreten ist. Der vom Gemeinderat ernannte Julius Siefert ist zurückgetreten …“

      Die näheren Gründe für den Rücktritt von Julius Siefert sind nicht näher dargelegt. Der Schriftwechsel verdeutlicht jedoch, dass selbst in kleinen Ortschaften wie Kippenheimweiler klare parteipolitische Vorgaben umgesetzt wurden.

      Das Amt des Bauernführers wurde Otto Weis übertragen, das Amt des Ortsgruppenleiters Emil Frenk. Bis Mitte 1934 waren die bündische Jugend, die evangelischen Jugendverbände und die Reichsschaft Deutscher Pfadfinder aufgelöst und in die HJ integriert, zu der auch der „Bund deutscher Mädel“ gehörte. Die Jugend wurde von der Partei sofort mit einbezogen.

      Zeitzeugin Hilde Schiff berichtet:

      … Un drno isch halt des drzu kumme, mir sin im Dritte Reich uffgwachse, mir hänn viel Schbort driewe, also vun dr erschte Klass an isch halt dr Schbort Nummer eins gsieh, un des ware au Schbiele, wu mir do gmacht hänn, es het Freizeite gänn. Also eigentlich bin ich weniger uff dr Freizeite gsie, aber dr Träddehof in Seelbach, der war bekannt, wo halt immer die Freizeite gstatt gfunde hänn, un des ware halt au scheni Zitte fir die. Des war dr BdM, dr „Bund deutscher Mädel“.

      Außerdem wurde auch das Landjahr eingeführt:

      Hilde Schiff: Mir hänn alli miän noch dr Schuel a Landjohr mache mit 14, 15 Johr. Also des isch Pflicht gsieh, bevor dü in dr Beruf wieder niegange bisch.

      Stephan Hurst: Landjohr heisst, dü bisch in dr Landwirtschaft gsi oder uffeme Hof. Wu warsch dü do?

      Hilde Schiff: Ich war bim Märze Daniel a Johr in der Wylerter Hauptstroß.

      Stephan Hurst: Des het mr au im eigene Dorf mache derfe?

      Hilde Schiff: Des sinn üsgschriebini Schtelle gsieh, mie Schweschter isch in Schmieh gsieh, z. B. der wu so a Maidli brücht hett zum Kinder hiede, oder vor alle Dinge sinn die bevorzuegt wore, wu dr Mann im Krieg gsieh isch, un die Fraue sinn allei gsieh, mit dänne alde Männer, sozage, un so war’s do au.

      Auch für das Winterhilfswerk musste gesammelt werden. Dies musste vor allem von den Jugendlichen mehr oder weniger gründlich umgesetzt werden:

      Martin Schmidt: Ja no hänn mir als miän sammle, fier s’Winterhilfswerk. Zuckerbredli un so. Do bisch im Dorf rum, mir hän aber nit gsammelt, mie Schweschder het als iehgsammelt. Dr Helmut, der wohnt in Mohlburg, war au mit mir in dr Klass. Un seller halt: „Kumme, mir gehn Schlittschueh fahre“. Un mir hänn halt nit gsammelt, un sinn uff d’Schiäß gange. Un am Mändig hedds dr Lehrer Hermann schun gwisst, dass mir nit gsammelt hänn. „Kommt raus, kommt raus“. No bin ich schun vorem Kadi gschdande, un no hett der Zipf Wilhelm gruefe: „D’Schweschder het gsammelt“. Un no hab ich wieder kenne an dr Platz hocke, un dr Helmut het dr Ranze voll bikumme.

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      Ausflug des BdM aus Kippenheimweiler mit dem geschmückten Wagen in den 1930er-Jahren

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