Andrew Taylor Still

Das große Still-Kompendium


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Einreibemittel kostet 50 Cents pro halbem Schoppen. Jeder Apotheker wird es für Dich zusammenstellen, und Du kannst etwas davon Deinem Mann in die Augen reiben, wenn er betrunken ist. Er wird es in Zukunft lassen oder um die Scheidung bitten.

      KAPITEL X

      Überlegungen zu den Siebzigern – Einen Lebensweg wählen – Was Leben ausmacht – Angst es zu verlassen – Der Mut des Kindes – Das Gehirn, die einzige Hoffnung – Die Versuche der Witwe – Das triumphierende Gehirn – Die größte Energie der Hinterlassenschaft

      Ich denke oft an jene interessanten Experimente in den Siebzigern und Achtzigern. Fragen wie diese kommen mir dann: Wenn ein Mensch den Weg wählen kann, den er in seinem Leben einschlägt, warum geht er dann so viele Irrwege, die er hinterher bedauert? Viele dieser Irrwege erscheinen angenehm, friedlich und erfüllt zu sein, bevor man sie einschlägt. Jeder Anreiz scheint in Reichweite zu sein, und der Gedankenlose wird dadurch veranlasst, weiter zu schreiten. Der Anfänger wird glauben, dass dieser Weg zur Erholung, Weisheit und zu den ausreichend großen Weiden führen wird, die alles sterbliche Leben aufnehmen können.

      Tage und Jahre können vergehen und uns Bäume voll reifer Früchte und des Himmels Parfum vorgaukeln. Sie blenden mit diesem Leben und laden uns ein unser Sorgenbündel abzulegen und für immer zu schwelgen. Aber der nächste Morgen kommt mit den in roter Tinte der Niederlage geschriebenen Tatsachen, die auf der ganzen Linie auftauchen, die grünen Bäume der Hoffnung umschlagen und in Sichtweite jener niederstürzen, deren Hoffnungen zerplatzen. Feuerstürme fegen über die schattigen Bäume der Hoffnung hinweg, ziehen sie mitsamt den Wurzeln aus der Erde und häufen sie auf Bergen von Ruin an, um uns für immer daran zu erinnern, dass der eingeschlagene Weg nur zur Niederlage führt und das Leben nichts als eine Reihe von Versagen ist. Wir bleiben für Jahre unter einer dunklen Wolke, ohne auch nur einen einzigen sichtbaren Stern, welcher uns auf unserer ermüdenden Reise durch das Leid erfreuen könnte, zu erblicken. Nicht einmal ein schwacher Blitz eines Glühwürmchens sagt uns, dass so etwas wie Licht existiert. Wir suchen umsonst nach Freunden. Wir beten, vertrauen und weinen, aber weder Brot noch ein Kopfkissen zum Ausruhen kommen herbei. Hoch werfen wir die Raketen der Verzweiflung in die Luft, aber kein sterblicher Freund sieht die Zeichen des Elends. Wir merken, dass uns nur der Tod als Freund geblieben ist und würden ihn gerne offenen Armes empfangen, aber das Weinen unserer Kinder lässt uns innehalten bei dem Gedanken an das tödliche Gift und das Messer des Selbstmordes.

      In einer Vision dieser Nacht der Verzweiflung sah ich meine Frau an meiner Seite. Sie sagte mir: „Sieh unseren zehnjährigen Jungen. Er sagte mir heute, er habe einen bezahlten Job für einen Monat gefunden. Er ist alleine losgegangen und hat diese Arbeit gefunden.“

      Ich schien seiner Geschichte zuzuhören, und als er sagte, dass er ganz alleine so lange gesucht hatte, bis er den Job bekam, schien ich blitzartig ein Bild der Hoffnung und Freude auf einem Stein sitzen zu sehen. In meiner Vision begegnete mir das Gehirn eines erfolgreichen Mannes auf einem Teller, und ein großes goldenes Banner flatterte in der Brise. Auf dem Bild sah ich das Gehirn eines Menschen, nicht seines Bruders Gehirn, nicht seines Arztes Gehirn noch seines Predigers Gehirn, weder das Gehirn eines Generals oder eines reichen Onkels, sondern das Gehirn eines Mannes, das zum Erfolg genutzt worden war in allen Dingen. Auf der Inschrift standen die Worte:

      „Dies nützt keinem anderen, es ist nur in einer Hinsicht besser als andere. Dieser Mann hatte den Mut sein eigenes Gehirn zu benutzen und alle anderen in Ruhe zu lassen.“

      Ich erhob mich von der Couch der Mutlosigkeit, auf der ich gelegen und anscheinend für ein ganzes Zeitalter gehungert hatte. Ich wusch mein Gesicht, nicht Dein Gesicht, nicht das Gesicht meines guten Nachbarn, sondern das Gesicht, das Gott mir gegeben hatte. Ich wusch meine Augen und nutzte sie für mich selbst, sah für mich und nur für mich. Ich fixierte meine Augen auf den Stein, welcher das Symbol des Erfolges, des geschäftlichen Sieges, in aufrechten Buchstaben auf der Oberfläche dieses größten Monuments aller Zeiten trug.

