So gab ich das Reisen auf und blieb in Kirksville, Adair County, Missouri, um zu lehren und zu behandeln und eine Institution aufzubauen, von der ich später noch sprechen werde.
Ich möchte dieses Kapitel mit einem Erlebnis beschließen, das ich in Macon County hatte. Bei einer großen engagierten Versammlung zu Zeiten der politischen Affären während der Siebziger in Macon City, war man dabei die bestehenden Schwächen der republikanischen Regierung zu sammeln und aufzuzählen und die Schurken durch noch mehr Schurken zu ersetzen, als mich ein guter und ehrlich aussehender alter Hufschmied ansprach: „Lass‘ uns in die Kneipe gehen und etwas trinken.“
Ich war kein Whiskytrinker und konnte dem Mann bereits ansehen, dass er zu viel getrunken hatte. Er war in Hemdsärmeln und sein dicker Bauch schaute weit hervor. In der Hoffnung ihm in einer witzigen Art nützen zu können, entblößte ich einen Teil seines Bauches direkt auf der Straße vor einer ganzen Reihe von Leuten und sagte in einem sehr ernsten Ton zu ihm: „Mein guter Freund, ich habe Macht im Himmel und auf Erden, ich bin mit lebenden Menschen und Engeln bekannt, männlichen und weiblichen, und Deiner Mutter, deren Geist genau jetzt über Dir schwebt und mich auffordert Dich von der Hölle des Whiskys fern zu halten.“
Ich begann daraufhin mit meinen Händen auf seinem Bauch herum zu drücken und zu reiben und zu kneten und zu zwicken. Anschließend bearbeitete ich seine Wirbelsäule und Rippen. Zum Schluss drückte ich ihm meinen Ellenbogen in den Rücken und beugte ihn rücklings und mit ziemlicher Kraft darüber. Meine Absicht war es, den alten Mann von seinem Gedanken an den Whisky abzulenken, bis ich ihn mit meinen folgenden Worten überzeugen konnte: „Von diesem Tage an wird Whisky Dich krank machen. Du wirst erbrechen wollen, wann immer Du ihn riechst.“
Nach einer Weile bat ich ihn, in die Kneipe zu gehen, am Whisky zu riechen und zurückzukommen; wenn ihm nicht schlecht werden würde, übernähme ich die Zeche. Er ging in die Kneipe, war aber sofort zurück und berichtete mir, dass er sich übel fühle und nicht den Wunsch verspüre etwas zu trinken. Das war meine erste Anstrengung im Kampf gegen die Gewohnheit des Trinkens. Ich gestehe ehrlich meine Überraschung, als ich nach Jahren erfuhr, dass der Mann das Trinken völlig aufgegeben hatte. Seine Gattin, eine christliche Frau, grüßte mich bei jeder Begegnung mit „Gott segne Sie, Bruder Still.“, nachdem sie erfuhr, dass ich jener Mann gewesen war, der ihren Gatten von der Trunksucht befreit hatte. Dreimal am Tag ging der alte Mann bis dato in die Kneipe und trank bereits über 20 Jahre für täglich 60 Cent seinen Whisky. Er dankte mir stets für seine Rettung von der Trunksucht. Etwa sieben Jahre später starb er als nüchterner Mann.
Ich dachte wenig über die Philosophie nach, warum ein Mann so ein Bedürfnis nach dem Alkohol verspüren sollte, aber nach seinem Tod kam es mir wieder in den Sinn und ich schloss, dass ein Unvermögen des Pankreas, der Milz oder Leber die Ursache war. Sie üben natürliche Funktionen aus und stellen Verbindungen in genügender Menge her, um der Notwendigkeit zu genügen, Flüssigkeiten ohne Nachfrage nach Alkohol zu neutralisieren, weil diese von der Natur aus harmonisch gehalten werden sollen.
Der Fall dieses Mannes, seine Behandlung und das Ergebnis brachten mich dazu mit anderen zu experimentieren und gute Resultate zu erzielen. Ich glaube, dass die Ursache der Trunksucht in einem Versagen dieser Organe liegt, ihre normalen Funktionen auszuführen.
Ich begann Selbstgespräche zu führen und mir Fragen in diese Richtung zu stellen. Ist es unehrenhaft für einen Mann Alkohol Brandy oder Whisky zu trinken, wenn er einen großen Durst nach dieser Art Getränke verspürt? Wäre es nicht grausam diesen Mann einfach daran zu hindern, so als wäre er ein Krimineller und man selbst würde mit Missbilligung angesehen, sobald man sich in seiner Gesellschaft befände? Ist er krank? Schreit sein Trinken bis zur bestialischen Besoffenheit nicht zum Himmel für jeden Philosophen, der in der Lage ist, von der Wirkung auf die Ursache zu schließen? Und wird dieser Philosoph nicht dazu angehalten, nicht mehr von der Seite dieses Mannes zu weichen, bis er die Ursache gefunden und beseitigt hat, die den Durst auf den Alkohol verursacht, der nach Meinung des Trinkers in seinen einsamen Stunden sein einziger Freund ist, ihn im Leid begleitet und für ihn sorgt, während er gleichzeitig sein Heim und alle seine und die Freuden seiner Liebsten zerstört. War dieser Whisky sein Freund? Ich sage 1.000-mal: Ja! Aber der Arzt hörte weder diesen Schrei noch erkannte er den Hinweis der Natur in der Gier dieses Mannes nach Whisky durch seinen ungesunden Durst als Symptom eines kranken Organs an. Eines Organs, das nicht mehr in der Lage war, die Sekrete in genügender Menge oder Qualität zu produzieren, um Kalk, Lehm oder die anderen erdigen Substanzen in Lösung zu halten und damit die Ausbildung von Gallen- oder Nierensteinen zu verhindern. Ist die Schlussfolgerung nicht begründet, dass der Alkoholiker ein kranker Mann ist? Jemand, dessen Handlungen einem Vernünftigen signalisieren, dass durch Unfall, Druck oder auf andere Weise das Nerven- und Blutangebot zum Pankreas, zur Milz oder Leber unterbrochen ist, und dessen Bedürfnis nach Alkohol verschwindet, nachdem die Strukturen wieder angepasst wurden, die ein normales Nerven- und Blutangebot ermöglichen?
