Er bat mich herein, um nach ihr zu sehen. Er war freundlich und schien sehr verständig, so war ich ihm zu Gefallen. Ich traf die junge Dame im Bett an. Von der Art wie ihre Halswirbelsäule verdreht auf dem Kissen lag, schloss ich auf eine teilweise Blockade ihrer Halswirbelsäule. Bei der Untersuchung fand ich den Atlas oder den ersten Knochen der Halswirbelsäule mehr als einen Zentimeter zu weit hinten. Er hatte das Angebot der vertebralen Arterie zum Gehirn abgedrückt. Ich passte ihre Halswirbelsäule sorgfältig wieder an und keine vier Stunden später stand sie auf und suchte nach Gesellschaft. Daraufhin wurden weitere Gebete ausgesandt, um dem Herrn zu berichten, ich sei vom Teufel besessen. Ihr Vater dagegen sagte, der Teufel bekäme $ 50 und gab sie mir, damit ich sie zu meiner Frau und meinen Kindern in Kansas senden konnte. Sie brauchten dringend etwas zu Essen, denn Kansas wurde in dieser Zeit gerade von Heuschrecken aufgefressen.
Ich glaube nicht, dass der Herr sehr auf die heulenden alten Narren hörte, die eine Kuh mit einem Fleischermesser schlachten würden, wenn sie einen Eimer Milch mit nur einem Tropfen Fortschritt darin fänden. Mein Vater war Prediger, aber er war nicht so verrückt, sich um Anerkennung unter den Unwissenden zu bemühen. Ich war wie der gute alte Paulus, der persönlich nicht immer mit verständigen Menschen zusammen sein konnte, aber im Geiste bei ihnen weilte.33
Lange Zeit ist vergangen, seit der Osteopathie ein großes Willkommen in Macon City bereitet wurde. Sie weinen und trauern, weil sie nicht die wahre Philosophie erkannten und mithalfen, ein Krankenhaus zu errichten. So wurde anstelle Macons eine rivalisierenden Stadt im benachbarten County zum Athen des Erlernens der osteopathischen Wissenschaft.
Ich verließ Macon 1875 und ging nach Kirksville, wo ich auf drei oder vier denkende Menschen stoßen sollte, die mich und mein Baby, die Osteopathie, willkommen hießen. Eine gute alte Mutter namens Ivie überließ mir mietfrei einige Räume für einen Monat. Ich hatte kein Geld, aber sie war eine alte Baptistin, deren Religion sagte: ‚Ernährt meine Lämmer!‘ Sie hat sich seit langem zur letzten Ruhe gebettet, aber ihr altes freundliches Gesicht werde ich niemals vergessen. Ein ebenso liebenswerter Mann namens Dr. med. F. A. Grove erwies sich als weiterer Freund. Er war ein Mann von Prinzipien und sehr gebildet. Er kam zu mir, um mich im Namen der Stadt Kirksville und ihrer 1.500 Bewohner zu begrüßen. Er war in der Welt herumgekommen und wusste, dass an einigen Stellen nur kleine Bäume des Fortschritts gediehen. Wir wurden Freunde bis an sein Grab. Er hat mir sehr dabei geholfen, die Wahrheiten dieser Wissenschaft zu entfalten. Wäre er noch am Leben, er stünde immer noch an meiner Seite, denn er hat mir immer geholfen die Räder des Fortschritts zu ölen.
Als ich begann meine Arbeit durch aktuelle Ergebnisse in Mutter Ivies Hotel unter Beweis zu stellen, vermietete mir ein gutherziger Mann von hohem Verstand namens Charlie Chinn eine volle Suite in seinem Geschäft, und das, obwohl ihm bekannt war, dass ich kein Geld besaß. Richter Linder, der mich bereits als Junge kannte, kam zu mir und sagte: „Ich stehe für Dich ein und helfe Dir sechs Monate, weil ich die Wahrheit über Deine Philosophie kennen lernen möchte.“ Er blieb den ganzen Sommer und schnitt gut ab. Er besaß Silberminen in Arizona und verließ dann die Stadt, um nach ihnen zu sehen. Ich sollte ihn nie wieder sehen, aber ich erinnere mich seines starken Arms und seiner guten Ratschläge und werde ihn bis zu meinem letzten Atemzug lieben.