      Ich lernte die Lektion, sie war eine meiner wertvollsten Lektionen im ganzen Leben. Das Gehirn ist der einzige verlässliche Freund. Es ist ein Richter, der eine sorgfältig überlegte Meinung von mir hat. Das ist der Richter, den der Architekt der Natur auf den großen Thron der Vernunft über alle Menschen gesetzt hat. Er hat den Richter bestimmt, der in allen Fällen der Richtige ist. Ich hatte nur eine Frage: „Ist Gott fähig einen vollkommen kompetenten Richter auszuwählen, der die Angelegenheiten aller Männer und Frauen erledigt und sie berät, wie sie erfolgreich eine gute und komfortable Unterstützung für diejenigen sein können, die von ihnen abhängen?“

      Falls die Antwort „Nein!“ und zudem wahr sein sollte, dann haben wir bewiesen, dass Gott weder in Seinem Plan vollkommen noch dazu befähigt ist, kompetente Mitarbeiter auszuwählen, die anderen Gerichtshöfen im Leben vorsitzen. Dann haben wir entdeckt, warum der Mensch so oft in den Dingen versagt, die er unternommen hat.

      Eine weitere Frage taucht auf: Hat der Mensch diesen Richter mit dem nötigen Respekt behandelt und sich nach seinem Rat gerichtet oder ist er anderen Göttern nachgerannt36 und hat er seinen besten und einzigen Freund ignoriert, sein eigenes Gehirn, der sein Kompass und Quadrant für sein Schiff sein sollte, das ihn an den Busen der Mutter Natur führen sollte, die immer voller Liebe, Erfolg und Glück ist? Sieh nur das Erbe, das ein armer Mann hinterlässt, wenn er stirbt. Weder Geld noch Freunde, die sich um seine kleinen hilflosen, zerlumpten Babys, seine Frau und seine alte Mutter kümmern. Nicht einmal ein Haus, das sie vor den Winterstürmen schützt. Kein Geld, um seinen Sarg oder das Leichentuch zu bezahlen. Aber seine Frau, die treue Freundin sagt (wie es oft der Fall ist): „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun. Wir werden irgendwie leben, Vater, auch nachdem Du gegangen bist. Ich werde mich um die Kinder kümmern. Das soll Dich nicht bekümmern.“ Dies sind ihre tröstenden Worte, bis sein Herz zur ewigen Ruhe kommt.

      Dann beginnt sie zu planen und zu arrangieren, um ihr Versprechen, das sie ihrem sterbenden Ehemann in den letzten Stunden gegeben hat, gut einzulösen. Ihre erste Anstrengung besteht in der Reinigung und Renovierung der kleinen verrauchten Hütte, dem Verschlag oder dem Haus, in dem er verstorben ist.

      Wenn sie die Schmerzen spürt, den Hungerschrei aus den Mündern ihrer vier kleinen hilflosen Kinder tönen und das Schluchzen der Mutter des Verstorbenen hört, erhebt sie sich mit der Energie einer Mutter und schultert auf ihrem eigenen Rücken ein paar Habseligkeiten, welche die Kinder noch eine Zeit länger hätten gebrauchen können und geht damit zum Pfandleiher. Denn der Hunger wartet nicht; irgendwie muss es ertragen werden, sonst folgt der Tod. Sie trägt ihr Bündel zum Händler wohl wissend, dass sie nur einige wenige Cent bekommen wird und Schluchzer würgen ihre Kehle. Sie stößt aber bei dem Gedanken an die Bürde, die auf ihr lastet, keinen Seufzer aus. Sie ersucht keinen Freund um Hilfe, sie hat es versucht und weiß, dass es umsonst ist. Sie hat vor langem die wichtige Lektion gelernt, dass ihr Gehirn ihre einzige Vorratskammer ist und sie daraus die Milch der Energie und der Intelligenz melken muss. Wie ein Held zahlloser Schlachten schnallt sie sich den Gürtel der Energie um und zieht in den Kampf. Mit dem Band liebender Gedanken bindet sie alle ihre Kinder und die Großmutter zusammen, ergreift das andere Ende des Bandes, verknüpft es mit ihrem Herzen und versichert den Kleinen und der Alten, dass sie diese ernähren, kleiden und schützen oder aber im Graben der Energie, nicht aber im Graben der Verzweiflung sterben wird. Sie sagt: „Mutter, passe auf die Kinder auf, während ich zur Arbeit gehe.“

      Dann bricht sie auf, um ihre Besorgungen zu machen, ohne einen Cent in der Tasche und einen Freund auf Erden, bei dem sie nach Beistand suchen könnte. Nicht einmal der Pfarrer, dessen Sonntagskollekte nie ihre und ihres Gatten Spende für die Armen und für missionarische Zwecke aus ihrer armseligen Börse entbehren musste, gewährt einen Besuch in ihrer hungernden Hütte.

      Sie geht mit dem Willen in die Welt, alles zu tun, Waschen, Kühe melken, Häuser putzen, Gartenarbeit verrichten, Schlachthäuser reinigen oder alles ehrbare, was ihr eine Krume Brot für ihre Kinder anbietet. Den ganzen Tag und die halbe Nacht verbringt sie auf der Suche nach Arbeit und durch ihre unermüdliche Energie und ehrbare Arbeit zieht sie den Blick und das Vertrauen einer gutherzigen Person auf sich, die zu ihrer Rettung mit der Frage herbeieilt:

      „Wie