Indem wir vom besten Freund des Trunkenboldes, dem Whisky sprechen, werden wir erklären, wenn dieser ihm vorübergehend Erleichterung von der drückenden Wirkung von Kalk und Lehm verschafft, die in seinem System in anormalen Mengen vorhanden sind, sich dann der beste Freund des Arztes bemerkbar macht, wenn es ihm möglich ist von der Wirkung auf die Ursache zu schließen, und so eine Hilfe bei der Diagnose sein sollte, eine vorübergehende Lähmung der Pankreas-, Milz- oder Lebernerven ausfindig zu machen. Wenn er – vorausgesetzt seine osteopathischen Kenntnisse sind hinreichend vertieft – genau weiß, dass die generativen Kräfte dieser Organe mit der hinreichenden Produktion von Säuren zur Neutralisation der Kalk- und Lehmablagerungen im System gestört sind, wird er den Druck wegnehmen, die Störung aufheben bzw. die nötige strukturelle Anpassung durchführen, sodass die Organe wieder zu ihrer normalen Funktion zurückfinden.
Kurz nachdem ich den alten Gentlemen behandelt hatte, brachten einige alte Damen einen Arzt zur Behandlung wegen seiner Trinkgewohnheiten zu mir. Sie hatten ihn unter den Armen gefasst und versucht, ihn damit hinters Licht zu führen, dass er in meines Bruders Haus gebracht werde.
Er sagte: „Auf keinen Fall, Sally Jane, wirst Du mich dazu bringen, dass Still mich verhext, dafür liebe ich meinen Whisky zu sehr. Das wird Dir nicht gelingen.“
Der Arzt war so tief von der Wirkung meiner Behandlung überzeugt, dass er Angst davor hatte und davonlief. Hätten die Damen mich von ihrem Vorhaben unterrichtet, wäre ich darauf vorbereitet gewesen, dem Arzt auf den Fersen zu bleiben. Die wechselnden Gesichtsausdrücke und Blicke ließen darauf schließen, dass er glaubte, wenn ich ihn in die Hände bekäme, würde seine Liebe zum Whisky auf immer erlöschen. Ich nehme an, der Arzt wäre von seinem Durst befreit worden. Hätte ich einige mehr von ihnen behandelt, wäre wohl so etwas wie ein populärer Wahn unter den Ärzten nach der Behandlung ihrer Trinkgewohnheiten ausgelöst worden. Wie viele Tausend hätte ich jährlich drücken, reiben, kneten und zwicken müssen? Ausgehend von den nicht mehr als 10 %, die ich ohne ein Fläschchen, das Beruhigungsmittel für ihren Magen bereit hielt, in ihrem Büro angetroffen habe, schätze ich ihre Zahl auf Hunderttausende.
Nur einen Fall von Trunksucht habe ich mit Medikamenten behandelt. In meinem Besitz befanden sich ein paar gute alte, leicht flüchtige und hauptsächlich aus Hirschhornsalz und Süßöl bestehende Einreibemittel. Ich ging mit einer Flasche dieses Einreibemittels in der Hand umher, um meine Patienten gegen blaue Flecken oder aufgrund einer Verstauchung zu behandeln, als ich einen alten Bekannten traf, der sich in einem Zustand befand, den er als ‚beschwipst‘ bezeichnete. Er war nüchtern genug, aber seine Beine waren butterweich und er berichtete von fürchterlichen Kopfschmerzen. Ich versicherte ihm, mein Mittel würde alles heilen, Kopfschmerzen oder was auch immer. Er nahm in der Straße seinen Hut vom Kopf und bat mich, ihn ein bisschen einzureiben. Ich entkorkte meine Flasche und begann seinen Schädel einzureiben. Ein Esslöffel oder mehr rann sein Haar hinunter, über seine Stirn und in seine Augen. Er zog sein Taschentuch hervor, ich das meine, und beide rieben wir sein Gesicht ab. Er sagte, sein Kopf stünde in Flammen und seine Augen würden herausgebrannt. Ich wusch das Einreibemittel mit Wasser und Seife ab. Als sein Gesicht gewaschen und abgetrocknet war, erschien er vollkommen nüchtern. Seitdem ließ er das Trinken sein. Ich empfehle allen Damen, deren Ehemänner sich betrinken und zu laut reden, ihren Kopf mit so einem Mittel einzureiben und nicht zu