Charlie Chinn stand seinen Mann. Obwohl er ein ‚Campbellite‘ war, fühlte ich mich während unseres Zusammenseins wie auf einem der guten alten methodistischen Liebesfeste.34 Er wusste immer etwas Nettes zu sagen, das mich in meinen deprimierendsten Stunden aufmuntern konnte. Er klopfte mir auf den Rücken und sagte:
„Komm schon Bruder, eines Tages wirst Du aus dem Sturm raus sein!“ Er sagte nie:
„Deine Miete ist fällig, Du musst zahlen oder die Räume verlassen.“
Er erwies sich als absolut zuverlässiger Mensch. Ich verließ mich auf ihn und er bekam das gesamte Geld, das ich ihm schuldete. Aber den Dank, den ich ihm schulde, werde ich niemals zahlen können, es sei denn, ich mache von der Möglichkeit eines Bankrotts Gebrauch. Das gedenke ich nicht zu tun, da sie diese Art von Schulden nie tilgen würde. So werde ich sie mit mir tragen, Stück für Stück abzahlen, und den Rest meinen Kindern überlassen, wenn ich gehe. Schon zu einem frühen Zeitpunkt meiner Karriere traf ich Robert Harris, einen der besten Männer, die ich seit dem Pflanzen unseres Banners getroffen habe. Er war Mechaniker, Maschinist und ein ehemaliger staatlicher Büchsenmacher. Ich verbrachte Stunden, Tage, Monate, Jahre mit ihm, im Grunde einfach alle Zeit, die ich irgendwie mit ihm verbringen konnte. Als ich vom Menschen als einer Maschine sprach, die in sich alle Teile und Prinzipien des Lebens und die Weisheit Gottes in Seiner Arbeit enthielt, und wie schön alles miteinander arbeitete, schloss er, dass der Mensch die Maschine aller Maschinen und alle anderen nur Imitationen der im Menschen ausgedrückten Teile und Prinzipien waren. Gott war in der Lage eine Arbeit zu vollenden. Ich fragte meinen Freund Harris, warum Menschen eine Wahrheit so langsam erkennen und erst annehmen, wenn sie ihnen bis zur Haustüre gebracht wird. Ich werde seine Antwort nie vergessen. Es war keine lange Rede in Griechisch, Hebräisch, Französisch oder Latein, sondern schlicht und verständlich:
„Der Mensch hat Angst davor einen Weg zu betreten, den er nie zuvor betreten hat. Er fürchtet, was er nicht versteht. Er versteht weder Leben noch Tod und wagt es nicht über solche Dinge zu reden oder nachzudenken.“ Er endete: „Nur wenige Menschen erlauben sich selbst jenseits eingefahrener Wagenspuren zu denken.“ 35
Das war der Satz aller Sätze; jener, der mir Vertrauen und Unterstützung gab, wenn Menschen die Wahrheit zurückwiesen und sie nicht akzeptieren wollten. Einige Menschen sind der Wahrheit so nahe wie ein junger Texasochse dem Getreide. Er fürchtet sich davor, näher heranzugehen, weil er es nicht versteht. Man sagt: „Erwarte nicht zu viel vom Menschen, viele können nicht über etwas nachdenken, bis sie es selbst entwickeln können.“
Nach einer Weile begegnete ich einigen Menschen, die begonnen hatten zu denken, und ab 1875 änderte sich die Lage mehr, als ich es je zu träumen gewagt hatte. Heute leben in Kirksville 6.000 Einwohner und unter ihnen ist keiner so blind, dass er nicht sieht, wie die Osteopathie zusammen mit allen Wahrheiten der Zeitalter bei der menschlichen Rasse wohnt und sie segnet.
Einer der vielen interessanten Fälle meiner frühen Erfahrungen war der eines kleinen Jungen, der seine Beine und Hüften nicht bewegen konnte. Er war etwa vier Jahre alt. Seine Mutter (Frau Truit) brachte ihn auf ihren Armen für sechs Monate zu mir, damit seine hilflosen Beine behandelt würden. Bei der Untersuchung fand ich eine falsch geformte Wirbelsäule, so weit ich das von meinen bisherigen Erfahrungen mit Wirbelsäulen ableiten konnte. Ich therapierte in einem zweiwöchigen Rhythmus und artikulierte jeden einzelnen Wirbelkörper so gut wie möglich. Die Mutter zeigte die Entschlossenheit, welche eben nur eine Mutter zeigen kann. Den ganzen Sommer über brachte sie den Jungen und ging dafür mit ihm 6 Kilometer durch den heißen Wald. Sein Vater stand der neuen Behandlung skeptisch gegenüber und half seiner Frau nie, den Jungen wieder abzuholen, da ihm einige engstirnige Leute berichtet hatten, dass der Still ein verrückter Narr war und dem Jungen nichts Gutes würde tun können. Am Ende der sechs Monate siedelte die Familie nach Westen über, und ich hörte für 10 Jahre nichts mehr von dem Jungen. Dann kam die Nachricht vom Tod des Vaters, und dass der arme kleine Kerl zu einem 160 Pfund schweren Mann herangewachsen war. Er führte die Farm und unterstützte seine engelsgleiche Mutter als Dank für ihren Kampf um Leben und Tod, durch Hitze und Kälte, der ihn davor bewahrt hatte, ein hilfloser Krüppel zu bleiben. Die Geschichte war so wunderbar, dass ich sie fast nicht glauben konnte. Aber ich hatte bereits eine deutliche Verbesserung an seiner Wirbelsäule bemerkt, noch bevor er ging.
In Lauf der Zeit kamen so viele zahlende Patienten, dass ich genug für mich, meine Frau, die Kinder und die Hausmiete hatte. Alles lief bis zum Herbst 1876 ziemlich gut. Dann erkrankte ich von September jenes Jahres bis Juni 1877 ernstlich an Paratyphus. Ich war sehr schwach und über die Hälfte der Zeit nicht in der Lage zu arbeiten. In dieser Zeit ging es mir finanziell sehr schlecht. Die Zeit war hart und es war schlimm für meine Jungs und mich selbst, auch nur den Hauspflichten nachzukommen. 1880 ging ich nach Wadesburg, Henry County und begann dort meine Arbeit erneut unter Beweis zu stellen. Ich behandelte in Clinton, Holden, Harrisonville und anderen Städten bis etwa 1886. In diesem Jahr besuchte ich Hannibal, Palmyra, Rich